Es war einmal in Ecuador: Südamerika mit dem Rucksack [Vintage]

Translation with Google
white and brown concrete building near green mountain under blue sky during daytime

Tagebuch Südamerika: Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Peru, Bolivien

7. Februar bis 27. April 1984

Anmerkung: Der Text meines Tagebuches von 1984 wurde nahezu unverändert übernommen. Die Rechtschreibung wurde angepasst und auf die Umrechnung in DM (Deutsche Mark, die Älteren werden sich erinnern) verzichtet. Damals gültige lokale Währungen wurden belassen. Ecuador war auf sehr niedrigem Level fast sozialistisch aufgestellt und für damalige Verhältnisse sehr indigenenfreundlich. Durch diese Umstände und die sympathische Bevölkerung sowie die eindrucksvolle Gebirgslandschaft entwickelte Ecuador sich sehr bald zu meinem „Lieblingsland“ dieser Reise.

Informationen aus dem Internet gab es natürlich auch noch nicht, geschweige denn Verbindungen zu Freunden oder zur Familie über WhatsApp oder dergleichen. Die beste Verbindung waren postlagernde Briefe (wer kennt das noch?) oder in Notfällen extrem teure Telefonate. D.h. ich war drei Monate auf mich gestellt!

Reisebericht Venezuela und Kolumbien – oder: „was bisher geschah“

Teil 3: Es war einmal in Ecuador

 

Nach dem Besuch der berühmten Pilgerkirche, die der „Virgen de las Lajas“ geweiht ist, verbringe ich einen nicht weiter aufregenden, aber sehr kalten Abend in IPIALES in Südkolumbien. Im Bett wärmen mich hier auf fast 3000 müM fünf (!) dicke Woll­decken. Am nächsten Morgen wechsle ich in mein drittes Reiseland auf dieser Reise:

 

 

Ecuador

Flagge von Ecuador

 

Ankunft in Quito

Donnerstag, 08.03.  Zunächst versuchen mich die Taxifahrer zu beschuppen und fordern für die 2 km bis zur Grenze 150 $ von mir. Aber warum soll ich allein und teuer mit einem Taxi fahren? Anständigerweise verraten sie mir dann wenigstens, wo die Sammeltaxis abfahren, so daß ich denn für 25 $ fahre. Direkt an der Grenze bekomme ich meinen kolumbianischen Aus­reisestempel und gehe dann zu Fuß über die internationale Brücke (wieder ohne Schranke, wie in Cucutá) nach Ecuador. Hier ist gleich ein größeres Zoll- und Polizeigebäude, wo ich nach einigem Fragen den richtigen Beamten finde. Zu­ge­ge­benermaßen bin ich ja doch etwas nervös, denn laut SAH sind die ecuado­rianischen Zöllner recht unfreundlich, geben nur kurze Aufenthaltsfristen und wollen Geld und Aus­reiseticket (habe ich nicht) sehen. Aber nichts dergleichen: Er fragt mich, wieviel Tage ich will und interessiert sich weder für meine Finanzen noch Tickets. Gleich wechsle ich meine restlichen kolumbianischen Pesos in ecuadorianische Sucre um und noch 20 US-$ dazu. Denn den besseren Kurs soll es in Quito geben. (1 U$ = 88 Sucre)

Für 20 Sucres fahre ich dann 5 km per Sammeltaxi nach TULCÁN. Alle steigen im Zentrum aus, aber ich will ja ans Bus-Terminal, wo er dann (wie befürchtet) gleich 60 Sucres verlangt. Da ich nur einen 50er habe und wohl kaum auf Wechselgeld hoffen kann, muss ich ihm den wenigstens lassen. Sofort kriege ich einen Bus nach Quito, der nur 160 Sucres für 4 Stunden Fahrt (ca. 200 km) kostet. Ein Sucre ist ca. 20% mehr als ein Peso. Hier gibt es nur kleinere Busse (20 Sitze) und das Gepäck wird auf dem Dach verladen. Das war ja in Marokko auch so, aber es wurde dort mit Netzen überspannt und hier nur mit Stricken. Ich frage drei­mal, ob es auch sicher ist, so dass er wohl merkt, dass es mir wichtig ist. Jetzt darf es nur nicht regnen…

Auf fürchterlich engen Sitzen – wohl eher für die kleinen Indios, als für breitschultrige Europäer konstruiert – geht es dann ohne landschaftliche oder sonstige Höhepunkte zu erleben, nach QUITO. Doch, einen Höhepunkt gibt es: Heute um genau 12:33:48 Uhr überschreite bzw. überfahre ich das erste Mal in meinem Leben den Äquator, der an der Straße durch eine Beton-Erdkugel gekennzeichnet ist. Außerdem fängt es doch an zu regnen, schadet meinen Sachen aber nichts.

Im Grunde sind hier nicht viele Unterschiede zu Kolumbien. Allerdings scheint alles etwas ärmlicher zu sein (wie südlich von Popayán auch), denn es gibt viele Lehmhütten u.a. Auch ist der Anteil der Indios (40 % der Bevölkerung) hier weitaus höher als in Kolumbien, Quito als Hauptstadt ist nicht sonderlich groß (800.000 EW), aber hoch (2.880 müM) und kalt (13°C). Im Zentrum Quitos verlasse ich dann den Bus und frage nach einer Gegend mit Hotels. Daraufhin werde ich in Richtung der Kirche San Francisco geschickt. Zwar ist hier viel Trouble, Leben, Straßenhändler, Geschäfte und alles herrliche, alte Bauten im Kolonialstil, aber kein Hotel oder residencia. Ich irre etwas planlos umher, denn hier sind die Adressen aus dem SAH nicht so leicht zu finden, da die Straßen Namen und keine Nummern haben. Da spricht mich ein Junge in einigermaßen gutem Englisch an, was ich suchte. Er bringt mich dann zu einem Hotel, das nur 100 Sucres kostet (weniger als die Hälfte der bisherigen Preise). Allerdings ist das Hotel etwas chaotisch, denn zu keiner Zimmertür passen die Schlüssel. Schließlich kriege ich aber ein Zimmer, an dem sich eine Vorrichtung für mein eigenes Vorhängeschloss befindet, was mir natürlich am liebsten ist. Der Junge will mir dann noch einen Wollschal verkaufen, dafür tausche ich aber mein neues Pakistan-Hemd, das ohnehin zu eng ist, und er ist ganz zufrieden. Er will mir noch etwas von Quito zeigen, aber es fängt fürchterlich an zu regnen, so dass gar nicht daran zu denken ist, nach draußen zu gehen. Er erzählt dann, dass er Englisch und „Computer“ studiert, und muss bald gehen, da er seine Vorlesung nicht verpassen will.

Plaza Sto. Domingo im Zentrum Quitos

Viel kann ich dann nicht mehr machen, da es höchstens zwi­schen den Schauern einmal trocken ist. Mein Hotel ist ja sehr billig, aber dafür auch recht unmöglich, so dass ich das erste Mal auch meinen Schlafsack benutze. Trotzdem schlafe ich schlecht und bin froh, als die Nacht zu Ende ist.

 

Der berühmte Indiomarkt in Otavalo

Freitag, 09.03. Den Vormittag verbringe ich mal wieder mit den obligatorischen Besorgungen: Post, Geldwechsel etc. Zuvor kriege ich aber erstmalig ein gutes Frühstück: Ananas-Saft, Spiegeleier, Brot, Marmelade, Butter und Kaffee für den gleichen Preis wie in Kolumbien einen Stehkaffee und ein trockenes Brötchen. Hier ist es also tatsächlich endlich billiger – tut meinen Finanzen sehr gut. Dann durchstreife ich eine ganze Zeit bei schlechtem, aber trockenem. Wetter die sehr schöne Altstadt Quitos. Hier sind wirklich alle Häuser noch im alten spanischen Stil gebaut und auch recht gut erhalten: weiß-blau gestrichen, Balkons, ordentliche Fenster etc.

Von den 86 Kirchen Quitos stehen die größten und schönsten in der Altstadt und nehmen zusammen mit den zugehörigen Klöstern großen Raum ein. Allerdings komme ich noch nicht zu Besichti­gungen. Der Verkehr ist erheblich, aber nicht so schlimm wie in Bogotá oder Caracas. Dafür ist die Zahl der fliegenden Händler, die alle Bürgersteige besetzt halten, noch erheblich größer, bunter und umfangreicher. Dieses ist natürlich nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß hier sehr viele Indios leben und diesen – aus Mangel an Bildung – oft nur die „Karriere“ eines solchen Händlers offensteht.

Gegen 12:00 nehme ich dann einen der zahlreichen Busse vom Plaza Santo Domingo, wo auch mein Hotel liegt, und fahre über eine Stunde quer durch die Stadt bis zum Flughafen, wo mein Freund Jürgen aus Deutschland um 13:45 Uhr ankommen soll. Der Flughafen ist sehr klein, hat nur eine Halle und zwei Ausgänge. Der Flug, mit dem er ankommen soll, steht auf der Ankunfts­tafel und es ist noch etwas Zeit. So setze ich mich hin und lese etwas im SAH (das ich immer dabeihabe). Nach einer Viertelstunde ruft es plötzlich quer durch die Halle: „Olaf“, und siehe da, Jürgen ist schon seit fast einer Stunde da und wartet auf mich. Das ist ja klasse – besser als wenn ich eine Stunde warten muss. Hat ja unsere Planung doch sehr gut geklappt.

So fahren wir per Bus zurück in die Stadt. Während­dessen fängt es in Strömen an zu gießen und Jürgen ist gleich über das äquatornahe Klima richtig aufgeklärt! Aus dem Hotel hole ich dann meinen Ruck­sack, um gemeinsam nach Otavalo zu fahren. Jürgen ist nämlich mit meinem Vorschlag einverstanden, gleich dorthin zu fahren, denn am nächsten Morgen (Sonnabend) soll dort ab 6°° ein großer Indio-Markt stattfinden, den wir nicht verpassen wollen. Per pedes und mit Rucksack gehen wir dann quer durch Quitos Altstadt zu der Straße, an der ich am Tag zuvor angekommen war, denn Otavalo liegt in Richtung Tulcán.

