Peru/Bolivien: Wie wir erstaunlich gut den Altiplano meisterten [Vintage]
Translation with Google
Tagebuch Südamerika: Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Perú, Bolivien
7. Februar bis 27. April 1984
Vorbemerkung: Der Text meines Tagebuches von 1984 wurde nahezu unverändert übernommen. Die Rechtschreibung wurde angepasst und auf die Umrechnung in DM (Deutsche Mark, die Älteren werden sich noch erinnern) verzichtet. Damals gültige lokale Währungen wurden belassen. Während ich Venezuela und Kolumbien ganz allein bereiste, traf ich mich in Ecuador verabredungsgemäß mit einem deutschen Ruder-Freund und wir setzen die Reise in Ecuador, Perú und nunmehr in Bolivien gemeinsam fort.
Informationen aus dem Internet gab es damals natürlich noch nicht, da es gar kein Internet gab – es war also eine rein analoge Reise. Demzufolge war an Verbindungen zu Freunden oder zur Familie über What’s App oder dergleichen gar nicht zu denken. Die zuverlässigste Verbindung waren postlagernde Briefe (wer kennt das noch?) oder in Notfällen extrem teure Telefonate, die mit langen Wartezeiten verbunden waren, bis die jeweiligen Verbindungen hergestellt waren. D.h. es war eine ganz andere Zeit und ich war drei Monate auf mich und meine regionale Umwelt gestellt!
Und ein weiterer großer Unterschied zum heutigen, „digitalen“ Reisezeitalter ist, dass weder Hotels noch Zug- oder Busverbindungen im Internet gecheckt und gebucht werden konnten, sondern alles musste mühsam vor Ort recherchiert werden bzw. durch Informationsaustausch mit anderen Reisenden erfragt werden. Das kostete viel Zeit, kam aber der persönlichen Kommunikation sehr zugute. Anstatt ständig ins Handy zu glotzen, sprach man einfach mit seinen Nebensitzern – altmodisch, aber gut!
Teil 5: Wie wir erstaunlich gut den Altiplano meisterten
Heute bin ich genau zwei Monate unterwegs und wir verbringen unsere (vorläufig) letzte Nacht in Perú, nämlich in Copacabana am Lago Titicaca auf 3.800 müM. Am nächsten Tag soll es über die Grenze nach Bolivien gehen – mal sehen, was uns dort erwartet:
BOLIVIEN

Flagge von Bolivien
Samstag, 07.04. Das Wecken klappt schon mal nicht, aber wie immer wache ich rechtzeitig auf. Mit viel Hektik kommen wir rechtzeitig und ungefrühstückt zum Bus. Anderthalb Stunden lang fahren wir über die Halbinsel und kommen dabei sehr hoch – schätzungsweise 4.500 müM. Hier oben gibt es keine Bäume mehr, sondern nur noch Flechten. Allerdings tragen sehr viele Leute Gladiolen mit sich herum – mir ist schleierhaft, wie die hier oben in der Kälte wachsen können. Dann geht’s wieder abwärts, und wir müssen am Titicaca-See per Fähre übersetzen, um ans bolivianische Festland zu kommen. Dafür müssen wir alle aus dem Bus aussteigen, eine Karte für 50 Pesos kaufen und werden von einem kleinen, jedoch mit Motor betriebenem Boot auf die andere Seite übergesetzt. Währenddessen wird auch der Bus auf eine Holzfähre bugsiert und langsam hinübergebracht. Auf der anderen Seite halten ein paar Leute mit Ketten die Fähre stramm am Ufer, während der Bus herunterfährt. Währenddessen haben wir schnell einen Kaffee und ein trockenes Brötchen gegessen und die Fahrt im überfüllten Bus wird fortgesetzt.

Unser Bus wird auf der Fähre verladen und setzt über den Lago Titicaca [Bild REM]
Quer über den Altiplano fahren wir weiter und plötzlich kommt LA PAZ in Sicht. Zunächst geht es durch die obenliegenden, sehr armen Slumviertel mit aufgerissenen Straßen und Lehmhäusern, dann fahren wir von oben mit tollem Blick auf das Zentrum in den höchstgelegenen Regierungssitz der Welt (3.200-4.100 müM je nach Stadtteil). Die Hauptstadt Boliviens ist übrigens Sucre. In der Avenida Mano Kapac ist Endstation, und wir finden schnell ein einigermaßen gutes Hotel („Italia“). Auf der Suche nach dem Touristenbüro und einer Wechselmöglichkeit für unser Geld machen wir erste Bekanntschaft mit der Stadt. Da sie zu 80% von Campesinos (Indios) bewohnt ist, prägen diese mit ihren bunten Farben und Trachten auch das Bild in den Straßen. Zunächst gehen wir durch sehr steile Straßen, die auf beiden Seiten von dasitzenden Indiofrauen gesäumt werden, die auf Decken ein paar Kleinigkeiten wie Unterhosen oder Schnürsenkel oder Rasierklingen oder Saft oder direktzubereitetes Essen anbieten. Dann kommen wir zum Plaza San Francisco mit der gleichnamigen alten Kirche, die eine herrliche Fassade und Goldaltare besitzt. Hier beginnt das moderne Viertel mit Hochhäusern, Banken, Versicherungen etc. Trotzdem fehlen auch hier nicht die Indiomuttis, die Schuhputzer, die Zeitungsverkäufer etc.

Unser erster Blick auf La Paz, den höchstgelegenen Regierungssitz der Welt (3.200-4.100 müM) [Bild REM]
Am Touristenbüro gibt es natürlich keine Info mehr (obwohl noch Öffnungszeit ist) und in einem Casa de Cambio kriegen wir Cash-Dollar gewechselt (ist das nun Schwarzmarkt oder nicht?) und erhalten für einen 50-Dollar-Schein 170.000 Pesos. Allerdings hat er nur noch 130.000 Pesos in den „praktischen“ Tausend-Pesos-Scheinen und die letzten 40.000 Pesos nur noch in Hundert-Pesos-Scheinen. So erhalten wir insgesamt 530 Scheine, d.h. einen Stapel von knapp 20 cm Höhe (die Scheine sind zur Hälfte geknickt), der alle unsere Hosentaschen füllt. Das Geld ist hier wirklich ein Wahnsinn. Vor zwei Jahren war 1 US-$ noch 25 Pesos jetzt 3400!! So bringen wir unser Hab und Gut ins Hotel und gehen dann essen. Für 2000 Pesos gibt es Vorspeise (Salat), Suppe, Hauptgericht (Lasagne), Nachtisch (Kompott) und Kaffee. Das gleiche, etwas einfacher, kann man woanders auch für 600 Pesos erhalten!! Es ist wirklich unglaublich günstig.

Für 50 US-Dollar erhalten wir 170.000 Pesos – hier ein praktischer Größenvergleich [Bild REM]
Irgendwo ist immer Markttag
Anschließend fahren wir mit einem Bus in die Av. Buenos Aires. Das ist wieder ein Erlebnis à la Kairo! Der Minibus ist völlig überfüllt: links vom Fahrer stehen drei Leute, zwischen den bereits besetzten Sitzen stehen Leute, das Trittbrett ist besetzt und manchmal hängen sogar Kinder an der hinteren Stoßstange. Und mitten dazwischen wir mit 500 Dollar, Kamera etc. am Leib. Wir fahren hier viel Bus, aber werden keinerlei Diebstahl zu beklagen haben! Steilste und engste Straße der Innenstadt mit kolonialen Häusern und Kirchen passierend, kommen wir schließlich zur Buenos Aires, wo wir die Marktatmosphäre genießen. Insbesondere typisch sind die dicken Indio-Muttis mit obligatorischem Bowler auf dem Kopf, mit zig Röcken bekleidet, mit Kind auf dem Rücken im Tuch und inmitten ihrer Habseligkeiten. Seien dieses nun zehn schwarze Bananen, eine Pfanne mit altem Fett und Fleisch darin, BH’s in Riesengrößen oder 5-Ltr.-Kanister mit Schnaps – hier gibt es eben alles.