Bus nach Otavalo

Jürgen kann kaum glauben, dass wir so ungeplant einen Bus finden, aber es klappt natürlich sehr gut und kaum sitzen wir, schon geht es los. Obwohl er immer noch nicht glaubt, dass wir in die richtige Richtung fahren, geht es in wirklich strömendem Regen wieder ganz durch Quito und dann dieselbe Strecke wie am Vortag zurück. Nach vier Stunden haben wir die 120 km bis OTAVALO geschafft und finden in dem recht kleinen Ort nach einiger Sucherei eine Unterkunft. Diese kostet zwar nur 80 Sucres, ist aber auch wirklich nicht so toll. Denn bei dem Regen und der Feuchtigkeit stellt sich schnell der Nachteil des hiesigen Baustils heraus, da die zum Innenhof gehenden Zimmertüren gleichzeitig zum Regen führen. So ist alles sehr feucht und klamm. Außerdem liege ich das erste Mal in meinem Leben in einem Bett, das für mich zu kurz ist!! Aber diagonal geht’s!

Samstag, 10.03. Obwohl bereits seit 4:00 Uhr ununterbrochen die Hähne krähen, schlafen wir noch bis 6°° weiter und begeben uns dann zunächst auf den Textilmarkt. Dieser fast aus­schließlich von Indios beschickte Markt ist viel größer und auch professio­neller als in Silvia/Kolumbien aufgebaut. Eine 25 x 25 m große, ge­pflasterte Fläche ist mit Betondächern versehen, zwischen welchen diverse Stände aufgebaut sind. D.h. es sind Leinen gespannt, an denen die selbst geknüpften Wollteppiche, die Schals, Mützen, Handschuhe etc. aufgehängt sind. Außerdem gibt es auch viel Schmuck, Textilien und Schuhe, die in großem Maße auch von den Indios selbst gekauft werden. Viel zurück­haltender, aber dennoch ans Arabische erinnernd, wird man von den ansonsten sehr schüchternen Indios angesprochen, für was man sich interessiere. Wir schauen uns mehrere Teppiche an und schließlich kaufe ich bei einer ganz sympathischen Indiofrau mit Kind auf dem Rücken einen kleinen Wandteppich. Dabei tut es mir schon fast leid, sie von 480 Sucres auf 400 herunterzuhandeln. So komme ich in den Besitz dieses Stückes, das ich die nächsten 6 Wochen schleppen werde.

Bei dieser Verkäuferin erstehe ich einen Teppich

Rund um diesen Platz und auch in vielen anderen Straßen Otavalos sind weitere Stände aufgebaut, wo man alles von der Banane über den BH bis zum Wunderpotenzmittel vom Schlan­genbändiger erstehen kann. Wir schlendern durch die über­füllten Straßen und genießen das Drumherum, den Handel, den Krach, die Farben und alles Gebotene. Dann gelangen wir an einen weiteren großen Platz, wo in massiver Form Obst ange­boten wird. Ein wirklich tolles Bild, wie die Indio-Muttis mit Kind auf dem Rücken und steifem Hut auf dem Kopf inmitten ihrer Bananen oder Ananas sitzt, um diese zu verkaufen. Besonders ein­ladend sind wieder die zahlreichen Garküchen, in denen Berge von Fleisch, Hähnchen, Kartoffeln und Undefi­nierbarem auf Käufer warten. Wegen Jürgens mangelnder Begeisterung an dem Essbaren und der frühen Stunde – es ist acht Uhr und wir haben gerade erst gefrühstückt – verzichte ich schweren Herzens auf einen Imbiss. Während ich jedoch an einer Bude einen frischen Mora-Saft (Brombeere) trinke, lerne ich dort ein neues Getränk kennen: Ponchi, zwei Eier und eine Flasche Bier im Mixer vermischt und schon hat man ein neues Getränk. Schmeckt klasse!

Gemüseverkauf in Otavalo

 

Ein weiterer der zahlreichen Verkaufsstände

Anschließend begeben wir uns dann auf den Viehmarkt, wo jede Menge ostfriesischer (schwarz-bunter) Kühe, Bullen und Kälber angeboten werden. Kleinste Kinder halten dort große Bullen fest, die hier offensichtlich nicht so aggressiv wie in Deutschland sind, denn alle marschieren munter dazwischen herum. Ob der vielen Matsche und Scheiße sind wir allerdings froh, nicht – wie viele Indios – barfuß, sondern mit Schuhen gekommen zu sein. Gegen 11:00 Uhr haben wir den ganzen Markt und Handel genossen und fahren per Bus zurück nach Quito.

Weil mir das erste Hotel nicht gefallen hatte, nehmen wir ein anderes, nämlich das „Caripara“, das auch direkt am Plaza Sto. Domingo liegt. Für je 150 Sucre kriegen wir ein großes Zimmer mit zwei breiten Betten und zwei Balkons. Sehr schön. Nach einem guten Mittagessen und bei Nieselregen gehen wir durch die Stadt und schließlich zu einer neogotischen Kirche, die allerdings noch nicht fertig ist, sondern sich vielmehr seit 1926 im Bau befindet. Das Einzige, was noch fehlt, sind die zwei Kirchtürme, die allerdings in Beton gegossen auch schon dort stehen. Sehr interessant, eine Kirche im Werden zu sehen. Allerdings sind die Kosten ja wohl ziemlicher Nonsens, wenn man bedenkt, was ansonsten alles für Aufgaben in Ecuador zu erledigen wären. Während wir wieder weggehen, kriegen wir noch von ein paar Jungs einen Anisschnaps aus einem Zahnputzbecher angeboten… nicht schlecht.

Besuch am Äquator – „Mitad del Mundo“

Nach einigem Suchen finden wir einen Bus zum „Mitad del Mundo„, (Mitte der Welt), zu Deutsch: Äquator, 1½ Stunden fahren wir, bis wir 25 km nördlich von Quito an dem Denk­mal direkt auf dem Äquator ankommen, das der Franzose Charles-Marie de la Condamine während seiner großen Südamerika-Reise im 18. Jh. dort errichtet hat. So kön­nen auch wir das traditionelle Foto – rechtes Bein Nordhalbkugel, linkes Bein Südhalb­kugel – machen. Jürgen scheint sowieso vom Flug, der ewig umgeleitet wurde, noch fertig zu sein und ich habe furchtbare Kopfschmerzen, so dass wir schon um 18 Uhr in unserem lauten Hotel schlafen gehen.

Denkmal am Äquator nördlich von Quito

 

Sonntag, 11.03. Nach dem Frühstück und frühmorgens bei wolken­losem Himmel und toller Sonne begeben wir uns zunächst auf den Panecillo, einem Berg, der zwar nur 183 m höher als Quito ist, aber damit 3.033 müM misst! Durch ein Viertel, in dem der Anteil von Millio­nären wohl sehr gering sein dürfte und das einem kein Reise­führer empfiehlt, das wir aber dennoch hervor­ragend passieren, kommen wir oben am Panecillo an. Von hier ist der Blick auf Quito – vorne die koloniale Altstadt, hinten die moderne Stadt mit Hochhäusern und rechts und links hohe Berge, die mehr und mehr in Wolken verschwinden – ganz hervorragend. Beim Abstieg haben wir noch einen tollen Einblick in eine öffentliche Wasch­küche, wo zig Frauen (am heiligen Sonn­tag!) auf Steinen Wäsche schrubben und dort gleich kunterbunt aufhängen. Sehr appetit­anregend sind auch die Berge von Krebsen – oder wie immer man sie nennen mag – die an jeder zweiten Ecke lebendig zusammengebunden und aufgestapelt sind, auf dass sie noch heute in den sonntäglichen Mittagstopf Quiteñer Familien wandern.

Wäschetrockenplatz mitten in Quito

Eine der zahlreichen Altstadtstraßen mit Händlern

Unser nächstes Ziel ist eine Markthalle, in die alle Straßen­händler bestimmter Gegenden seit 1981 „verbannt“ sind – aller­dings befindet sich hier am Sonntagmittag alles in Aufbruch­stimmung – schade. Vorbei an einer der typischen Schulen (nur kaputte Scheiben) kommen wir durch tolle, alte, steile Straßen und schließlich zur Kirche San Francisco. Diese größte Kirche Quitos ist wirklich überwältigend und unbeschreiblich in ihrem Gold- und Schnitzwerk (die berühmte Schule von Quito), was allerdings längst nicht so überladen wirkt wie deutscher Barock. Nach einer Besichtigung der berühmten und ältesten Kirche Quitos, Ecuadors und Südamerikas – La Compañia – an der man auch den Einfluss der indianischen Meister erkennen zu können meint und einem Mittagessen, legen wir uns etwas hin. Ge­weckt werden wir vom obligatorischen Nachmittagsregen, der uns aber nicht hindert, weitere Kirchen (La Merced, Santo Domingo) und das Haus von Sucre zu suchen und z.T.  zu besich­tigen, ebenso wie einen Stadtpark, in dem viele Familien ihren Sonntag verbringen.

Das Franziskanerkloster mit der Kirche San Francisco – eine der 86 Kirchen Quitos

Kirche „La Compañía de Jesús“

Leider ist der Sonntag hier ein ziemlich „lahmer“ Tag, denn vieles ist geschlossen, fast alle Restaurants ebenfalls und sogar zahlreiche Museen. Dennoch finden wir ein Restaurant zum Abendessen, in dem zwar schon alles Personal betrunken zu sein scheint, wo wir aber trotzdem ganz gut essen (ich genieße Ziegenfleisch – Seco de Chivo = sehr gut).

 

Mit dem „Zug“ nach Riobamba

Montag, 12.03. Morgens müssen wir uns als erstes darum kümmern, dass Jürgens Visum für Ecuador verlängert wird. Da er den Be­amten am Flughafen nicht verstanden hatte, hatte er ein Visum für lediglich 10 Tage bekommen, was uns zu kurz ist. So müssen wir also nun hinterherrennen. Laut SAH ist die Adresse in der Avenida Amazonas, die ziemlich weit entfernt im „neuen“ Quito legt. Ein Bus bringt uns recht weit bis dorthin, aber wir müssen dann doch noch ein ganzes Stück laufen, denn die Straße ist ewig lang. Dabei kommen wir auch beim lange gesuchten Touristenbüro vorbei und ebenfalls bei Libri Mundi, einer internationalen Buchhandlung (deutsch-sprechend!), bei der ich endlich eine Karte von Ecuador erstehe. Diese kostet allerdings 100mal so viel wie in Kolumbien! Auf diesem Wege werden auch erstmalig unsere Pässe von der Polizei kontrol­liert und in einem Notizbuch notiert, aber sie sind glück­licherweise völlig in Ordnung.

Nach über 2 km Marsch durch die sehr moderne Gegend, schicke Geschäfte, Hoch­häuser, guten Restaurants, kommen wir dann tatsächlich zum Immigrationsbüro. Trotz War­nungen kriegt Jürgen ziemlich schnell ein Visum für 45 Tage – allerdings muss er dafür sein Rückflugticket nach Deutschland vorzeigen. So ist unsere Mission schneller und einfacher beendet, als ich es erwartet hatte.

Bei ziemlicher Wärme fahren wir per Bus in die Stadt zurück, und finden dann nach einigem Suchen das Stadtbüro der ecua­dorianischen Eisenbahn. Wir haben nämlich vor, per Eisenbahn die berühmte, abenteuerliche Strecke über die Anden von Quito nach Guayaquil zu fahren. Diese 1908 fertiggestellte Strecke verbindet die beiden größten Städte des Landes und überwindet dabei zwei Pässe von 3.600 bzw. 3.700 m Höhe und erfährt währenddessen – laut diverser Bücher – eine großartige Streckenführung. Aber zu unserer maß­losen Enttäuschung fährt die Bahn seit ½ Jahr nur noch bis Riobamba. Dieses ist nur die halbe Strecke und die schönsten, interessantesten Teile fehlen. Schade! Der Zug fährt nur ein­mal täglich um 15°° los und kommt um 20°° nach 220 km in Riobamba an, das bedeutet auch noch 2 Stunden Fahrt im Dunkeln und ohne Sicht. Na, ja, dann müssen wir also damit vorliebnehmen.

Wie vorgeschrieben, sind wir eine Stunde vor Abfahrt da, um unsere Tickets zu kaufen (nachdem wir den kleinen Bahnhof gefunden haben). Auf dem Bahnsteig ankommend, ent­wickelt sich die nächste Enttäuschung: Wir fahren gar nicht mit den schönen, alten, hölzernen Waggons, die auch dastehen, sondern vielmehr mit einem zum Schienen­fahr­zeug umgebauten Autobus, dessen Inneres sich durch nichts von einem modernen Bus unterscheidet. Schade! So nahe am Ende befindet sich hier also die Zug-Ära bereits. Die Tickets sind extrem billig und pünktlich geht es um 15°° los.

Kaum sind wir laut hupend und stark hoppelnd losgefahren, schon halten wir wieder an und so geht es ewig weiter, um die ständig an der Strecke stehenden Passagiere aufzunehmen. Nachdem der „Zug“ zunächst kaum besetzt war, sind bald alle Sitz- und Stehplätze überfüllt. Aber bald steigen die Leute langsam alle wieder aus. Ab und zu müssen wir auch anhalten, weil eine Kuh trotz lautesten Hupens nicht von den Schienen geht und erst verscheucht werden muss. Außerdem muss bei jedem noch so kleinen Schlammweg, der die Schienen kreuzt, langsam gefahren und gehupt werden.

In Quito liegt der Bahnhof 2.777 m hoch und in dieser Höhe geht es gut eine Stunde weiter. Dann kommt die erste größere Steigung und wir kommen auf 3.645 m. Diese Station heißt COTOPAXI und liegt direkt am Fuße des gleichnamigen 5.897 m hohen, schnee­bedeckten Vulkans, den wir sehr gut beobachten können. Dann geht es wieder abwärts bis ABATO (2.571 m) und es folgt – leider schon im Dunkeln – die nächste Höhe mit 3.609 m. Hier sind so starke Steigungen, dass die Räder des Zuges durchdrehen und der „boy“ einen Deckel am Fuß­boden öffnet und Sand hineinschüttet, um die Reibung zu erhöhen. Mit riesiger Staubentwicklung im Innern des Zuges verteilt sich der Sand dann über ein Kanalsystem auf die Räder und wir können weiter­fahren! Später nähern wir uns auf der eingleisigen Strecke dann einem Güterzug, auf des­sen Dach ein Mann sitzt, der zur Warnung eine Lampe schwenkt. Kurz vor dem höchsten Bahnhof – in 3.609 m Höhe – kommt eine Weiche und die Schienen teilen sich. Nachdem der Güterzug durch ist, klettert der Mann vom Dach, stellt die Weiche um und wir können den Güterzug auf der anderen Spur überholen. Am Bahnhof stehen dann beide Züge neben­einander und die Fahrer unterhalten sich. Währenddessen schreibt der „Bahn­hofsvorsteher“ im Scheine einer Kerzenlampe irgendetwas auf.

Auf der Weiterfahrt nach RIOBAMBA kann man im Mondschein die schneebedeckten Spitzen der nahen Berge sehen, einer davon ist der berühmte Chimborazo mit 6.263 m. Der erloschene Vulkan ist der höchste Berg Ecuadors und wurde bereits 1802 von Alexander von  Humboldt (teilweise) bestiegen und exakt beschrieben. So kommen wir erst sehr spät an und müssen die letzten 2 km rückwärtsfahren, damit der Zug am nächsten Tag wieder richtig herum starten kann. Direkt gegenüber vom Bahnhof kriegen wir ein Hotel für 120 Sucres.

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Heiße Quellen in Baños

Dienstag, 13.03. Heute möchten wir nach Baños fahren, denn Riobamba bietet nicht viel und wir sind hier nur gelandet, weil es das Ende der Bahn ist. Baños liegt östlich von Riobamba und ist der Beginn des Oriente. So wird der Ostabfall der Anden und das dann folgende Dschungelgebiet bezeichnet, das bereits zum Amazonas-Land gehört. Genau dieses ist unser Ziel und des­halb müssen wir jetzt auch Malaria-Tabletten nehmen.

Riobamba liegt in der idealen Höhe von 2.750 müM, wo es immer schön warm ist, kaum regnet, aber auch nicht zu heiß ist. Bei dieser Witterung suchen wir ewig nach einer Bus­gesellschaft, die uns nach Baños fährt. Schließlich bringen wir in Erfahrung, dass diese 15 cuadras (Häuserblocks, gängige Einheit, um in der Stadt Entfernungen anzugeben) entfernt ist. So machen wir uns mit Gepäck auf den langen Weg (für Taxi zu geizig) und kommen schließlich an den Terminal de Baños. 10 Minuten später geht schon ein Bus los und in einer einstündigen Fahrt geht es 1000 m bergab bis wir auf 1.800 m in BAÑOS ankommen. Dieses ist ein Bade- und Kurort, in dem es viele Thermalquellen gibt und der ein Superklima hat: Nie Regen, sehr warm, es wachsen das ganze Jahr Bananen, Weintrauben (Trester­fabrik!), Zuckerrohr (Saft!) und viele andere Früchte. Zufällig geraten wir in eine „pensión„, die im SAH empfohlen ist und wo fürchterlich viele Ausländer (hauptsächlich Deutsche und Schweizer) wohnen, was mir nicht sehr recht ist. Wir fahren dann gleich per Stadtbus nach Salado, der angeblich schönsten, heißen Quelle bei Baños. Als wir ankommen, sind wir allerdings ziemlich entsetzt: An einem vorbeifließenden Bach liegen – von oben sichtbar – zwei Becken mit gelblich­-schmutzigem Wasser, in dem einige Leute stehen bzw. liegen. Trotzdem gehen wir ‚rein. Es gibt noch drei weitere Becken, deren Wasserfarbe allerdings auch nicht anders ist. Nach Umziehen und Abgabe der Wertsachen erklärt uns ein Opa, was wir wann, wie und wo machen müssen. Also ab ins erste Becken: knallheiß und ich kann kaum ‚reingehen, aber über die Farbe haben wir uns inzwischen hinweggesetzt. Nachdem ich endlich drin bin, kann ich auch die Tafel lesen: 37°C und genaue Angabe der chemischen Zusammen­setzung des Wassers. Na, ist wohl sehr ge­sund.

Heißes Bad ‚El Salado‘ bei Baños

Chemische Analyse der „Piscinas El Salado“

Aber lange halte ich es in dem heißen Wasser nicht aus. Wir gehen dann eine Treppe nach unten und stehen unter zwei Rohren, aus denen einmal heißes, einmal eiskaltes Wasser kommt. Dann begeben wir uns in ein Becken, in dem ansonsten nur Indios sind. Die Frauen baden mit Kleidern und Schmuck und alle waschen ihre blau-schwarzen ewig langen Haare – es ist fast wie im Urwald! Weiterhin genießen wir heiße Duschen, einen kalten Wasserfall in dem Bach und insbesondere die diversen Frauen bzw. Mädchen, die hier baden – ein extremer Gegensatz zu der türkischen Badeanstalt im kurdischen Erzincan, die ich vergangenes Jahr kennenlernte.

Nach der Badeanstalt gehen wir zurück ins Dorf und fahren dann per Bus zum Wasserfall Agoyán, der 10 km entfernt ist und allenthalben gelobt wird. Allerdings wird die Enttäuschung nur etwas geringer als beim Tequendama-Wasserfall (bei Bogotá). In dem reißenden Wildbach mit viel Wasser – der in Verlängerung des Tales hinter Baños fließt – wird von einer schwedischen Firma gerade ein Wasserkraftwerk gebaut. Und in dieser Umgebung wirkt der vielleicht 30 m hohe Wasserfall mit schmutzigem Wasser nicht gerade toll. Aber wir haben ihn wenigstens gesehen.

Der Wasserfall Agoyán

 

Anschließend im Hotel ist endlich der Platz zum Wäschewaschen frei, und ich kann meiner „Lieblingsbeschäftigung“ frönen! Später gehen wir noch essen, wobei Jürgen mittlerweile auch schon mit sehr viel einfacheren Lokalen – die gerade den Reiz ausmachen – einverstanden ist. Dabei kommen wir mit einem jun­gen Mann ins Gespräch, der uns allerhand erzählt, z.B. dass das Mindesteinkommen eines Arbeiters hier 5.600 Sucre beträgt und er als Automechaniker 8.000 Sucre verdient. Während­dessen erhalten die Arbeiter (aus Schweden) am Kraftwerk ca. 100.000 Sucres monatlich! Aber als ich ihm von unseren Steuer­sätzen, unseren Mieten, unseren Kosten für Verpflegung etc. erzähle, leuchtet es ihm schon eher ein. Aber die Differenz ist doch immens!

 

Kommen wir über Puyo in den Oriente?

Mittwoch, 14.03. Nach einem guten Frühstück mit Croissants (!), bei dem wir mit zwei Schweizern sprechen, die schon vier bzw. neun Monate hier sind, und die als tollstes Erlebnis die Fahrt und den Besuch der Galapagos-Inseln bezeichnen, packen wir unser Zeug. Wir wollen weiter nach Osten (Oriente) und brauchen einen Bus nach Puyo und dann nach Tena. Jedoch heißt es im Busbahnhof in Baños überall: Puyo ja, aber die Straße nach Tena sei gesperrt. So ein Mist! Aber davon lassen wir uns nicht abschrecken und nehmen erst einmal einen Bus nach PUYO.