Eine ganz typische, indianische Verkäuferin inmitten ihrer Gewürze [Bild REM]

Vom Verkauf einiger weniger Früchte müssen viele Familien überleben [Bild REM]

Endstation des städtischen Busses [Bild REM]
Sonntag, 08.04. Erstaunlicherweise gibt es gleich ein Frühstück in einem Café um die Ecke, wo wir eine Art dicker Empanadas essen, die mit Fleisch und Sauce gefüllt sind: Riesensauerei, aber lecker. Der im SAH und im Du Mont empfohlene Mercado Camacho entpuppt sich als ganz gewöhnlicher Gemüse- und Fleischmarkt, wo wir nicht lange bleiben. Dafür hat das Touristenbüro tatsächlich offen, und wir werden von einem sich im Sessel flegelnden und ständig gähnenden, jungen Mann sehr mäßig informiert. Dabei stellt sich heraus, dass unsere Skiausfahrt zum nahen Chacaltaya (Talstation 5.200 müM!!) nicht klappt, da es nur am Wochenende Busse dorthin und Skiausrüstungen zu leihen gibt – sehr schade. Auch das sonntagnachmittägliche Folklore-Konzert im Coliseo Cerrado entfällt angeblich.
Eine abenteuerliche Busfahrt quer durch La Paz
So fahren wir per Bus zum Aussichtspunkt Sopocachi, der in einem besseren Viertel La Paz‘‘ liegt, wo mittelständische Familien gerade vom Kirchenbesuch ankommen. Der Blick auf das moderne La Paz und den 6.447 m hohen, schneebedeckten Vulkan Illimani sind sehr schön. Anschließend steigen wir in einen Bus ein, der uns wieder nach unten bringen soll, da er aber in die Gegend fährt, von der wir hoffen, dass wir wieder einen so schönen Blick auf die gesamte Stadt haben, wie bei unserer Ankunft, bleiben wir einfach sitzen. So machen wir dann eine 1½-stündige Stadtrundfahrt für und kommen dabei durch die unterschiedlichsten Gegenden: Arm, reich, dreckig, sauber, Marktgewühl, sonntägliche Leere etc. Schließlich fliegen wir an der Endstation als letzte aus dem Bus und sind nach zehn Minuten Gehen wieder an dem Aussichtspunkt.

Am Aussichtspunkt Sopocachi [Bild REM]

Ein modernerer Stadtteil von La Paz und im Hintergrund der schneedeckte Vulkan Illimani [Bild Rem]

Typisches Stadtviertel in La Paz [Bild REM]

Oben liegen die Stadtviertel der armen Campesinos und weiter unten die Gegenden der Wohlhabenderen [Bild REM]

Kicken auf fast 4000 müM – das hält fit! [Bild REM]
Später kommen wir zufällig an einem Kino vorbei, in dem der berühmte Film „Naranja mecánica“ („Clockwork Orange“) gegeben wird. Der Film würde uns beide interessieren. So gehen wir nach zwei Steh-Hamburgern an Ständen auf der Straße zu diesem Kino. Leider ist aber schon alles ausverkauft. So stehen wir dann dumm vor dem Kino auf der Straße, als uns plötzlich zwei Karten zu Schwarzmarktpreisen angeboten werden. Dank dieser Tatsache kommen wir zu dem fast unverschämten Preis von 1000 Pesos je Person ins Kino. Jedoch der Kauf der Karten ist dann das Interessanteste an dem Abend, denn der sehr bekannte Film, reißt uns nicht gerade vom Sessel, im Gegensatz aber dazu die Tatsache, dass zuvor ein zehnminütiger Werbefilm für die Bundesrepublik Deutschland gezeigt wird. Auf dem Rückweg zum Hotel ist die Stadt sehr belebt und wir wundern uns, dass hier am Sonntagabend mehr los ist als am gestrigen Sonnabend. An einem Stand trinken wir noch ein merkwürdiges Getränk, das aus Sangani besteht, in dem eine heiße, schaumige. Mischung aus Milch, Wasser, Anis, Zucker und anderen Gewürzen gegeben wird – sehr lecker.
Montag, 09.04. Wir laufen morgens über eine Stunde durch die fast tote Stadt, ohne eine Möglichkeit zu finden, wo wir frühstücken können. Als wir schließlich doch etwas auftun, erfahren wir den Grund: Heute ist der 32. Gedenktag der bolivianischen Revolution von 1952 und deswegen ein Feiertag! Am Plaza Murillo findet eine kleine Kundgebung statt, aber so geringen Umfangs, dass in Deutschland jede Hausbesetzer-Demo mehr Zulauf fände. Anschließend suchen wir das Büro der einzigen Busgesellschaft, die in Richtung peruanischer Grenze fährt und finden diese schließlich in der Nähe des Friedhofes. Jedoch können wir nicht gleich Karten kaufen, denn die gibt es erst unmittelbar vor der Abfahrt des Busses. Also müssen wir am nächsten Morgen bereits eine Stunde vor Abfahrt dort sein. Da wir jetzt sowieso im Gebiet des Marktes sind (Av. Buenos Aires), durchlaufen wir diesen kreuz und quer. Dabei erstehen wir zwei Indio-Mützen mit Ohrenklappen und ich einen Dia-Film, der hier nur genauso viel kostet wie in Deutschland (wo der wohl geklaut wurde?). Auf dem Markt ist hier am Feiertag natürlich das gleiche los, wie an jedem Tag. Besonders auffällig sind übrigens die vielen Geschäfte, die große, rötliche Blechkanister à 10 ltr. mit Zuckerrohrschnaps verkaufen. Also das Saufen wird hier wirklich sehr massiv durchgeführt!
Überraschenderweise erleben wir den bolivianischen Revolutionstag in La Paz
Als wir uns dann gerade im Hotel etwas waschen wollen, hören wir Musik und sehen aus dem Fenster einen Umzug mit Campesinos in Volkstrachten und mit Musikinstrumenten. Jetzt geht der Revolutionstag offensichtlich richtig los, denn die Revolution ging seinerzeit von den Mineros (Kumpels) aus, die deswegen heute ihren großen Tag haben. Unten auf der Straße können wir den langen Umzug gut beobachten: Jede bolivianische Region stellt eine eigene Abordnung von Leuten in folkloristischen Uniformen, die zu ihrer Musik tanzen. Dazwischen laufen dann immer Campesinos in „Zivil“, die Plakate für den Revolutionstag mit sich tragen – also eine bunte Mischung aus Folklore und politischem Anspruch.

Mineros (Minenarbeiter) in Volkstrachten und mit Musikinstrumenten, die den Jahrestag der Revolution von 1952 feiern [Bild REM]

Die Mineros sind sehr stolz auf ihre politischen Aktivitäten [Bild REM]

Auch einige junge Mineros beteiligen sich [Bild REM]

Viele Teilnehmer sind von weither angereist [Bild REM]
Wir kommen noch an weiteren Ständen vorbei, wo es sehr schönen Silberschmuck und Silbergefäße (für Touristen) gibt, aber auch Lamaföten, die die Indios in Häuser einmauern, um böse Geister abzuhalten, und vielen anderen Zauberkram. Sehr interessant! Wieder unten am Plaza San Francisco ist hier inzwischen einiges los. Es ist eine Holzbühne aufgebaut und unter der Ansage vor Politikern oder Gewerkschaftlern spielen die einzelnen Gruppen, die wir zuvor im Umzug sahen, vor und kämpfen sich dann tanzend und musizierend durch die Menge, um dann bis zum Bahnhof weiterzumachen, von wo aus sie per Zug wieder heimfahren. Wir haben wirklich Glück, dass wir gerade heute hier sind.

Wenn man an diesen „Zauberkram“ glaubt, hilft er mit Sicherheit [Bild REM]
Schaffen wir es irgendwie, aus La Paz herauszukommen?
Dienstag, 10.04. Um 8 Uhr müssen wir oben am Busbüro sein, um unsere Karten zu kaufen. Da überhaupt nicht daran zu denken ist, in die vollen Stadtbusse mit Rucksack und Tasche ein- und auszusteigen, wollen wir per Taxi fahren. Aber auch diese sind kaum zu kriegen. Deswegen kalkulieren wir für den kurzen Weg eine Stunde ein. Als wir um 7 Uhr das Hotel verlassen wollen, schläft noch alles, und der Portier öffnet uns im Morgenmantel – so spät fängt hier alles an! Unerwarteterweise kriegen wir sofort ein Taxi, das uns für 500 Pesos hinaufbringt. Dort steht schon ein Bus bereit, der aber bereits besetzt ist. Auf die Aufforderung des Schaffners, versuchen wir uns noch zwischen mit Säcken, Taschen und Babys beladenen Indios hindurchzukämpfen, um wenigstens einen Stehplatz für die 4stündige Fahrt zu kriegen. Aber auch daran ist gar nicht zu denken, und wir kämpfen uns wieder aus dem Gewühle heraus. Ein Angestellter sagt uns dann, wir sollten uns für den nächsten Bus anstellen, um wenigstens für diesen Karten zu bekommen. Das tue ich dann, während Jürgen draußen in der eisigen Kälte unser Gepäck bewacht. Obwohl ich zuerst gut in der Schlange bin, stehe ich bald allein da und die Indiomuttis kloppen sich daneben um die besten Plätze. Schöne Sch… Resigniert gebe ich auf und überzeuge Jürgen, dass wir irgendwie per Taxi aus La Paz herauskommen müssen, denn per Bus klappt das nie.

Auf dem Altiplano zwischen La Paz und der peruanischen Grenze [Bild REM]
Zuerst machen wir noch eine kleine „Stadtrundfahrt“ und holen beim Fahrer 10 $ Wechselgeld für unseren 20-$-Schein ab. Dann fahren wir zur Post, wo wir endlich unsere Karten und Briefe abgeben können (Samstag, Sonntag und Revolutionstag waren zu). Danach geht’s dann endlich los. Zuerst nach ganz oben aus der Stadt heraus. Hier ist noch eine Polizeikontrolle, bevor die nicht asphaltierte Piste beginnt. Der Fahrer erzählt uns sehr interessant über die politischen Verhältnisse Boliviens, die Revolution von 1952 und die Probleme, die daraus resultieren, dass Bolivien seit einem Krieg mit Chile (vor 100 Jahren) keinen Zugang mehr zum Meer hat etc. Dieses ist auch eines der Hauptprobleme des armen Landes, das „auf einer Schatztruhe sitzt, ohne den Schlüssel dazu zu haben“ (DuMont). So stand auch auf einem Schild an der Grenze der Satz: „Bolivianos: El mar nos partenece, recuperarlo es un deber“ (Das Meer wurde uns genommen, es zurückzuerhalten ist eine Pflicht). So kommen wir nicht nur vorwärts, sondern lernen auch noch allerhand dazu. An interessanten Stellen hält er an, damit wir Fotos machen können, erklärt uns bestimmte Getreidesorten (Quinoa) etc. In jedem der armen Lehmdörfer, die wir durchqueren, muss er in der Polizeistation seinen Ausweis vorzeigen. Dann kommen wir nach TIHUANACU. einem der bekanntesten Bauwerke am Titicaca-See, das bereits vor den Inkas erbaut und, von diesen erweitert, als Observatorium benutzt wurde. Hier steht auch die berühmte Puerta del Sol, das Sonnentor.

Das „Sonnentor“ in Tihuanacu, außerhalb von La Paz [Bild REM]

Köpfe im halb-unterirdischen Tempel in Tihuanacu [Bild REM]
PERU

Flagge von Perú
Schnell und unproblematisch (Perú es un pais libre!) kommen wir über die Grenze und ½ Stunde später sitzen wir schon im Minibus nach Puno. So kommen wir nach einer flotten Fahrt von drei Stunden in PUNO an, wo wir für 7000 Soles in dem Hotel unterkommen, das uns eine Woche zuvor partout nur für 8000 ein Zimmer geben wollte.

Piste direkt am Lago Titicaca, kurz vor Puno [Bild REM]
Mittwoch, 11.04. Vor der Abfahrt trinke ich an einem Stand vor dem Bahnhof noch schnell einen Kaffee und dabei wird mir der Bahnhof fast vor der Nase abgeschlossen, aber ich komme gerade noch in unseren Waggon. Wir haben Zugfahrkarten 1. Klasse und der Zug ist ziemlich leer, allerdings sind in unserem Waggon fast ausschließlich Gringos.
Per Zug auf weit über 3000 müM von Puno nach Cuzco
Vom 3.828 m hohen Puno fahren wir zunächst bis Juliaca am Titicaca-See entlang (wie auf der Herfahrt) und dann geht’s in Richtung Cuzco ab. Zunächst fahren wir oben auf der Altiplano voran und dann beginnen langsam die Steigungen bis wir schließlich am Bahnhof LA RAYA die max. Höhe von 4.319 m erreicht haben. Hier gibt es natürlich wieder nur noch Gras, Flechten, große Lama-Herden und ein paar Indiofrauen, die sie hüten. Je tiefer wir kommen (Cuzco liegt auf 3.354 m, aber zuvor geht es bis auf 2.700 m runter), desto wärmer und vegetationsreicher wird es auch. Wir passieren diverse Dörfer, die natürlich nur aus Lehmhütten bestehen und wo wieder zig Kinder im Dreck herumspielen, während die Alten Coca-Blätter kauen und Chicha (Maisbier) trinken. Im Zug wird währenddessen ständig irgendetwas serviert: Kaffee, Tee, Cola, Bier, Sandwiches, Pudding und zu Mittag Hähnchen mit Pommes Frites und Salat (ist uns zu teuer). Leider schaukelt und wackelt es die ganze Zeit so, dass an Lesen, geschweige denn Schreiben, gar nicht zu denken ist. Die letzten drei Stunden fahren wir in einem fruchtbaren Flusstal entlang, wobei ich meistens auf den Stufen der offenen Waggontüre sitze, um besser sehen und fotografieren zu können, 1½ Stunden bevor wir in Cuzco ankommen, wird der Zug von Schleppern überschwemmt, die alle hier bereits versuchen, ihre Hotels in Cuzco an den Mann zu bringen. Hauptsächlich sind es ziemlich gute Hotels, aber die Preisdifferenzen sind ganz beträchtlich. Schließlich einigen wir uns mit einem ganz netten Typen auf das Hotel „Del Angel“, wo wir für 10.000 Soles ein Doppelzimmer mit eigenem Bad bekommen.

Stop an einem „Bahnhof“ zwischen Puno und Cuzco [Bild REM]

Kleine Kirche in einem der zahlreichen, namenlosen Dörfer, die wir passieren [Bild REM]

Gebäude am Plaza de Armas in Cuzco [Bild REM]

Ebenfalls am riesigen Plaza de Armas (Waffenplatz) [Bild REM]

Iglesia de la Compañía de Jesús (Jesuitendom) am Plaza de Armas in Cuzco [Bild REM]
Erkundung Cuzcos mit „boleto turistico„
Donnerstag, 12.04. Zu unserer großen Überraschung finden wir ein anständiges Lokal, wo wir frühstücken können. Der café con leche wird sogar aus frischer Milch gemacht (Haut)! Im Touristenbüro erfahren wir dann (wie es auch im SAH steht), dass wir ein sogenanntes „boleto turistico“ gebrauchen, um die diversen Sehenswürdigkeiten in und um Cuzco besichtigen zu können. Dieses hat den wahnsinnigen Preis von 5 US-$ (= 13.000 Soles). Beim Kauf der teuren Dinger kriegen wir auch noch Ärger, weil sie die vergammelten und geklebten 500-Soles-Scheine, die wir 5 Min. zuvor im Casa de Cambio erhalten haben, nicht akzeptieren wollen. So eine dusselige Kuh, was kann ich dafür, wenn die hier so gammeliges Geld haben, ich zähle und kontrolliere schließlich nicht stapelweise 500 Sole-Scheine! In der Klosterkirche La Merced wollen wir dann gleich unsere neuen Tickets einsetzen, aber hier gelten sie natürlich nicht! Nicht besser geht es uns anschließend bei San Francisco, wo unser Billet ebenfalls nicht gilt. Aber 200 Soles können wir doch spendieren und besichtigen die Kirche und einen Teil des Klosters. Viele große Bilder hängen hier fast im Freien (im Kreuzgang), und es gibt Gänge mit Knochen an den Wänden. Das Interessanteste ist aber die Art und Weise, wie hier gerade Reparaturen durchgeführt werden. Wahrscheinlich handelt es sich noch um Schäden des großen Erdbebens von 1950, das 90 % von Cuzco zerstörte! Wie in Popayán wird von wackeligen Gerüsten aus der Dreck und Lehm an die Wände geschmiert bis es hält!
Zu Mittag gibt es chicharrones mit Mais (Schweinefleisch mit Knochen) und anschließend nutzen wir unser boleto turistico zu einer ersten interessanten Besichtigung: Die auf Inkaruinen erbaute Kirche Santo Domingo. An dieser Stelle standen zur Zeit der Inkas die Tempel der Sonne, des Mondes und der Sterne sowie das Palais der Prinzen, die aus den bekannten großen Steinen, die die Inkas für alle wichtigen Bauwerke verwandten, erbaut wurden. Die Steine sind riesengroß, aus dem Fels geschlagen und ohne Zement und Mörtel völlig exakt übereinandergestapelt, so dass sie im Gegensatz zu den spanischen Bauwerken sämtliche Erdbeben überstanden haben und noch heute als Fundament nicht nur dieser Kirchenruine, sondern der größten Zahl der Bauwerke Cuzcos, dienen. Zunächst besehen wir alles allein, aber dann erklärt uns ein Führer, der ein sehr schwer verständliches Englisch spricht (er ist Indio, wie die meisten Bewohner Cuzcos), alles genau: Ein wirklich eindrucksvolles Beispiel für den Aufbau der spanisch-peruanischen Kultur auf der der Inkas.