Die zweistündige Fahrt auf einer Schotterstrecke wird super. Es geht am Rio Pastaza entlang, in dem auch der Agoyán-Wasserfall liegt. Die Strecke erlaubt herrliche Blicke auf den wilden Fluss, der teilweise bis zu 200 m unter uns liegt. Er wird oft durch Hänge-brücken überspannt und es führen viele größere und kleine Wasserfälle in den Fluss. Toll ist auch der Wald mit extrem intensiver Vegetation, der überall wächst und sein aggressives Grün ausbreitet. Nur schade, dass es so proble­matisch ist, aus dem Bus während der Fahrt gute Bilder zu machen.

Blick auf den Rio Pastaza auf dem Weg nach Puyo

Wir kommen durch einige Orte, in denen Häuser in Wildwest-Manier das Bild prägen: Holz, Balkons, unten Laufstege etc. Einer davon ist Esperanza, wo eine Kaserne steht. Wir beiden müssen aus dem Bus aussteigen, unsere Pässe dort an einer Kontrollstelle vor­zeigen und erhalten einen Stempel in den Pass: Eintrittskarte und Registrierung für den Besuch des Oriente! Es steigen auch drei junge Soldaten ein, die wohl in den Puff nach Puyo wollen. Sie interessieren sich aber auch für Deutsch­land und deutsche Münzen, die Jürgen – der noch welche dabeihat – großzügig verteilt. Meine sind nämlich schon längst verschenkt.

So kommen wir dann nach Puyo, wo wir uns eine Mitfahrgelegenheit auf einem LKW nach Tena erhoffen. Die Soldaten besorgen uns gleich einen Wagen, dessen Fahrer wir in zähen Verhandlungen von 1000 auf 500 Sucre drücken. Ist aber trotzdem das Vier- bis Fünffache des Buspreises! Als wir sitzen und losfahren, erzählt er mir aber wie weit er uns nur bringen will und anhand der Karte stelle ich fest, dass es nur gut ⅓ der Strecke ist. Und dafür 500 Sucres! So nicht! Alles aussteigen, Gepäck ‚runter und was Anderes suchen! Aber das ist auch gut so, denn nach diversen anderen Auskünften, die ich dann überall erfrage, gibt es z.Zt. keine Verbindung auf dem Landwege nach Tena, da drei Brücken fehlen! Maximal kann man bis km 57 kommen und muss die letzten 25 km laufen, d.h. 6 Stunden Marsch mit Gepäck! Im Urwald! Bei Hitze! Zum Schluss im Dunkeln! Das ist uns wirklich zu viel und zu waghalsig. So verzichten wir schweren Herzens auf unsere Dschungelerkundung und essen erst einmal zu Mittag. In dieser „sehr einfachen“ Holzbude, in der die dicke Mutter kocht und alle Kunden rund um den großen Tisch sitzen, kriegen wir Suppe, Reis, Salat und gebratenes Fleisch. Dazu gibt es Saft aus einem großen Eimer. Gut und auch bekömmlich. Jürgen hat sich jetzt offensichtlich zu allem entschlossen! Sehr gut.

‚Downtown‘ Puyo

Dann machen wir einen Gang durch das Western-Dorf Puyo und fahren in 3½ Stunden zurück bis nach Riobamba. Eine Strecke, die wir bereits kennen. Bei einem Gespräch mit dem „boy“ des recht leeren Busses erfahre ich, dass der Fahrer sein Vater ist, er 18 Jahre alt ist und bereits seit 4 Jahren auf dem Bus mitfährt (!). Auf die Frage, ob er auch Busfahrer werden wolle, antwortet er mit „Claro„. Im uns bekannten Riobamba finden wir dann schnell ein Hotel, wo wir den fürchterlichen Staub der Fahrt gleich warm (!) abduschen.

 

Schweißtreibendes Klima in der Hafenstadt Guayaquil

Donnerstag, 15.03. Nachdem wir morgens eine ¾ Stunde nach einem Lokal gesucht haben, in dem wir Kaffeetrinken können (vor 9°° hat offensichtlich in Riobamba noch nichts geöffnet) und schließlich doch etwas finden, geht’s per Bus von Riobamba nach Guayaquil. Vom neu erbauten Terminal aus fahren wir dann los. Ziemlich bald kommen wir nochmals am schnee­bedeckten Vulkan Chimborazo vor­bei, der ein großartiges Bild innerhalb dieser fruchtbaren und sehr hochgelegenen Ebene bildet. Bei recht schlechtem Wetter mit leichtem Nieselregen und viel Nebel geht es durch die Berge. Dabei kommen wir zunächst durch den Nebelwald, der zwischen 3000 und 2000 müM liegt. Uns immer tiefer schraubend, wobei es langsam wär­mer wird, kommen wir weiter nach GUAYAQUIL, das nur noch auf 6 m Höhe liegt! Nach 5 ½ Stunden kommen wir an und in der großen (1,5 Mio. Einwohner) Stadt schlägt uns eine feuchte Hitze entgegen, die einem gleich den Schweiß aus allen Poren treten lässt.

Ein nahes Hotel ist uns nicht gut genug, da es auf dem Flur (wie sonst nur an jeder Straßenecke) nach Pi… stinkt, und es außerdem keinen Ventilator gibt, auf den ich bei der Hitze sehr viel Wert lege. Aber man empfiehlt uns gleich ein anderes Hotel, wo wir für 350 Sucres zusammen sauber und gut unterkommen. Dann machen wir uns – trotz des Klimas – auf den Weg, um Guayaquil zu erkunden. Wie bereits gewohnt, ist alles von Händlern, Verkäufern etc. überfüllt. Uns zwi­schen auf dem Boden sitzenden und Obst ver­kaufenden Indio­frauen sowie BH’s und Musikkassetten anbietenden Jungs durch­kämpfend, gelangen wir schließlich zum Plaza Bolivar, der direkt vor der wenig attraktiven Kathedrale liegt. Im Park kriegen wir einen gehörigen Schrecken, als plötzlich neben uns an einer Hecke knabbernd ein Urviech auftaucht! Das rotbraune, drachen­ähnliche Vieh ist mit Schwanz 1,50 m lang, hat auf dem Rücken Schuppen und Stacheln und sieht super­ gefährlich aus. Aber völlig unbewacht knabbert es lustig vor sich hin, ebenso wie einige Artgenossen, die hier auch herum­marschieren. Die­ses ist also die Art Tier, die uns u.a. auf den zu Ecuador gehörigen Galapagos-Inseln erwartet. Sehr interessant.

‚Urviecher‘ aus Galapagos mitten in Guayaquil

Weiter gehen wir zum Rio Guayas vor. An der Promenade schlägt uns schon der wider­liche Gestank des völlig verschmutzten Flusses entgegen, der in seiner Breite von über 500 m mit ziemlicher Geschwindigkeit dahinfließt. Neben unendlich vie­len Gras­büschchen und viel Dreck sind auch einige große, ankernde Schiffe zu sehen, die wohl auf einen Platz in diesem größten Hafen Ecuadors warten (jährlich 1 Mio Tonnen Bananen-Export!).

Rio Guayas in Guayaquil

Vorbei an der Rotonda (Treffen zwischen Bolívar und San Martín), dem pompösen Stadtverwaltungsbau und einem maurischen Uhrturm, finden wir ein chinesisches Lokal, wo Jürgen isst und ich trinke. Gegenüber ist das städtische Museum, das wir anschließend zu­nächst nicht betreten können, weil man am Eingang (wie immer) unser Geld leider nicht wechseln kann. In dieser Beziehung gibt es hier die gleichen Probleme wie in Ägypten, denn noch so kleine Scheine können grundsätzlich nicht gewechselt werden. Nach erfolgreichem Wech­seln in einem Geschäft kriegen wir doch noch unsere Eintritts­karten und gleich nach Be­zahlung die Erklärung, dass das Licht aber nicht ginge. Schon im dritten Saal (Schrumpfköpfe) kann man nichts mehr sehen (keine Fenster) und mir stinkt’s. Meine diesbezügliche Beschwerde wird gleich an die Museumsdirektion weitergeleitet, wo schon ein Deutscher ist. Wir erhalten unser Geld zurück und gehen mit den beiden Deutschen in ein klimati­siertes Café (eiskalt).

Der maurisch inspirierte Uhrturm in Guayaquil

Später gehen wir noch über den großen Markt, in dem offensicht­lich die ganze Schmug­gelware verkauft wird, die im Hafen angelandet wird, denn das Angebot ist wirklich ganz erheblich. Zu Abend gibt’s einen großen Teller Reisfleisch und dazu trübes Bier. Nun ja. Dafür ist die Nacht bei laufendem Ventilator in dem Hotel sehr angenehm.

 

Freitag, 16.03. Nach dem Frühstück, bei dem wir wieder einige Neuigkeiten in puncto Essen ausprobieren, durchwandern wir nochmals den Schmugglermarkt und gehen an­schließend zum richtigen Gemüse-, Fleisch- und Fischmarkt. Ich habe ja schon einige Märkte gesehen, die nicht unbedingt dazu angetan waren, den Appetit anzuregen, aber so etwas von Gestank, Dreck und Müll wie hier in Guayaquil habe ich wirklich noch nie erlebt! Über­all liegen tote, zertrampelte, ausgelaufene, stinkende Fische und Fischteile herum, die in dem Matsch und bei der Sonne und Hitze herrlich duften. Dazwischen sitzen überall Leute und verkaufen Obst, dann zerläuft das Eis und alles wird noch matschiger. Auch die Armen der Ärmsten dazwischen: schlafen hier und betteln, da ihnen Arme, Beine fehlen oder sie verkrüppelt sind. Also auf diesem Markt nehme auch ich nichts zu mir!  Das schlimmste ist aber dann die Seite, die zum Fluss geht: Aus dicken Rohren fließt der Dreck in den Fluss und am Ufer werden die Körbe mit dem Unrat umgekippt, was wirklich Sachen sind, die keinesfalls mehr zu gebrauchen sind. Dazwischen stehen dann Leute im Fluss und waschen Füße und Schuhe – wirklich schlimm. Nachdem wir das alles „genossen“ haben, verziehen wir uns wieder in angenehmere, aber weniger interessante Gebiete.

Gemüse- und Fischmarkthalle von Guayaquil

Gemüsestände auf der Straße

‚Rückseite‘ des Marktes

Per Bus fahren wir an der Promenade des Guayas entlang und kommen so nach La Pena, eine der letzten Straßen des alten Guayaquil, die noch erhalten ist. Leider bereits recht bau­fällige, aber ehedem sehr schöne Holzhäuser stehen hier am Fluss. Die schmale. Straße war wirklich einmal ein bevorzugtes Wohn­gebiet, gehört aber wohl heute zu den ärmeren Vierteln. Schade drum.

Reste des alten Guayaquil

Ziemlich nass und kaputt – es sind zwar nur 28°C, aber die Feuchtigkeit! – gehen wir dann durch die Gegend in Richtung zum Zentralfriedhof. Ohne „Harald- and Maud-Ambitionen“ zu haben, ist dieses wirklich ein sehr inter­es­santes Gebiet. Neben riesigen Familiengrüften reicher Guayaqueñer Familien, die teilweise sogar kleine Kapellen (I) beinhalten, gibt es Irrwege zwischen zahlreichen zugemauerten Grüften, wo der „normale“ Mensch in 6 Etagen übereinander beige­setzt wird. Der an einem Hang liegende Friedhof wird weiter nach oben immer wilder und ungepflegter, bis schließlich umgestürzte Bäume und Kreuze, sowie völlig überwucherte Wege und Gräber ein Weiter­kommen unmöglich machen. Eine eigenartige Atmosphäre!

Weitere Ziele sekundärer Art sind noch ein klimatisiertes Ein­kaufszentrum (à la Minnea­polis), die obligatorische Markthalle und diverse Händler, bei denen ich auch die ersten beiden Musik­kassetten meines Lebens erstehe. Im Restaurant „Marco Polo“ kriegen wir schließlich ein gutes und teures Abendessen.

 

Sonnabend, 17.03.  Nachts wache ich schon vom strömenden Regen auf, denn neben dem Geräusch dringen auch die Tropfen zu mir durch: Hier gibt es – außer in klimatisierten Gebäuden – kaum Fenster­scheiben, sondern stattdessen nur Fliegengitter und durch diese gelangt der Regen bis auf meine Stirn. So drehe ich mich einfach um. Morgens regnet es immer noch etwas, aber die diversen Arkaden bieten doch einen recht guten Schutz. So kommen wir bis zur Busgesellschaft „Ecuatoriano Pulman„, die uns an der Küste entlang Richtung Süden bis nach Machala bringen soll. Hier wol­len wir hin, weil von dort eine Super-Straße durch die Berge bis nach Cuenca führen soll. Wir werden uns noch wundern!

Zunächst herrscht ein fürchterliches Gedränge – à la Ägypten – vor dem Schalter der Gesellschaft, wo sich die Leute schier um die Tickets schlagen. Ich mache kurz mit, aber dann stinkt’s mir, und ich überrede Jürgen, dass er sich doch anstellen soll. Er kriegt auch wirklich recht schnell Karten und mit dem übernächsten Bus kommen wir eine halbe Stunde später tatsächlich los. In der Ebene geht’s 5 Stunden lang fast geradeaus, dabei durchfahren wir eine Bana­nen­plantage nach der anderen. Hier versteht man auch Ecuadors Namen als „Bana­nen-­Republik“. Bei regnerischem und bedecktem Wetter sind die Anden, die sich ziemlich in Wolken hüllen, immer in Sichtweite. Einzige Abwechslung bietet ein platter Reifen, der aber schnell gewechselt ist. So kommen wir kurz vor 14 Uhr in MACHALA an.

Ein Erdrutsch stoppt unser Weiterkommen

Obwohl wir Hunger haben, denn aus Mangel an Kleingeld können wir nichts bei fliegenden Händlern, die an und im Bus Ananas, Wassermelone, mit Käse gefüllte, warme Bananen, Colas (Sprudel-Getränke), Yuca-Wurzeln, Fleischspieße etc. anbieten, kaufen, suchen wir gleich nach einem Bus, der uns nach Cuenca fahren soll, denn Machala bietet rein gar nichts. Der Bus geht auch 5 Minuten später los und soll nach 6 Stunden um 20 Uhr ankommen. Aber zu unserem Entsetzen und unserer Enttäuschung geht’s einen Großteil der langweiligen Strecke Richtung Guayaquil zurück, denn die von uns angepeilte Straße ist offensichtlich kaputt. So was Blödes! So überqueren wir nochmals all‘ die zahlreichen Flüsse, die aus den Anden kommend in den Pazifik fließen, auf den meist einspurigen Brücken. Aber nicht nur, dass wir dieselbe Strecke zurückfahren, nein, das einzige neue und interessante Stück wird auch noch im Dunkeln gefahren werden, nämlich die Bergstrecke. Aber gerade erreichen wir bei Sonnenuntergang die Berge und schrauben uns in die Höhe, da gibt es wieder eine Sensation und einen Stop: Ein Erdrutsch hat die Straße verschüttet und der ständig nachrutschende Dreck verschlimmert es weiter. Es ist überhaupt nicht an ein Durchkommen zu denken. Auch ein zufällig eintreffender LKW mit zwei Raupen hat keine Chance. Zudem verhindert die schnell einbrechende Dunkelheit eine Lösung. So drehen wir dann um und es soll eine andere Straße gefahren werden. Aber kaum fahren wir zurück, setzt ein basisdemokratischer Vorgang ein, mit dem Resultat, dass wir wiederum umdrehen und uns erneut in die Schlange der Wartenden vor dem Erdrutsch einreihen. Es passiert natürlich nichts und im Bus ist es zu eng zum Schlafen und zu viel Platz zum Wachen. So stehen wir gut eine Stunde da, bis wiederum neu entschieden wird und wir ein drittes Mal umdrehen. Inzwischen ist es schon nach 20 Uhr und alle haben Hunger. An einer Wirtschaft gibt es Colas und pan con queso für alle und etwas weiter kommen wir dann tatsächlich an eine Nebenstrecke

Hier fängt jetzt das Anden-Abenteuer richtig an: Die völlig unasphaltierte und lediglich festgefahrene Straße ist von vielen Erdrutschen ebenfalls oft verschüttet. Jedoch betreffen diese selten mehr als nur die Hälfte der Straße, so dass wir doch vor­beikommen. An den Stellen, an denen es doch mehr ist, stehen Indios mit Schippen und Äxten, um die Straße wenigstens einiger­maßen freizuhalten. Dafür rennen sie den Autos nach und kassieren etwas Geld dafür. Ja, so läuft das hier. Auf dieser besser als Weg zu bezeichnender Strecke kommen uns aber nicht nur diverse Busse und kleine LKWs entgegen, sondern sogar Sattelschlepper! Dafür fehlt am linken Abgrund, wo es ziemlich steil abwärtsgeht, oft auch ein Stück der Straße! Nach fast 2 Stunden kommen wir aber heil wieder an der Haupt­strecke an und es geht weiter nach CUENCA, wo wir schließlich um 0:30 Uhr ankommen.

So, jetzt brauchen wir im Dunkeln nur noch ein Hotel zu finden. Dafür laufen wir natürlich zuerst in die falsche Richtung und kommen vom Terminal aus der Stadt heraus. Planlos auf einem Kreisel stehend, beratschlagen wir, wohin. Da hält ein Mann per Pick-up an und bietet uns an, uns ins Centro zu fahren. Bei ziemlicher Kälte (Cuenca liegt wieder 2.500 müM hoch) geht’s dann ins Zentrum und zu einem Hotel, wo er uns abliefert. Für den wahnsinnigen Preis von 300 Sucres je Person (das 3fache vom Normalen) übernachten wir dann in einem guten Hotel mit „baño privado„.

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Cuenca ist ein Genuss!

Sonntag, 18.03. Nach dieser ewigen Fahrerei schlafen wir heute tatsächlich einmal aus und gehen dann quer durch die recht alte Stadt Cuenca, um auf den nahen Markt zu gehen, der hier sonntags wie an allen Tagen stattfindet und eigentlich das Einzige ist, was hier am Sonntag offeriert wird. Die Indios bieten wieder alle Früchte, Fleisch etc. an, allerdings nicht so fürchterlich, wie in Guayaquil. Sehr lustig ist ein kleiner Junge, der sich gemütlich an einen angeleinten Ochsen anlehnt, als er merkt, dass wir dieses fotografieren wollen.

Gemüsemarkt in Cuenca

Cuenca am Rio Tomebamba

Das Klima ist wieder wunderbar, warme Sonne, nicht zu heiß, etwas Wind und vor allem nicht feucht, eben 2.500 m hoch. Auch die Stadt Cuenca gefällt mir sehr gut: zahlreiche alte Häuser, wenig Modernes, einiger­maßen sauber. Allerdings ist am heutigen Sonntag wirklich „nix los“. Lange suchen wir wieder nach einem Lokal, in dem wir zu Mittag essen können und finden schließlich eines, in dem wir extrem nett bedient werden und wo uns das Fräulein sogar darauf hinweist, dass es auch Abendessen bei ihnen gibt.

Die historische ‚Puente Roto‘ im Zentrum Cuencas

Sonntäglicher Markt in Cuenca

Danach gönnen wir uns eine lange Siesta in unserem Hotel. Auf dem Innenhof, zu dem natürlich auch unser Zimmer geht, geht’s hoch her: Wäschewaschen, Essen kochen, Kinder waschen etc. Da ist was los! Später gehen wir an den Rio Tomebamba, das ist der Fluss, der durch Cuenca geht. Hier waschen viele Indiofrauen ihre Wäsche und breiten sie dann am Ufer im Gras zum Trocknen aus. Die bunte Wäsche und die darüber am steilen Felsen „klebenden“ Häuser bieten ein schönes Bild. Im Innenhof unsers Hotels schreiben wir dann fleißig und lassen uns dort später auch Reis mit Fleisch ge­mischt – erstmalig draußen – servieren. Aber gegen 20 Uhr macht das Lokal auch zu und uns bleibt nichts übrig, als schlafen zu gehen.