Der Coricancha (Apfeltempel-Goldenes Haus) war das wichtigste dem Sonnengott geweihte Heiligtum zur Zeit der Inkas. Auf diesem Fundament ist heute das Kloster Santo Domingo im Stil der Renaissance errichtet. [Bild REM]
1983 wurde Cuzco in die UNESCO Weltkulturerbeliste aufgenommen.
Hinterher gehen wir durch die zahlreichen, engen Gassen Cuzcos, die – abgesehen von Autos – fast ausschließlich von Indios bevölkert werden. Die Frauen alle in ihren vielen, bunten Röcken mit Bowler und Tragetuch mit Baby, während die Männer meist europäisch gekleidet sind. Sie gehen meist barfuß oder höchstens mit „Pirelli-Schuhen“ (= Schuhe aus Autoreifen) bekleidet. Ähnlich wie die Kirche Santo Domingo sind fast alle Häuser auf den eindrucksvollen, riesigen Inka-Steinen erbaut, wobei die unteren ein bis zwei Meter ausmachen, und darüber geht es dann konisch weiter. Diesbezüglich ist die Calle Loretto am eindrucksvollsten. Sie wird von uns „Schiffer-Gasse“ getauft, weil nach peruanischer Manier ständig Männer und Jungs an die Wände pinkeln bzw. auch Indiofrauen mit ihren vielen Röcken davor hocken, um das Gleiche zu tun.

Typische Straße im historischen Zentrum Cuzcos [Bild REM]
Freitag, 13.04. Morgens wollen wir zunächst das archäologische Museum besuchen, aber unser boleto turistico gilt wieder nicht, und ich bin nicht bereit, nochmals 5.000 Soles dafür zu bezahlen. Stattdessen besuchen wir das Museum für religiöse Kunst. Hier hängen einige Bilder der weltberühmten Cuzco-Schule, die sich insbesondere durch Bilder auszeichnet, die ohne Perspektive gezeichnet sind, und zwar hauptsächlich von indianischen Malern, jedoch ausschließlich mit christlich-religiösen Motiven!
Fast alle Gebäude Cuzcos stehen auf Inka-Fundamenten
Dieses Gebäude ist nicht nur dadurch bemerkenswert, dass hier der Inka-Stein mit den meisten Ecken – nämlich 12 Stück (!) – zu finden ist, sondern auch dadurch, dass der Innenhof mit wunderschönen maurischen Kacheln gearbeitet ist. Er ist also eine Kombi-nation der inkaischen, maurischen und kolonialen Kultur! Steile und enge Gassen hinauf-gehend gelangen wir in die Wohnviertel der Cuzceñer und trinken schließlich in einem kombinierten Kolonialwarengeschäft/Kneipe eine Inka-Cola (DAS National Getränk Perus). Wieder unten in der Stadt, gehen wir auf den Markt, wo wir Sicherheitsnadeln und Musikkassetten einkaufen und dabei Anchie kennenlernen. Mit der Peruanerin, die gut Englisch und etwas Deutsch spricht, gehen wir dann in eine Kneipe zum Essen und während Jürgen etwas Probleme mit dem Magen- und Darmtrakt zu haben scheint, bleiben wir noch dort…

Stein der zwölf Winkel – ein typischer, fugenloser Steinblock aus der Inka-Kultur. [Bild REM]

Auch dieses Kino steht auf Inka-Fundamenten [Bild REM]

Die berühmten Ruinen von Sacsayhuamán, außerhalb von Cuzco [Bild REM]

Die fugenlosen Steinmauern in Sacsayhuamán sind beeindruckend!
Die Festung liegt direkt oberhalb Cuzcos, so dass wir einen herrlichen Blick auf die roten Dächer, die vieler Kirchen und den Plaza de Armas haben. Bei der Suche nach einer Abkürzung, um in die Stadt zu kommen, stehen wir plötzlich vor einem 3 m hohen Stück, das fast senkrecht nach unten geht. Da die Gräser nicht halten „haut‘s den Bub mit voller Wucht in die Schlucht“ (ich!). Glücklicherweise geht mein Fotoapparat nicht in die Brüche und ich habe auch nur einige Kratzer etc., die allerdings in den nächsten Tagen mein ganzes Pflaster kosten werden, da Jürgen sich sehr nett darum sorgt, dass ich auch immer genug Desinfektionsmittel aufpudere. (Ich wäre doch zu schlampig!)

Blick über Cuzco von Sacsayhuamán aus [Bild REM]
Ohne unser wichtiges South American Handbook geht’s nach Chinchero zum Markttag
Sonntag, 15.04. Heute wird unser erstes diebstahlmäßig dramatisches Erlebnis erfolgen! Bereits um 6 Uhr 30 marschieren wir durch Cuzco, um zur Haltestelle der Busse nach CHINCHERO zu kommen. Von früh-sonntäglicher Ruhe ist jedoch nichts zu spüren, denn am heutigen Palmsonntag ist um diese Zeit der erste Gottesdienst bereits zu Ende (!!) und die vielen Leute gehen mit Palmzweigen „bewaffnet“ über den nach Weihrauch duftenden Plaza de Armas nach Hause. Währenddessen gelangen wir zu der Straße, in der laut Touristenbüro die Busse nach Chinchero abfahren. Aber was dort abfährt, sind natürlich doch LKW und wir klettern auf einen Pick-up, so dass die Fahrt durch kleine, enge, nicht vertrauenserweckende Straßen des untouristischen Teils von Cuzco startet. Sei es Faulheit, sei es Leichtsinn, seien es übermäßig positive Erfahrungen, ich lege jedenfalls meine Jute-Tasche (aufgedrucktes Motto: „Ausländerfeindlichkeit Nein Danke“) mitsamt dem South American Handbook auf den Boden des Pick-ups und bitte Jürgen, auch mit darauf zu achten. Wenig später halten wir an einer belebten Stelle an und Jürgen meint noch, einen Schatten gesehen zu haben, jedenfalls ist die Tasche incl. SAH verschwunden! Damit ist unsere wichtigste Informationsquelle zum Teufel und das am Palmsonntag! Die anderen Leute vom LKW raten uns zwar, sofort abzuspringen und zu suchen, aber ich vermute, dass das Buch von einem der Mitfahrenden geklaut worden ist. Wie dem auch sei, mein Buch ist und bleibt verschwunden. Es ist schade drum, aber Pass oder Geld wären viel schlimmer. So fahren wir bei eisiger Kälte und Wind auf dem offenen Wagen die 70 km durch die wunderbare Bergland-Landschaft bis Chinchero.
In diesem kleinen Dorf findet an jedem Sonntag ein Markt statt, der weniger touristisch als jener von Pisaq. sein soll. (Vor vier oder fünf Jahren soll hier noch nicht einmal mit Geld bezahlt worden sein, sondern es ist lediglich getauscht worden). Jedoch die Hoffnung, so etwas zu erleben schwindet schon, als unser Indio-LKW (wir sind die einzigen Gringos, und die Mitfahrenden sind dreckig, arm und frieren fürchterlich in ihrer viel zu dünnen Kleidung!) gestoppt wird, und wir unser boleto turistico – zwecks Knipsung – vorweisen müssen! Als wir gegen 8 Uhr ankommen, sind, wir die „zweiteinzigen“ Touristen, und es sind viele „Stände“ mit Obst, Gemüse, Chicha und anderem Indio-Bedarf aufgebaut, während es nur zwei oder drei Stände für Touristen (Pullover, Schmuck, Gewobenes etc.) gibt. Nach einem kurzen Rundgang und einer wärmenden Pause in der Sonne auf dem Kirchplatz, wobei wir auf einer Inka-Mauer sitzen und das bunte Treiben des Marktes beobachten, essen wir einiges Undefinierbare zum Frühstück.

Ortseingang von Chinchero [Bild REM]

Alle angebotenen Waren sind verkaufsfördernd und gut sichtbar am Boden ausgebreitet [Bild REM]

Anlässlich des Palmsonntags führen die Campesinos Zweige mit sich [Bild REM]

Alle Märkte sind sehr farbenfroh [Bild REM]
Mit dem Indio-Zug von Cuzco nach Aguas Calientes
Montag, 16.04. Ungeweckt, aber trotzdem sicher, wachen wir um ½ 5 Uhr auf, packen unsere Sachen und geben den größten Teil davon beim Portier ab. Dieses in der Hoffnung (mehr bleibt uns nicht), dass er sie gut und sicher zwei Tage für uns verwahrt, denn wir wollen von Cuzco nach Machu Picchu fahren. Kurz nach 5 Uhr sind wir am bereits völlig überfüllten Bahnhof San Pedro. Wider alle Erwartungen kriegt Jürgen (ich bin für Schlangestehen und Drängeln nicht zuständig) die boletos recht schnell. Nach café und pan con queso auf dem bereits belebten Markt starten wir um 6 Uhr mit dem Indio-Zug (nicht für Touristen gedacht!) in Richtung Machu Picchu. Wegen der vielen Warnungen und unserer schlechten Erfahrung vom Vortag sitzen wir förmlich auf unseren Taschen (ich habe mir eine neue – aus einem Plastikzuckersack gefertigte – gekauft).
So erleben wir eine 3½-stündige herrliche Fahrt von Cuzco bis Machu Picchu. Zuerst geht es in Cuzco über fünf Wendestellen ziemlich steil nach oben. Dabei fährt der Zug auf einer ansteigenden Ebene in eine Sackgasse. Nachdem der gesamte Zug die Weiche passiert hat, wird diese umgestellt und der Zug fährt retour und kommt dabei auf das Gleis, das weiter nach oben führt. Durch diese Zick-Zack-Fahrerei kommen wir schnell und ohne Serpentinen mit dem völlig überfüllten Zug nach oben und damit aus Cuzco heraus.