 

Montag, 19.03.  Mit Hilfe unserer Karte gelangen wir zum Museo del Banco Central. Hier – wie auch in Kolumbien und Venezuela – sind die Banken die Hauptinitiatoren und -sponsoren der Museen. Das Museum hier ist besonders interessant, weil dort der Nachlass von Padre Crespi gezeigt werden soll. Dieser 1982 verstorbene Mönch hatte eine Theorie entwickelt, dass Stämme aus Mesopotamien via Atlantik und Amazonas bis nach Cuenca gelangt sein sollen. Obwohl die gesamte Wissenschaft es anzweifelt, wollte er dieses mit Hilfe von Goldtafeln u.a. be­weisen, die er von Indios als Dank für medizinische Behandlung erhalten hatte. Das Be­sondere an den Goldtafeln sind Darstellungen beispielsweise von Elefanten, die bereits lange vor dem Auftreten der Indi­aner in Lateinamerika ausgestorben sind. Außerdem sollen die Tafeln angeblich aramäische Inschriften enthalten, was mich deswegen besonders interessiert, weil ich im vergangenen Jahr zwei aramäische Kloster in der Türkei besucht habe.

Aber zu meiner großen Enttäuschung heißt es im Museum, die ganzen Tafeln seien Bluff gewesen und jetzt wieder in der Kirche, wo der Pater gelebt habe. Den Namen der Kirche lasse ich mir geben. Dafür sehen wir im Museum eine Ausstellung über Urzeit­menschen, eine Fotoausstellung und ihren ganzen Stolz: Eine Musicothek, wo auch einige Videogeräte stehen, und wo wir einen ganz interessanten Film über Indianer des Oriente sehen. Mein erster Genuss der Videotechnik – ausgerechnet in Ecuador!

Im Touristenbüro lasse ich mir den Weg zur Kirche Maria-Auxiliadores erklären. Gleichzeitig heißt es, die Tafeln vom Padre Crespi seien aber im Museo del Banco Central! Das ist ja interessant, aber wo sind sie jetzt wirklich? Wir gehen ganz zu der (sehr mo­dernen!) Kirche, wo ich nach langem Klop­fen einen sehr netten Pater erwische, der mir erklärt, nach Padre Crespis Tod hätten sie alles an die Bank verkauft und hier sei nichts mehr. Das gibt’s doch nicht! Als ich schon fast aufgeben will, ist bei Jürgen aber auch zu viel Interesse geweckt und per Bus fahren wir quer durch die ganze Stadt zurück zum Bank­-Museum. Der zuständige – sehr freundliche – Mann, wird schon leicht nervös, als wir schon wieder auf­kreuzen und erklärt jetzt, nur die „schlechten“ Sachen seien wieder in der Kirche und die „guten“ würden in der Bank für eine Ausstellung gerichtet und könnten jetzt nicht besichtigt werden! Schade! Dafür die ganze Aktion – aber es lässt sich nichts machen.

 

Kirche ‚Maria-Auxiliadores‘ in Cuenca

So wenden wir halt unser Interesse den Inkas zu, vielleicht sind wir da mehr vom Glück geküsst. Vom Busbahnhof fahren wir per Bus 1½ Stunden Richtung Norden bis El Tambo, um von dort nach Ingapirca zu kommen. Dieses ist die nördlichste, erhaltene Inkaruine. In dem Bus lernen wir zwei Amerikanerinnen kennen – Missionarinnen aus Quito. In Tambo wollen die LKW-Fahrer für einen Weg (ca. 15 km) von uns vieren zusammen 200 Sucres haben, was natürlich viel zu viel ist. Wir warten an einem alten Bahnhof (Höhenangabe 2.979 müM) bis schließlich ein mit Indios und Brettern überladener Jeep kommt, der uns für je 20 Sucres auch noch mitnehmen will. So geht es auf der Ladefläche halb stehender und halb sitzenderweise durch eine herrliche Landschaft bis nach Ingapirca. Die Fahrt ist super, denn man erlebt alles wirklich hautnah mit. Es geht durch einen kleinen Fluss, an lastenschlep­penden Indios vorbei, entlang zahlreicher Mais­felder und wir sehen viele Ochsenpflüge aus Holz im Betrieb (rückständiger als in der Ost-Türkei!). Aber trotz der Höhe von ca. 3.200 müM ist es im Hemd nicht zu kalt.

 

Inkaruinen in Ingapirca

Im Dorf INGAPIRCA angekommen, erklärt man uns gleich, wohin wir müssen. Die nahen Ruinen erreichen wir über einen kleinen Weg, der über einen Bach führt, wo einige Indiofrauen beim Wäschewaschen sind. Dann liegt das Ruinenfeld vor uns: Viele Mauern und Gänge führen zu einem erhöhten Punkt, wo der alte Tempel ziemlich gut erhalten steht. Da uns natürlich sämtliche, weitere Erklärungen fehlen, sind wir zunächst von der Baukunst begeistert. Denn die Inkas, die keinen Mörtel o. dgl. kannten, haben alle Steine so exakt behauen, dass sie genau aufeinanderpassten und auf diese Art ihre Bauten errichtet! Sie sind wirklich beeindruckend diese exakten drei-, vier-, fünfeckigen Steine. Auch die Lage des Tempels ist herrlich inmitten vieler Maisfelder, an einem Wildbach und von vielen Gipfeln umgeben. Wir besehen noch andere, weniger interessante Überreste der Inkas und gehen dann zurück nach Ingapirca. In dem sehr einfachen Dorf – ungepflastert, viele Schweine, dreckige Kinder, halb­fertige Häuser (aber Beton), aber sehr freundliche Menschen – nehmen wir in einem Laden Bananen, Sprudel und Brötchen zu uns. Da sich keine Rückfahrgelegenheit bietet, beschließen wir, zunächst zu laufen. Aber kaum sind wir unterwegs und haben uns durch eine kleine Ochsenherde gekämpft, kommt ein Pick-up, der uns gratis bis nach El Tambo zurücknimmt.

Ingapirca – die bedeutendste Inka-Fundstätte Ecuadors

Hier suchen wir jetzt einen Bus nach Cuenca. Die anderen drei warten, während ich vorgehe. 10 Minuten später überholt mich ein Bus und bremst, als ich einsteige, lachen alle Insassen wie ver­rückt: Des Rätsels Lösung ist, dass die Amerikanerin (die gut spanisch spricht) erzählt hat, wenn dort ein Blonder käme, sollte er anhalten und ihn mitnehmen. Dass so etwas passiert, konnte sich keiner vorstellen. Als es dennoch geschah, lachten alle! In Cuenca müssen die beiden Missionarinnen zu einem „Konvent“, und wir gehen in Ruhe essen und schreiben. Dafür ist im Hotel ein Riesen­lärm, weil eine Schulklasse kleiner Mädchen eingezogen ist. Die meisten Lokale machen schon um 20°° zu, dafür werden aber überall auf der Straße gegrillte Meerschweinchen (cuy) angeboten!

Unser Bus zurück nach Cuenca

 

Riesen-Spanferkel in Gualaleco

Dienstag, 20.03. Ab 6°° machen die Mädchen schon wieder einen Riesenkrach, aber wir versuchen trotzdem bis 8°° zu schlafen. Wie bereits gestern – als wir es auf die frühe Uhrzeit schoben – findet sich in ganz Cuenca (drittgrößte Stadt Ecuadors) kein einziges Lokal, in dem es Kaffee gibt. Mit der Tatsache, dass es sowieso nur Nescafé wäre, haben wir uns schon lange abgefunden, aber gar keinen Kaffee in dem Land, in dem sehr viel Kaffee angebaut wird, ist doch zu stark. Schließlich kriegen wir stattdessen Maracujá-Saft, bei dem dann der Automat zwischenzeitlich versagt und der zehnjährige „Ober“ mit den Worten „Quieren más jugo“ eine Repa­ratur einleitet.

Heute wollen wir in den Nationalpark „Las Lajas„, für dessen Betreten man eine Erlaubnis vom Landwirtschaftsministerium braucht, die wir tatsächlich recht schnell bekommen. Dafür gibt es am Busbahnhof ewig Probleme, weil keiner den Park „Las Lajas“ kennt und uns alle zu der Wallfahrts­kirche Las Lajas bei Ipiales in Süd-Kolumbien schicken wollen (s. Teil 2). Schließlich stellt sich heraus, dass es „Las Lalas“ heißt und im SAH falsch geschrieben ist! Das soll man ahnen. Der Bus fährt aber nicht am Busbahnhof, sondern am Plaza Santander ab. Den kennen wir aber nicht, also per Taxi dorthin. Nein, ein Bus führe nur morgens um 7°°. Also, ist das wieder nichts. Unser neues Ziel aus dem SAH lautet Gualaceo, das ein sehr schöner Ort sein soll. Per Bus kommen wir in einer Stunde nach GUALACEO, das aber leider nichts Tolles bietet. Auf dem Markt­platz sind ein paar Stände, an denen ganze gebratene Säue liegen. Die Indiofrauen verkaufen Stücke davon, und man bekommt dazu gebratene Kartoffelklöße und Salat. Das empfiehlt zwar kein „Hygieniker“, schmeckt aber hervorragend, insbesondere, da die Indios und man selbst alles von Hand erledigt (besteck­frei).

Marktstand  in Gualaceo

Da sonst nichts los ist, fahren wir per Transporter weiter nach CHARDELEG. Den Tipp, wie das funktioniert, geben uns drei hübsche Kolumbianerinnen, die im Urlaub hier sind, aber leider viel zu schnell wieder verschwinden. In Chardeleg gibt es diverse kunsthandwerkliche Geschäfte (Gold, Silberschmuck, Puppen, Webereien, Pullover etc.). Umwerfend interessiert uns das aber auch nicht. So fahren wir bald nach Cuenca zurück, wohin wir sogar einen durchgehenden Bus bekommen. Unterwegs kriege ich – schon das zweite Mal in diesem Urlaub – fürchterliche Kopf­schmerzen (Höhe, Gerüttel, oder was?). So lege ich mich in Cuenca gleich hin. Sehr förderlich ist dabei auch das furcht­bare Geschrei der vielen kleinen Mädchen – aber dafür ist unser Hotel ja sehr preiswert. Glücklicherweise sind die Kopfschmer­zen am nächsten Tag weg!

Kunsthandwerk in Chardeleg

 

Mittwoch, 21.03. Heute müssen wir bereits um ½ 6 Uhr aufste­hen, da wir um ½ 7 Uhr per Bus nach Macas fahren wollen. Diese Stadt liegt im „Oriente“ (bereits fast Dschungel) und genau diesen wollen wir besuchen – hoffentlich klappt unser zweiter Versuch, zum Dschungel vorzudringen! Die 10-stündge Busfahrt von ca. 220 km führt uns ganz über die Anden und auf der Ostseite wieder herunter und dabei ausschließlich über nicht asphaltierte Straßen! Wir sind gespannt, was uns erwartet.

Zuerst fahren wir die uns bereits bekannte Strecke bis Gualaceo und dann geht’s ewig bergauf auf der sehr schlechten, schmalen Straße. Links direkt neben dem Bus geht der Abhang teilweise wieder steilst herunter bis zu einem schäumenden Bach. Dann kommen wir durch ein riesiges Hochtal und erreichen dabei die Wolkendecke, so dass uns dann Nebel und Nieselregen umgeben. Auf der Höhe – schätzungsweise 3.500 müM hoch – ange­kommen, halten wir an einer Heiligenfigur an. Hier schmeißt der boy das zuvor von den Passagieren dafür gesammelte Geld als Spende in einen Schlitz. Ich habe auch etwas gegeben, denn man weiß ja nie…

Über ewige Kurven, Serpentinen, Steigungen und Gefälle geht es dann wackelnd und hubbelnd immer weiter. Ständig steigen Leute ein und aus, von denen man sich fragt, wo sie wohl wohnen. Ab und zu kommen wir auch an einsamen Hütten vorbei, vor denen einige Er­wachsene und viele Kinder stehen und gucken. Die Mehrzahl sind Indios. Sie leben wohl hauptsächlich vom Mais­anbau und einigen im Gehölz weidenden Kühen. Nach 5 Stunden kommen wir in LIMÓN an, der ersten kleineren Stadt, wo wir in einem einfachen Lokal zu Mittag essen (almuerzo: Suppe, Reis, Bohnen, Huhn). Dann geht’s weiter. Wir kommen tiefer, es wird wärmer, aber auch feuchter. Das Dickicht am Straßen­rand wird gleichzeitig immer dichter und üppiger. Hier wach­sen riesige Farne, große Bäume, hohes schilf­ähnliches Gras, aber auch einige bunte Blumen und dazwischen sogar wilde Orchideen.

 

Schaffen wir es in Macas, in den Urwald zu kommen?

Wir kommen noch durch einige Dörfer und auch zwischen diesen stehen jetzt recht viele, armselige Holzhütten am Straßenrand. Meistens sind sie auf hohe Stützen gebaut, so daß die Menschen nur in der 1. Etage wohnen (Tiere, Wasser?). Aber beneidens­wert sind sie bestimmt nicht, denn die Feuchtigkeit, der Dreck und die Armut sind doch erheblich. Durch SUGUA fahrend, kom­men wir immer weiter an den Rand der Kordilleren und schließ­­lich nachmittags um ½ 5 Uhr – nach 10-stündiger Fahrt – erreichen wir MACAS, die letzte per Bus erreichbare Stadt vor der Selva (Urwald). Dieses ist nun also unser Ziel. Die kleine Stadt macht eigentlich einen ziemlich sauberen Eindruck, es ist sogar viel gepflastert bzw. wird gepflastert und neben den zweistöckigen, einzelnen Holzhäusern gibt es einige moderne Betonhäuser mit mehreren Etagen. Es ist nicht sehr warm (höchstens 20°C), aber die Feuchtigkeit ist ganz erheblich und liegt wohl nicht viel unter 100%.

Wir finden recht schnell ein Hotel (es gibt hier nämlich zwei), wo wir für 120 Sucres je Person ein feuchtes, muffiges, sauberes, kleines Zimmer bekommen. Der sehr redselige Wirt zeigt uns vom Balkon aus gleich den Vulkan Sangay (5.230 m), der einzige, noch ständig aktive Vulkan, der auch gleich – wie zu unserer Begrüßung – eine kräftige Rauch­wolke ausbläst. So etwas habe ich noch nie gesehen! Über den grünen Wäldern sieht der schnee­bedeckte, rauchende Berg wirklich toll aus. Da Macas aber ja noch nicht richtig im Dschungel liegt, und wir noch weiter möchten, gehen wir gleich zum nahen Flughafen, denn alle wei­teren Transporte gehen ab hier per Flugzeug, und alle Orte haben einen „Flug­platz“ (Graspiste). Aber leider ist um die Zeit das Büro (Baracke) nicht mehr besetzt, so dass wir unverrichteter Dinge wieder abziehen müssen. Dafür gehen wir in einen am „Stadtrand“ gelegenen, schönen Park, von wo aus wir einen tollen Blick über das nahe Flusstal des Rio Upano und eine darüber führende Hängebrücke haben. Diese wird gerade (sehr langsam) von einem Mini-Bus überfahren. Geht es per Auto etwa doch noch weiter?

Hängebrücke über den Rio Upano in Macas

Von hier oben sieht doch alles schon recht urwaldmäßig aus, zumal die Wolken immer tiefer kommen und die Bäume und alles andere zu tropfen anfangen. Die Feuchtigkeit ist wirklich un­glaubl­ich. In dem Park treffen wir noch einen Studenten, der sehr gut Englisch spricht und uns erzählt, wir könnten für ca. 1500 Sucres (15 US-$) zusammen bis nach Macuma in den Urwald fliegen. Wäre ja wirklich toll und preis­wert. Hoffentlich klappt’s.

Nach dem Abendessen (wie immer Fleisch, Reis aber heute mit Linsen) schreibe ich noch und dann schlafen wir in unserer feuchten Kammer, deren Bettwäsche wir offen­sichtlich nicht als erste benutzen (wie in Marokko).

 

Donnerstag, 22.03. Als ich morgens um ½ 6 Uhr aufwache, ist die Stadt völlig eingenebelt, und man sieht nicht die andere Straßenseite. Als wir um ½ 8 Uhr aufstehen, ist es schon etwas besser, aber die Wolken hängen noch tief. Unser Frühstück besteht heute aus Reis mit Fleisch, was uns ungefragt serviert wird. Also gibt es dieses Essen heute wohl nicht nur zweimal, sondern dreimal am Tag. Am Flughafen heißt es dann, wir könnten nach Pastaza fliegen. Das ist aber bei Puyo, und wir kennen es schon. Ansonsten gäbe es noch oft Flüge nach Taisha, wobei ein Flug 10.000 Sucres (100 US-$) koste, den sich die max. 8 Passagiere zu teilen hätten. Allerdings sei zurzeit das Wetter zu schlecht, um zu starten und der erste Flug auch bereits voll.

So fahren wir in einem Pick-up für je 15 Sucres die kaum noch als Weg zu bezeichnende Strecke runter zum Fluß und dann über die schmale Hängebrücke bis nach SEVILLA, einer Ansiedlung auf der anderen Seite des Flusses. Außer un­heimlich vielen Kindern, diversen Schulen und einigen Holzhäusern gibt es hier nichts. Offensichtlich werden hierher die Kinder aus der Umgebung geholt, um sie zu unterrichten. Bei bedecktem Himmel, relativer Kühle und hoher Feuchtigkeit marschieren wir die „Straße“ zurück bis zur Brücke und beob­achten dort die Bauarbeiten, die zwecks Konstruktion einer neuen, festen Brücke gemacht werden. Arbeitstempo und -methode sind wirklich be­achtens­wert: In einem tiefen Loch werden per Spitzhacke Steine und Sand gelöst und in eine Kiste mit vier langen Griffen geschaufelt. Diese wird dann von zwei Leuten auf schrä­gen Stegen bis nach oben getragen – während die ersten warten – und in den strömenden Fluß geschüttet. Etwas weiter wird uns erläutert, was es bedeutet, „im Trüben zu fischen“: In zwei großen, runden Löchern stehen je vier Leute bis zum Bauch im Dreckwasser und versuchen per Schippe, Steine zu lösen und ‘rauszuschaufeln. Das wird wohl noch eine Weile dauern, bis die Hängebrücke ersetzt werden kann. Es ist ja richtig, keine Maschinen, sondern Menschen einzusetzen, aber etwas mehr Cleverness wäre doch vonnöten – aber die Zeit spielt wohl keine große Rolle. Auf der Ladefläche eines vorbeikommen­den Jeeps fahren wir dann wieder zurück in die „Stadt“.

ecuadorianischer Brückenbau bei der Ortschaft Sevilla

Am Flughafen werden wir dann ziemlich enttäuscht, denn heute ginge kein Flug mehr nach Taisha und was morgen möglich sei, wisse er erst morgen! So ist auch unser zweiter Versuch, in den Dschungel zu kommen, schon fast wieder gescheitert. Schade!

Den Rest des Tages vertreiben wir uns in der Stadt: Markthalle, Geschäfte, Suche nach Friseur (für Jür­gen), Bohnen-Kohl-Suppe zu Mittag, wieder in den Park etc. Sehr lustig ist noch ein kleiner Junge, der zweiten Klasse, der uns das ecua­dorianische Wappen erklärt, das auf unserer Landkarte abgedruckt ist: „La bandera significa nuestra patria„, erklärt er uns im Brustton der Überzeugung. So einen nationalen Quatsch bringen sie hier also den Kleinen auch als erstes bei! Abends finden wir dann wenigstens ein Lokal, in dem es gegrilltes Fleisch und gebratenes Kartoffelmus gibt – endlich mal etwas Anderes!

 

Freitag, 23.03. Mit etwas Hektik kommen wir morgens zum Bus und um 7.30 Uhr starten wir zur 10stündigen Rückfahrt nach Cuenca. Obwohl die Strecke ja die gleiche ist, wie zwei Tage zuvor, ist es doch wieder interessant und wir können einige Fotos machen, obwohl es abartig wackelt und schuckelt. Aber die Wolken sind etwas höher und geben mehr Sicht frei. Ansonsten ereignet sich nichts Erregendes.

Kordilleren auf dem Rückweg nach Cuenca

Nach 10 Stunden kommen wir – Jürgen wieder etwas schwindelig – in Cuenca an. Da wir uns jetzt auskennen, nehmen wir ein Quartier, das näher am Busbahnhof liegt und schlafen in der „Residencial Tito„. Ich will Jürgen davon überzeugen, dass wir heute endlich einmal Meerschweinchen essen wollen, die hier ja überall am Straßenrand gegrillt werden. Aber leider weigert er sich strikt mitzumachen, so dass wir beim Chinesen landen, wo er sein geliebtes Chop Suey essen kann. Aber ich will partout noch Meerschweinchen essen – aber die gibt’s auch in Peru.

 

Infrastruktur-Herausforderungen vor Lojas

Sonnabend, 24.03. Ungefrühstückt – denn zur „nachtschlafenden“ Zeit von 8°° gibt’s natürlich wieder nichts – fahren wir in Richtung Loja los. Wir haben einen sehr guten Bus und sitzen gleich in der ersten Reihe hinter dem Fahrer: Supersicht und ausgestreckte Beine! Vom 2.500 m hohen Cuenca fahren wir noch eine ganze Strecke weiter hoch und kommen bald in eine hügelige Hochebene, wo nur noch Gras und Gebüsch wachsen, aber viele Rindviecher weiden. Noch höher kommend, gelangen wir bald ins Wolken- und Nebelgebiet (Höhe ca. 3½ tausend Meter).