Mit dem Zug von Cuzco nach Aguas Calientes [Bild REM]

In dem nicht für Touristen gedachten Zug geht es sehr lebhaft und volksnah zu! [Bild REM]

Ankunft in Aguas Calientes [Bild REM]
Wir treffen Wolfgang aus Puno in Aguas Calientes wieder
Das Dorf besteht eigentlich ausschließlich aus den Häusern (hauptsächlich Restaurants), die entlang der Bahnlinie stehen. Außerdem gibt es noch ein paar weitere in einem beginnenden Tal, wo es dann zu den warmen Bädern (daher der Ortsname) geht. Ansonsten gehen überall steil die grünen Berge nach oben und dazwischen fließt der Urubamba. Und hinter einem dieser Berge liegt auch der berühmte Machu Picchu! Außer der Jugendherberge für 4.000 Sole wird uns von einem Amerikaner ein Hotel für 2.500 Sole angeboten, das wir dann auch nehmen. Über einen schmalen Weg, vorbei an einem im Dreck wühlenden, kleinen Schwein geht es zu seiner sehr improvisierten Behausung, wo wir ein sauberes, feuchtes Zimmer bekommen. In dem gesamten Ort gibt es übrigens keine Autos – einfach, weil keine Straße hinführt – und die einzige Verbindung zur Außen-welt ist die Eisenbahn, die zweimal täglich von Cuzco kommt und zweimal täglich dorthin fährt.

Aguas Calientes am Rio Urubamba [Bild REM]

Unser Marsch führt lange über diese Gleisen [Bild REM]
Wie werden wir den berühmten Machu Picchu erleben?
Dienstag, 17.04. In der Nacht hat es bereits ewig geregnet und jetzt hängt der Nebel bis fast unten im Dorf: Wir sind begeistert vom Wetter! Aber anstatt besser zu werden, beginnt es wieder zu regnen, während wir ein gutes, teures, amerikanisches Frühstück zu uns nehmen. So verschieben wir unsere geplante Abmarschzeit etwas und kommen erst gegen 8:50 Uhr los. An der Bahnstation MACHU PICCHU ist dann natürlich schon der Bus weg und der nächste fährt erst um 10:30 Uhr, wenn der Touristenzug ankommt. So marschieren wir dann zu dritt – Wolfgang, Jürgen und ich – los. Zunächst die Serpentinenstrecke, die die Busse fahren und dann durchs nasse Gebüsch über eine „sehr rustikale“, treppenartige Konstruktion, über die man ziemlich gerade nach oben gelangt. Den Vorteil der kurzen Wegstrecke erkaufen wir uns jedoch mit der anstrengenden Steilheit. Zusätzlich beginnt es wieder zu regnen, und ich schwitze so, dass meine Brille ständig beschlagen ist. So können wir diesen Marsch fast als Ersatz für den Inca-Trail betrachten, der uns leider entgangen ist.

Unser Fußweg nach Machu Picchu hinauf, da kein Bus verfügbar ist [Bild REM]

Der Rio Urubamba fließt weit unter uns im Tal [Bild REM]

„Unser“ Blick auf die Ruinen von Machu Picchu [Bild REM]

Innerhalb der Ruinen gibt es immer wieder herrliche Szenen [Bild REM]
Rückweg über einen kleinen Teil des Inca-Trails
Bald müssen wir uns jedoch schon auf den Weg machen (nur Jürgen und ich), denn wir wollen nicht nur die nahe Inka-Brücke sehen, sondern auch einen Teil des Inka-Trails rückwärts begehen. Der Weg zur Inka-Brücke und diese selbst sind tolle Konstruktionen, die erahnen lassen, wie seinerzeit in diesem radlosen Reich alle Verbindungen ausgesehen haben müssen. Dann begeben wir uns auf den Inka-Trail. Bei ziemlicher Sonne und Wärme geht’s zunächst recht steil bergauf (Schweiß!), und man hat nochmals einen tollen Blick auf Machu Picchu! Über die Passstelle hinweg wird’s dann schattig und kühl, aber die Vegetation ist wirklich einmalig: Riesige Farne, Blätter, umgeknickte Bäume, feuchte Matsche – eben Dschungel. Hier hindurch führt der Inka-Pfad, der teilweise noch von den Inkas sauber gepflastert ist, teilweise durch Baumstämme abgestützt wird und teilweise so matschig und nass ist, dass der Dreck oben in meine Schuhe ‚reingeht. So gehen wir fast zwei Stunden am Berg entlang, jedoch ziemlich in konstanter Höhe.

Ein kleiner Teil des berühmt-berüchtigten Inca-Trails, den wir begehen [Bild REM]

Herrliche Blicke auf den Rio Urubamba gibt es immer wieder [Bild REM]
Zusammen gehen wir dann im Dunkeln zum Baden, obwohl wir ziemlich fertig sind. Aber das heiße Wasser tut uns sehr gut. Anschließend gehen wir essen und insbesondere Chilcano (dem Gemisch aus Pisco, und Zitronensprudel, das wir vor ein paar Tagen in Cuzco kenngelernt haben) trinken. Dabei findet um 22 Uhr ein ganz besonderes Ereignis statt, das das ganze Dorf auf die Straße treibt: Es kommt ein außerplanmäßiger Zug! Na, hier ist ja was los! Des Rätsels Lösung: Irgendwo hat es einen Erdrutsch gegeben, weswegen der Zug ein paar Stunden aufgehalten wurde. Anschließend können wir dann in Ruhe weiter trinken! Nachdem Wolfgang und Jürgen aufgegeben haben, diskutiere ich (soweit mein Spanisch das zulässt!) mit dem Ober und Wirt über die inkaische und spanische Kultur – sehr fruchtbringend. Als letzter Gast darf ich dann mit ihnen in hohem Bogen auf die Schienen pinkelnd (urperuanisch!) den Abend beenden!
Mittwoch, 18.04. Nach gutem Frühstück in einem Bahnhofsrestaurant kommt auf die Minute pünktlich unser Zug. Karten habe ich bereits gekauft und da bisher jeder für die-selbe Strecke einen anderen Preis bezahlt hat, gelingt es mir, den geforderten Preis noch etwas zu senken. Obwohl es für die Rückfahrt keine reservierten Plätze gibt, kriegen wir einen Sitzplatz und fahren ca. 2 Stunden zurück bis nach OLLANTAYTAMBO. An diesem sehr schönen Ort besehen wir einige Inkaruinen (natürlich mit boleto turistico!), aber am interessantesten ist das Wasserverteilungssystem (wahrscheinlich noch inkaisch!): Überall fließen offene, gemauerte Bäche mit sauberem Wasser. Durch Einlegen von Steinen wird das Wasser in Häuser geleitet, sofern hier ein Bedarf besteht. Ein großartiges System, das aber ein recht soziales Verhalten voraussetzt. Beeindruckend ist auch die alte, sehr heruntergekommene, aber mit Liebe und wohl ohne viel Geld erhaltene Kirche. Die Häuser sind hauptsächlich aus Inka-Mauern und stehen sehr eng zusammen, so ähnlich wie hier muss wohl früher eine Stadt der Inkas ausgesehen haben. Hier gefällt’s mir extrem gut, zumal auch keinerlei Touristen – außer uns – da sind.

Das uralte Wasserverteilungssystem in Ollantaytambo führt auch mitten durch den Ort [Bild REM]

Hier ist es sehr rustikal und fast touristenfrei [Bild REM]
Welchen Herausforderungen werden wir auf der 53-Stunden-Fahrt über den Altiplano begegnen?
Donnerstag, 19.04. Wir werden pünktlich um ½ 6 Uhr geweckt, packen unsere Rucksäcke besonders gut und gehen dann zum Ormeño-Büro, um die Fahrt nach Lima anzutreten. Diese 1160 km lange Fahrt per Bus, quer über den Altiplano soll angeblich 40 Stunden dauern, wir rechnen jedoch mit mehr. Trotz der frühen Zeit ist im Büro schon einiges los, und auch die Diebe scheinen nicht mehr zu schlafen! Innerhalb von einer knappen Stunde werden drei Taschen gestohlen! Aber wir passen gut genug auf unsere Sachen auf. Diesen Burschen wird ihre „Arbeit“ dadurch erleichtert, dass der Bus nicht zum Büro am Plaza de Armas kommen darf – dieses ist eine archäologische Zone und für Busse gesperrt – sondern woanders steht, wohin wir und das Gepäck erst per PKW gebracht werden müssen. Der ziemlich lädiert aussehende Bus steht dann auch genau in der Straße, wo es nach Chinchero losging und mein schönes Buch geklaut wurde! Der Taxifahrer warnt uns auch gleich, wir sollten hier ja aufpassen, es würde hier wahnsinnig viel gestohlen! Das ist ja sehr beruhigend! Während Jürgen noch fehlt (er kümmert sich um eine Holländerin, deren Tasche bereits weg ist), beobachte ich die Verstauung des Gepäckes auf dem Busdach. Dabei geht es ziemlich chaotisch zu – die Rucksäcke werden betrampelt und unmöglich hingelegt (in meinem ist auch der Fotoapparat, da ich keinen Film mehr habe) – aber schließlich werden sie mit Netzen und Planen gut gesichert. So wird’s hoffentlich halten. Schließlich kommt Jürgen auch und wir können unsere tollen Plätze – erste Reihe, gleich hinter dem Fahrer, mit Platz für die Beine – einnehmen. Mit einer Stunde Verspätung starten wir dann um 8 Uhr.

Eines der ersten Dörfer [Bild REM]

Wir passieren eine kleine Ortschaft auf dem Altiplano [Bild REM]
5000 m hoch, 6 Reifenpannen und wenig zu essen!
Wir fahren weiter über die Berge, kommen durch kleine Dörfer, die ausschließlich aus Lehmhäusern bestehen und sehr arm sind, sehen Kuh- und Schafherden usw. Dann geht’s ziemlich lange bergab, wird dabei immer wärmer und schließlich fahren wir über eine Brücke, lassen dort zum x-ten Male die Pässe kontrollieren (jetzt geht immer nur noch einer von uns mit beiden Ausweisen ‚raus!) und dann wird wieder ganz nach oben gegurkt! Schließlich kommen wir um 18 Uhr in ABANCAY an, der ersten stadtähnlichen Ansiedlung. Wir essen dort schnell und schlecht zu Abend und lernen langsam die anderen Mitfahrenden kennen: Ute und Maike aus Berlin, ein Paar aus Neuseeland, wobei sie dick, geizig und lustig ist und er lang und dünn, ein Schweizer Paar, das fürchterlich langsam spricht, ein Paar aus Israel, das sich unmöglicherweise immer über die Musik im Bus beschwert und noch einige andere. Dann lassen wir den inzwischen geflickten, ursprünglichen Reifen wieder montieren und die Fahrt geht im Dunkeln weiter. Aber nach ½ Stunde Fahrt haben wir den nächsten Platten (Nummer 2) und fahren wieder zurück nach Abancay, um es dort machen zu lassen. Aber die Hilfe in der Werkstatt ist – nachts und im Regen – minimal, so dass unsere Fahrer fast alles selbst machen müssen. Sicherheitshalber bauen sie auch gleich auf der anderen Seite (immer hinten) das Rad ab und flicken es (Nummer 3). So haben wir hier vier Stunden Aufenthalt, es gibt jedoch keine Kneipe und nichts, wohin man gehen könnte. Gleichzeitig wird das Schlafen von einer fürchterlichen Sabbeltante verhindert, die ihre Klappe nicht zukriegt – widerlich!
Freitag, 20.04. Schließlich starten wir nachts um ½ 1 Uhr erneut und fahren tatsächlich die ganze Nacht durch. Die zwei Fahrer sind ziemlich unterschiedlich, während der jüngere (von uns „Claro“ genannt, weil er das ständig sagt) mit ziemlich viel körperlichem Einsatz bei den Reifenwechseln etc. dabei ist, jedoch nicht so viel fährt, ist der andere „El Jefe“ mehr mit dem Mund dabei, fährt aber sehr gut und sicher. Letzterer fährt auch jetzt, allerdings unter Protest einiger Fahrgäste („despacio„), weil er – während die anderen die Reifen gewechselt haben – wohl ein bisschen zu viel getrunken hat. Trotzdem fährt er auf der schmalen, schlechten Straße sehr sicher und gut, denn er scheint sie wie seine Westentasche zu kennen. Sicherheitshalber beobachte ich es die erste Stunde noch. Aber dann kann ich mich partout nicht mehr wachhalten und schlafe ein, während er fährt und fährt – das ist wirklich bewundernswert.

Wenige Ortschaften mit sehr wenigen Einwohnern [Bild REM]

Die wenigen Behausungen, die wir sehen, sind extrem einfach [Bild REM]
Sonnabend, 21.04. Schließlich kommen wir um 3 Uhr in NAZCA, in der Ebene der Küste an und was wird dort gemacht? Richtig, der Reifen geflickt (Nummer 6). Dann suchen wir ein Lokal, wo wir zu dieser nachtschlafenden Zeit wenigstens noch eine Hühnersuppe kriegen können. Die angekündigten 40 Stunden sind schon lange überschritten, und wir haben noch ca. 400 km bis Lima vor uns, allerdings in der Ebene und auf guter Straße (Panamericana). Auf der uns bekannten Strecke fahren wir dann mit – relativ flottem Tempo weiter und kommen um 13:00 Uhr in LIMA an. So haben wir für die 1160 km Anden 53 Stunden gebraucht, das sind 22 km/h im Durchschnitt, bzw. abzüglich der 12 Stunden Reparatur und Fresszeit 29 km/h!
In Lima lassen wir uns per Taxi zum Plaza de Armas fahren, der zu weit weg ist, um zu Fuss zu gehen. Von unserem VW-Käfer-Taxi aus können wir schon herrlich das Verkehrsgewühl dieser 5-Mio-Metropole beobachten: kreuz und quer fahrende Autos, springende Fußgänger, Gehupe, und was immer dazugehören mag. Vom Plaza de Armas aus gehen wir fünf Minuten per pedes zu einem Hotel, das Söhnke uns empfohlen hatte (Av. Emancipación 182, 8. Stock, Hostal Samaniego, 5000 Soles à Person). Dabei kommen wir durch die mit marmorähnlichen Steinen gepflasterte Fußgängerzone, die nicht nur von vielen Geschäften gesäumt und Kunden begangen wird, sondern von fast ebenso vielen Wächtern in Uniform bewacht wird. An jeder Ecke stehen mindestens drei von ihnen. Unser erster Gang hat das Avianca-Büro zum Ziel, um Jürgens Rückflug rückbestätigen zu lassen. Es ist jedoch erwartungsgemäß am Ostersonntagnachmittag geschlossen.

Ein pompöser Wachwechsel am Präsidentenpalast von Lima [Bild REM]
Per Zug von Lima auf Meereshöhe nach La Oroya auf 4.781 müM
Sonntag, 22.04. Ohne irgendwelches Anstehen oder andere Mätzchen kriegen wir gleich unsere Boletos für den 1.-Klasse-Waggon des Zuges nach La Oroya. So haben wir noch über 1½ Stunden Zeit bis zur Abfahrt des Zuges. Aber natürlich gibt’s zunächst wieder nirgends Frühstück. So trinken wir an einem Wagen „mate„, heißes Kräuterwasser mit verschiedenen Sirup-Arten. Aber später finden wir doch noch ein kleines Lokal und können gestärkt starten. Das Tolle an dieser „höchsten Normalspureisenbahn der Welt“ ist die Tatsache, dass sie auf einer Strecke von nur 173 km eine Höhendifferenz von 4.700 m zu bewältigen in der Lage ist. Im gepolsterten Buffet-Wagen (noch besser als 1. Klasse) geht’s um 7:40 Uhr los und wir verlassen Lima entlang des Rio Rimac.