Dann geht’s in vielen Kehren recht steil und ungepflastert (Schotter) wieder abwärts, über einen Bach und wieder ‚rauf… In einem kleinen Ort gibt es Mittag und ich bestelle zwei Essen, aber nur eine Suppe. Als ich pinkeln bin (sehr gemütlich: volles Klo, Spinnen, Fliegen, Mücken, kaum Wasser, kein Handtuch, aber immerhin), kommt die Bedienung natürlich mit zwei Suppen und Jürgen als alter Suppenkasper sagt: „Solo una sopa„. Die Folge ist, dass wir lediglich eine Suppe bekommen und sonst nichts. Ich kann es aber doch noch wieder­bestellen, aber dafür müssen wir unheimlich schnell essen, da der hektische Busfahrer schon wieder loswill.

Wir dringen über Schotterstrecken immer weiter vor, aber bald hört auch diese auf und wir landen auf Baustellengebiet, wo der Fahrer sich den Weg mehr oder weniger selbst suchen muss. Es kommen auch einige Pausen dabei zustande, denn wir müssen warten, bis die Bagger eine passable Gasse für uns geschoben haben. In einigen Jahren wird dann wohl auch hier eine gute Straße entlangführen, aber jetzt schaffen wir es an einigen Stellen nur gerade, ohne steckenzubleiben. Je weiter wir nach LOJA kommen, desto voller wird der Bus. Dass mir keine Indio-Mutti auf den Schoß gesetzt wird, ist auch das Einzige, was fehlt: Vorne eine Tasche stinkender Käse, neben mir fünf an den Füßen zusammengebundene Hühner, daneben ein Sack voll Hühner (lebendig!) und alle Leute scheinen meine Füße durch Drauftreten testen zu wollen.

Vor Loja müssen Bagger eine passierbare Gasse für uns freischieben

In Loja angekommen, finden wir noch gerade ein Hotel, bevor es anfängt zu regnen. Es regnet sich dann so richtig schön ein, und man kann sich nur durch das Springen über Pfützen und unter Dächern einigermaßen trocken halten. Wir kriegen wirklich ein Super-Essen: Kotelett (!) mit Reis. Aber anschließend stehen wir da und wissen nicht recht, was tun. Samstagabend um 19 Uhr wollen wir auch noch nicht schlafen gehen und entscheiden uns dann spontan für einen Kinobesuch! An einem minikleinen Fenster (10 x 10 cm) kriegen wir unsere Tickets für je 30 Sucres und 5 Sucres Ausländerzuschlag für zwei Filme: „Rocky“ und ein Kung-Fu-Film. Im Kino ist jeder Platz besetzt und auf unseren gemütlichen Stühlen genießen wir die beiden englischsprachigen Filme mit spanischen Untertiteln. Ein sehr netter Abend!

 

Sonntag, 25.03. Schon um 7:00 Uhr geht unser Bus nach Macará, das direkt an der peruanischen Grenze liegt, los. Das Frühstück entfällt wieder ziemlich, da uns nur Huhn oder Fleisch mit Reis ange­boten werden, es aber natürlich kein Brot oder Kuchen gibt. Es regnet zwar nicht mehr, aber es ist noch ziemlich bewölkt. Zunächst geht es wieder hoch in die Berge und wir haben einen großartigen Blick auf den Nebel in den Tälern und die daraus hervor­ragenden Gipfel. Weiter unten in EL TAMBO gibt’s dann Kaffee und sogar etwas Brot.

wolkenverhangenes Andental vor El Tambo

Szene am Straßenrand

Viel Bier und wenig Abwechselung in Macará

Der Bus, den wir im Moment als sehr schlecht empfinden, von dem wir aber am nächsten Tag noch sehnsüchtig träumen werden, bringt uns immer weiter tiefer. Dabei wird es natürlich auch immer heißer, aber glücklicherweise nicht zu feucht. Nach 7 Stunden kommen wir dann in MACARÁ. an. Ein fürchterliches Grenzkaff mit nur zwei Hotels, unbefestigten, staubigen Straßen und ein paar Geschäften. Ein Geldwechsler schnappt sich uns gleich und führt uns zu einem der Hotels, wo wir recht sauber und preiswert in einem Gefängniszellen-ähnlichen Zimmer (kleine, vergitterte Fenster und 60 cm dicke Wände) übernachten können. Wir wechseln bei ihm noch 20 US-$ in peruanische Sole ein und erhalten dafür 40.000 Soles. Ein Riesenpacken! In dem Ort ist wirklich „tote Hose“. Wir machen einen heißen, staubigen Rundgang und sehen außer den einfachen Häusern und den teilweise durch offensicht­lich katastrophale Regengüsse sehr stark in Mitleidenschaft gezogene „Straßen“ – bis 1m tiefe, jetzt trockene Rinnsale – nichts.

Unser gefängniszellen-ähnliches Zimmer in Macará

Ein nachgeholtes Mittagessen besteht aus einem Hamburger in einem einfachen Lokal. Ich habe meinen DuMont von Südamerika dabei, wofür sich ein paar kleine Jungs interes­sieren. Schließ­lich erkläre ich zehn um mich herumsitzenden Jungen die Bilder und Karten des Buches über Ecuador und Peru. Die Unter­schiede in der Auffassungsgabe der einzelnen ist ganz erheblich: Während einige Ecuador sofort auf der Karte finden, wissen andere über­haupt nicht, wo oben und unten ist. Übrigens ist der Machu Picchu hier auch bei den Ben­geln ein Begriff. Das Interesse an dem Buch erlahmt dann spontan, als gegenüber ein jun­ger Mann gratis Heftchen verteilt. Eine Sensation. In diese Heftchen kann man Bildchen einkleben, die es in einem Geschäft für 1 Sucre je zwei Stück zu kaufen gibt. Später kommen wir mit dem Verteiler ins Gespräch, und er erzählt uns, dass er die Rechte an den Bildern aufgekauft habe, sie drucken ließe und jetzt in ganz Ecuador verkaufe. Danach wolle er auch in Kolumbien und Peru weitermachen. So lockt man den Leuten das Geld aus der Tasche – wie Panini es in Europa auch macht.

In Zentrum von Macará

Vor lauter Langeweile entschließen wir uns dann zum Biertrinken. In dem sehr ein­fachen Lokal kommen wir bald mit dem schon halb­ besoffenen Wirt ins Gespräch und es kommen noch ein paar Leute mehr dazu. So werden wir heute Zeugen des hier üblichen exzessiven Trinkens – nach dem Motto: Halbbesoffen ist ‚rausgeschmissenes Geld. Während unsere einheimischen Freunde hauptsächlich den aus Zuckerrohr hergestellten „Cantaclaro“ (kein Rum) trinken, halten wir uns ans Bier, das besser und bekömmlicher ist. Trotz unseres Protestes dürfen wir aber fast nichts bezahlen, sondern kriegen alles ausge- geben. Trotz erheblichen Hungers entfällt unser Abendessen, und wir verleben einen lustigen Abend. Glück­licherweise ist auch einer dabei, der ganz gut englisch spricht, mit dem Jürgen sich unterhält. Natürlich müssen wir auch Fotos machen und hoch und heilig versprechen, sie auch zu schicken. Da der Schnaps in der Kneipe dann zu Ende geht, ziehen wir zu einem der Mittrinker um und sitzen vor dem Haus unter der üblichen Überdachung.

Zur Gitarre wird uns dann kräftig vorgesungen (wirklich gut) und schließlich auch Kokain angeboten. Aber nur, wenn wir wollten. Das interessiert uns natürlich. Für 200 Sucres will einer etwas besorgen. Aus Mangel an Kleingeld gebe ich ihm 500 Sucres und er besorgt das weiße Pulver. Ziemlich umständlich stehen bzw. sitzen Jürgen, ich und noch zwei auf dem Klo, wo das Zeug in Zigaretten-Tabak gemischt von uns geraucht wird. Ist ja wieder toll spannend, aber ich merke natürlich nichts von der Wirkung. Aber das war ja schon immer so bei mir. Wer weiß, vielleicht war’s auch gar nichts! Jedenfalls verbringen wir noch singend und unterhaltend eine nette Zeit bis 2°° und gehen dann unter den Über­dachungen, die hier jedes Haus hat (zurückgesetztes Erdgeschoß), hindurch und so vor dem starken Regen geschützt, zurück zum Hotel.

Hier verbringen wir die letzte Nacht in Ecuador, denn morgen soll es über die Grenze nach Peru gehen – glücklicherweise ahnen wir noch nicht, wie es dort weitergehen wird (und ob überhaupt?). Das und vieles mehr, wird dem Teil 4 meines Berichtes zu entnehmen sein.

 

Reiseberichte aus meinem Tagebuch Südamerika

 

 

 

 
 

Vintage

Was ist Vintage?
"In der Mode versteht man unter Vintage ein Kleidungsstück aus einer älteren Kollektion eines Designers".
So sagt es Wikipedia in seiner Erklärung  ( https://goo.gl/7Nmyhz ). Ich habe den Begriff Vintage als Kategorienamen gewählt, um alle Reiseberichte zusammenzufassen, die schon etwas älter sind. "Oldies but Goodies" ist ein anderer Ausdruck, den man hier verwenden könnte. Auf jeden Fall stehen hier nicht die allerschönsten Bilder aus modernen Digitalkameras im Hintergrund, sondern eher besondere Erlebnisse. Und die Fotos sind eingescannt vom Dia oder sogar Papierbild. In diesem Zusammenhang könnte man sogar den Begriff "Shabby Chic" verwenden, den Wikipedia auch in seinem Artikel aufführt. Authentische Bilder aus der Vergangenheit haben ihren eigenen Reiz. Ist es doch so, dass die Generation Smartphone ihre qualitativ hochwertigen Handy-Fotos mit einem Filter auf Instagram hochlädt, der diesen Fotos ein oft vergammeltes Image mitgibt. Bei den Fotos der Vintage-Reihe braucht es das nicht. Die Fotos SIND schon alt und "wurmstichig" - wenn auch aus Gründen der Ästhetik die vielen kleinen Punkte und Fussel, die beim Einscannen noch zu sehen sind, mühsam in der Bildbearbeitung entfernt werden.

 

 

Titelbild: Über den Dächern von Quito, Ecuador. Foto von: Mauricio Muñoz

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