Dieser Zug wird uns in knapp 6 Stunden bis auf 4781 m Meereshöhe bringen! [Bild REM]
Hier die genaue Aufstellung der Bahnhöfe, Höhen usw.:
Uhrzeit | Bahnhof | Höhe | Anz. der Tunnels | Wendestellen |
07:40 | Lima | 150 m | – | – |
08:00 | St. Clara | 173 m | – | – |
08:38 | Chosica | 859 m | – | – |
09:19 | Bartolomae | 1.513 m | 2 | – |
10:22 | Matucana | 2.389 m | 9 | 1 |
10:53 | Tamboraqui | 3.008 m | 15 | 2 |
11:10 | San Mateo | 3.215 m | 5 | 2 |
11:31 | Rio Blanco | 3.503 m | 9 | 2 |
11:42 | Chicla | 3.733 m | 6 | 2 |
12:10 | Casapalca | 4.154 m | 6 | 2 |
12:56 | Ticlio | 4.758 m | 7 | 4 |
13:03 | La Galera | 4.781 m | 1 | – |
Weiter unten, vielleicht auf 2000 m Höhe kommen wir an der Stelle vorbei, wo die reparierte Eisenbahnbrücke über den Fluss geht, jedoch die Straßenbrücke noch fehlt. So müssen die Autos – was wir gut beobachten können – durch das Wasser fahren. Während einige mit Schwung gut durchkommen, haben andere Schwierigkeiten und einer sitzt sogar ganz fest, und die Leute klettern schon auf’s Dach. Aber diese Stelle werden wir später noch viel genauer kennenlernen!
Die bereits 1870 erbaute Eisenbahnlinie ist wirklich eine technische Wunderleistung. Es geht durch lange Tunnels, danach gleich auf eine Brücke, über einen tiefen Abgrund, anschließend folgt eine Wendestelle und es geht schiebend weiter. Wirklich eine einmalige Fahrt! Der Hauptgrund für den Bau war und ist die Tatsache, dass es hier oben viele Minen gibt, in denen Gold, Silber, Kupfer, Mineralien und andere Bodenschätze abgebaut werden. Teilweise werden sie hier oben gleich verarbeitet und z.T. werden auch nur die Erze per Bahn nach unten gefahren. Auf jeden Fall sehen wir viele beladene Waggons mit Metallblöcken. Auch kommen wir an den Siedlungen vorbei, in den die Mineros hausen: Nummerierte, bunte Mietswohnungen, die hier aus dem Boden gestampft sind. Sicherlich keine tollen Behausungen, aber doch besser als die ansonsten üblichen Lehmhütten.
Sechs Stunden Staubewältigung auf peruanisch!
Um 14 Uhr kommen wir in der Minero-Stadt LA OROYA an, die aber abgesehen von ihrer Höhe von ca. 4.500 müM keinerlei Reize bietet. So suchen wir uns gleich einen Mini-Bus, der uns schnell die 180 km nach Lima zurückbringen soll, der dafür aber auch 15.000 Soles je Person (Eisenbahn 7.500 Soles) verlangt. Zuerst müssen wir zweimal anhalten, um einen schlappen Reifen aufzupumpen. Dann muss er doch geflickt werden, was natürlich entsprechend Zeit kostet, aber ja nicht weiter schlimm ist. Dramatisch wird es erst etwas weiter, als wir uns der Stelle nähern, wo die Straßenbrücke über den Fluss fehlt. Der Gerhard in Aguas Calientes hatte uns schon von chaotischen Zuständen erzählte, aber dass es so schlimm würde, hätten wir nicht gedacht! Um 18.30 kommen wir ans Stauende und können die nächsten sechs (!!!) Stunden beobachten, wie eine Staubewältigung auf peruanisch aussieht: Ständiges Überholen, Abdrängen, Einscheren, zu viert auf zwei-spuriger Straße fahren, Hupen, Grünstreifen benutzen, keinen ‚reinlassen etc. etc. Es ist wirklich sagenhaft, wie hier um jeden Meter gekämpft wird. Die Dummen sind dabei die LKW’s und Busse, die sich als Revanche querstellen, um keinen durchzulassen. Natürlich auch nicht den Gegenverkehr, der somit gleichzeitig die Fahrt versperrt und alles noch schlimmer macht. Dazwischen laufen Zigaretten-, Chiclets– und Sprudelverkäufer herum, die das Geschäft ihres Lebens machen. Unser Fahrer ist ein Supertrottel, und die anderen Mitfahrenden leiten ihn, indem sie vorauslaufen, winken und schreien („Dale, dale, dale dale„). So kommen wir ganz langsam Stück für Stück vorwärts und können sehr gut die lange Schlange beobachten, die sich auf den Serpentinen zum Fluss ‚runterwälzt. Schließ-lich kommen wir um nachts um 0.30 Uhr direkt am Fluss an. Da heute relativ niedriges Wasser ist, können wir mit dem japanischen Kleinbus allein durchfahren. Kleinere Autos jedoch werden von den LKWs geschleppt. Dafür stehen Jungs bereit, die Abschleppseile vermieten und den Transport durch die LKWs vermitteln, womit sie sich ebenso wie die LKW-Fahrer, die sich um nichts zu kümmern brauchen, ein Zubrot verdienen. Das Ganze natürlich unter einem Schild, auf dem steht, dass für das Rüberschleppen kein Geld verlangt werden darf. Übrigens ist bei der ganzen Aktion kein einziger der sonst so zahlreichen Polizisten zu sehen. Die schlafen jetzt, heißt es. Die Überfahrt selbst geht schnell und unproblematisch, und so kommen wir um 2:30 Uhr morgens glücklich im nächtlichen Lima an.
Dienstag, 24.04. An Jürgens letztem Tag fahren wir morgens gleich per Stadtbus nach Ancón heraus, das laut Touristenbüro ein Badeort am Pazifik sind soll. Dass die Badesaison jetzt zu Ende ist (Hauptzeit: Januar bis März), ist uns schon klar, aber der Ort ist wie in Südfrankreich (La Grande Motte) aus dem Boden gestampft. Nur Hochhäuser, gepflasterte Wege, keine Gemütlichkeit – widerlich. Dafür komme ich hierher?!? Etwas weiter zurück liegen dann aber schöne alte Holzvillen, so muss der ganze Ort früher einmal als mondäne Sommerfrische für reiche Limeñer ausgesehen haben. In einer einfachen, preiswerten Kneipe essen wir Fisch zu Mittag und schwatzen der Wirtin zwei Inka-Cola-Poster mit dem Machu Picchu als Motiv ab. Aber ans Baden ist in dem Dreckwasser des Pazifiks hier gar nicht zu denken. Dafür müsste man schon weiter weg von Lima fahren, aber dann hapert’s an öffentlichen Verkehrsmitteln. So geht’s halt ungebadet wieder retour.
Obwohl es im Velbinger-Reiseführer heißt, das Klima von Lima sei gar nicht prima, ist es doch immer schön warm, aber nicht feucht, nebelig oder zu heiß. Wir suchen auf einem der vielen Märkte nochmals erfolglos nach einem Canabis-T-Shirt (mit Adidas-Emblem), aber kaufen vier leere Kassetten, um diejenigen überspielen zu können, die wir in Guayaquil bzw. Cuzco erstanden haben [CDs geschweige denn gestreamte Musik gibt es 1984 natürlich noch nicht.]. Anschließend macht Jürgen große Packaktion, denn die vielen Klamotten wollen alle untergebracht sein.
150% Inflation und 101% p.a. Zinsen in Peru
Mittwoch, 25.04. Den Vormittag verbringen wir mit gutem Frühstück und einem Spaziergang, um Jürgen dann mit einem amerikanischen Uralt-Taxi zum Flughafen zu expedieren. Damit der arme Junge auch nicht bestohlen wird und seinen Riesensack gut zum Flughafen bringt, begleite ich ihn dorthin. Dann verabschieden wir uns, und ich will per Bus zurück in die Stadt fahren. Da ich aber gut sitze und am Plaza 2 de Mayo nicht ‚rauskomme, mache ich mal wieder eine Riesentour durch die Stadt und sehe mir diverse Gegenden vom Bus aus an.
Wieder im Zentrum mache ich dann in Ruhe einige Einkäufe. Übrigens ändert sich hier der Wechselkurs nicht nur täglich, sondern sogar stündlich! Bedingt durch die Inflationsrate von fast 150% hat sich der Wechselkurs von 2600 Soles je US$ inzwischen bis auf 3060 Soles erhöht! Dafür werden bei den Banken bis zu 101 % Zinsen p.a. geboten!!
Am Abend gehe ich dann billig und gut essen: Für 2000 Soles ein ganzes Menü, bestehend aus einem gemischten Salat, Suppe, Reis mit Fleisch und Brot! Anschließend schreibe ich ewig an meinem Tagebuch, mit dem ich ziemlich im Rückstand bin, und wobei ich jetzt nicht mehr gestört werde. Nach zwei Stunden habe ich aber die Nase voll und will mein Bier noch austrinken und dann gehen. Währenddessen saßen drei Herren am Nebentisch und waren die ganze Zeit fürchterlich am Zechen. Da spricht mich einer von ihnen an, und ich erzähle meinen Vers (was ich mache, wieso ich hier bin etc. etc.). Schließlich bitten sie mich zu sich rüber und das Ende vom Lied ist, dass wir im „Münchner Keller“ bei Fassbier (gibt’s hier ansonsten nie) und Klavierspieler landen, wo es allerhand zu trinken gibt. Aber anstatt mich dann auszurauben – wie es überall steht – zahlen sie dann die ganze Zeche.
Donnerstag, 26.04. Heute ist mein letzter Tag – das gibt’s doch gar nicht, sind etwa schon fast drei Monate ‚rum? Jedenfalls schlafe ich morgens etwas länger (warum wohl?) und fahre dann nach einem preiswerten Frühstück – jetzt braucht’s ja nicht mehr so opulent zu sein, wie zu Jürgens Zeiten – per Bus nach Barranco hinaus. Ich komme dabei durch den vornehmen Stadtteil Miraflores, wo Supervillen mit Wächtern, Chauffeuren etc. stehen, und es Geschäfte im europäischen Stil gibt. Das nächste Viertel ist dann Barranco, laut Reiseführer die Gegend der Künstler. Nun, Künstler sehe ich zwar keine, aber es gibt schöne Häuser, nicht so protzig wie in Miraflores, und vor allem liegt Barranco direkt am Pazifik, von dessen Strand es nur durch eine 100 m hohe Steilküste getrennt wird – ein toller Blick.
Leider ist das Meer doch ziemlich dreckig, und ich habe auch kein Badezeug dabei. So mache ich eine dreistündige Wanderung (tut mir heute ganz gut) von Barranco bis hinter Miraflores. Zuerst gehe ich oben an der Steilküste entlang durch schöne neue und alte Gebiete Barrancos, und als es dann endlich einen (abenteuerlichen) Weg nach unten gibt, gehe ich am Küstenstrand weiter, wo aber leider auch eine Straße existiert. Besonders schön ist „La Oasa Nautica„, ein Hotel-Restaurant, das vor zwei Jahren im Jugendstil erbaut wurde und auf Stelzen im Wasser steht. Wirklich ein toller Schuppen!
Nachdem ich genug gewandert bin und auch meine Fitness wieder die Alte ist, fahre ich per Bus wieder in die Stadt. Am Plaza San Martín genieße ich dann in der Sonne das Treiben. Neben Schuhputzern, Bonbonverkäufern, Saftverkäufern, Zigarettenverkäufern, Wiegern etc. etc. treten hier auch „Künstler“ auf, die ihr Können in einem großen Kreis Interessierter vorführen: Clowns, Akrobaten, Witzeerzähler, Kabarettisten usw. Plötzlich kommt eine junge Frau auf mich zu, die mich noch von Trujillo kennt, ohne dass ich mich aber an sie erinnern kann. So unterhalten wir uns eine ganze Zeit, – aber dann muss sie leider weiter. Nach langem Überlegen kaufe ich mir dann für 50.000 Soles einen wunderbaren Bildband über Peru, der leider schlecht gebunden ist, aber einmalige Fotos enthält. Meine Abendvergnügung besteht zunächst wieder aus Tagebuchschreiben und Essen.
Mein Geld ist jetzt genau abgezählt, so dass es noch für’s Frühstück, Schuheputzen und Taxi zum Flughafen reicht. Da lerne ich noch zwei Mädchen kennen, mit denen ich zwei Stunden verbringe und wobei sie mir natürlich mein letztes Geld für Salchipapas und Chicha aus der Tasche locken. So bringen mich die Frauen glatt ans Hungertuch!
Freitag, 27.04. Der letzte Tag – oh Mann, oh Mann! Mangels Geldes (ich will nichts mehr wechseln) gibt es zum Frühstück nur Saft und zwei Empanadas. Dann mache ich noch einen Spaziergang durch die gerade im Aufbau befindlichen Märkte und lasse mir noch einmal die Schuhe putzen, um damit wenigstens in Deutschland glänzen zu können. Mit sieben Mann fahre ich dann per amerikanischem Uralt-Taxi zum Flughafen hinaus, nachdem ich mit viel Mühe den Rucksack gepackt habe – hoffentlich kommt auch alles an.
Glücklicherweise wiegt mein Rucksack knapp unter 20 kg und das Handgepäck wird nicht gewogen. Dann geht alles recht schnell, ich kriege meinen Ausreisestempel, besuche den Duty-Free-Shop, wo ich natürlich nichts kaufe und nach ½-stündigem Warten geht’s in die DG 10 der Viasa und ziemlich pünktlich um 12:45 Uhr starten wir. Jetzt habe ich 19 Stunden Flug- und Umsteigezeit vor mir. Bei Cordon bleu fliegen wir über die Anden und haben zeitweilig – es ist oft bedeckt – einen herrlichen Blick auf schneebedeckte oder grüne Berge, so wie ich es in den letzten Monaten alles kennengelernt habe. Nach knapp vier Stunden kommen wir in CARACAS an, wo wir uns über drei Stunden aufhalten müssen, bis der Anschlussflug weitergeht. Dummerweise ist die Telefon-Nummer von Luis Miguel im Rucksack, sonst hätte ich ihn ja gut anrufen können. So spaziere ich im Flughafengebäude herum, besehe die Ausstellung zum 200. Geburtstag von Bolívar (1983), und als ich auf die Terrasse trete, wo mir eine fürchterliche, feuchte Hitze entgegenschlägt, erinnere ich mich gut an die ersten, heißen Tage in Caracas – das ist jetzt schon fast drei Monate her!
Gegen 21 Uhr venezolanischer Zeit fliegen wir weiter, und ich habe wieder den gleichen guten Fensterplatz wie im ersten Flugzeug. Für ein Bier zum Essen soll ich „Ochenta Centavo de Marco“ bezahlen, das soll 80 Pfennig heißen. Da sie meinen 20-DM-Schein nicht wechseln können, spendiert es mir mein Nachbar. Jedoch kommt es ein zweites Mal nicht zu der Problematik, da das Bier schon alle ist – offensichtlich sind zu viele Deutsche an Bord. Es gibt übrigens das gute Polar-Bier aus Venezuela. Auf einen Kopfhörer für den Film verzichte ich, da es 6 US-$ (18.000 Soles!!) kosten soll. Stattdessen schlafe ich kurz und gut.
Samstag, 28.04. Nach venezolanischer Zeit um 3 Uhr morgens geht die Sonne auf, was über dem wolkenlosen Atlantik ein herrliches Schauspiel ist. Um ½ 4 Uhr gibt’s dann Frühstück und bald ist europäisches Festland (Portugal) in Sicht. Nach einstündigem Stop in Lissabon fliegen wir über das wolkenverhangene Spanien weiter und kommen schließlich über das sonnige, wolkenlose Frankreich. Einen tollen Blick haben wir auf Paris, wo man die Seine, den Eiffelturm, Place de l’Étoile, Champs Elysées etc. alles hervorragend sehen kann. Schade, dass ich keinen Film mehr habe. Schon eine ¾ Stunde später – für mich früher Morgen, hier 14:00 Uhr – setzen wir zum Landeanflug auf Frankfurt an.
Nachdem ich ewig laufen muss, um an die Förderbänder für das Gepäck zu kommen, wo mein Rucksack auch gut behalten anlangt, geht’s zum Zoll. Glücklicherweise werde ich gleich anstandslos durchgewunken und dann sehr nett von meinen Eltern und Schwestern in Empfang genommen und nach Hause gebracht.
– E N D E –
PS: Drei Tage später beginne ich mein Berufsleben bei einem Anlagenbauer in Süddeutschland, das mir glücklicherweise in den nächsten Jahrzehnten noch sehr viele Möglichkeiten zu Reisen in den Amerikas und auf anderen Kontinenten bieten wird!
Alle Südamerika-Reiseberichte 1984 von Olaf Remmers
Reiseberichte über Peru hier im ReiseMagazin

Peru: maximale Entschleunigung auf der Insel Taquile im Titicacasee

Südamerika 1986: Backpacking in Peru [Vintage]

Peru/Bolivien: Wie wir erstaunlich gut den Altiplano meisterten [Vintage]

Anno 1984: Warum Peru für Rucksackreisende mehr als Kultur bietet [Vintage]

Atemlos in Peru: Mit dem Rucksack in die Anden

Peru 1984: Vom Titicacasee nach Machu Picchu

Meine Peru Rundreise. Wanderreise über den Regenbogenberg als Alternative zum Inka-Trail

Peru 1984: Von Lima bis zum Titicacasee. Eine Rucksackreise

Peru: Machu Picchu – der geheimnisvolle Berg?
Vintage
Was ist Vintage?"In der Mode versteht man unter Vintage ein Kleidungsstück aus einer älteren Kollektion eines Designers".So sagt es Wikipedia in seiner Erklärung ( https://goo.gl/7Nmyhz ). Ich habe den Begriff Vintage als Kategorienamen gewählt, um alle Reiseberichte zusammenzufassen, die schon etwas älter sind. "Oldies but Goodies" ist ein anderer Ausdruck, den man hier verwenden könnte. Auf jeden Fall stehen hier nicht die allerschönsten Bilder aus modernen Digitalkameras im Hintergrund, sondern eher besondere Erlebnisse. Und die Fotos sind eingescannt vom Dia oder sogar Papierbild. In diesem Zusammenhang könnte man sogar den Begriff "Shabby Chic" verwenden, den Wikipedia auch in seinem Artikel aufführt. Authentische Bilder aus der Vergangenheit haben ihren eigenen Reiz. Ist es doch so, dass die Generation Smartphone ihre qualitativ hochwertigen Handy-Fotos mit einem Filter auf Instagram hochlädt, der diesen Fotos ein oft vergammeltes Image mitgibt. Bei den Fotos der Vintage-Reihe braucht es das nicht. Die Fotos SIND schon alt und "wurmstichig" - wenn auch aus Gründen der Ästhetik die vielen kleinen Punkte und Fussel, die beim Einscannen noch zu sehen sind, mühsam in der Bildbearbeitung entfernt werden.
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