Südamerika 1986: Backpacking in Peru [Vintage]

Translation with Google
Olaf Remmers 1986 in Peru - Titelbild
  
Infobox
Autor:Olaf Remmers
Reisezeit:Mai/Juni 1986 für den Teil „Peru“
Art der Reise:Selbstfinanzierte Rucksackreise
Lesezeit: 20 Minuten
  

Tagebuch meiner 2. Südamerika-Reise: Perú, Bolivien, Argentinien, Paraguay, Brasilien, Uruguay

17. Mai bis 28. August 1986

Anmerkung: Nach meiner ersten Südamerikareise 1984 durch die Andenländer und dem anschließenden Eintritt ins Berufsleben war meine Reiselust noch lange nicht gestillt. Nach zwei Jahren Berufstätigkeit nutzte ich einen Arbeitgeberwechsel zu einer 2. dreimonatigen Südamerikareise, auf deren zweiter Hälfte in Brasilien und Argentinien mich meine Freundin, die inzwischen seit über 35 Jahren meine Ehefrau ist, begleitete.

Der Text meines Tagebuchs von 1986 wurde fast unverändert übernommen. Die Rechtschreibung wurde angepasst und auf die Umrechnung in DM (Deutsche Mark, die Älteren werden sich erinnern) wurde verzichtet. Die damals gültigen Landeswährungen wurden beibehalten.

Informationen aus dem Internet gab es damals natürlich noch nicht, geschweige denn Verbindungen zu Freunden oder Familie über What’s App oder ähnliches. Die beste Verbindung waren postlagernde Briefe (wer kennt das noch?) oder in Notfällen extrem teure Telefonate. Ich war also drei Monate lang auf mich allein gestellt! Mein handgeschriebenes Tagebuch war das einzige Lebenszeichen, das ich regelmäßig per Post nach Hause schickte. Meine Mutter hat es sofort mit der Schreibmaschine abgeschrieben, um die Schwierigkeiten meiner Handschrift auszugleichen. Nach Jahrzehnten in einem Leitzordner im Keller konnte ich das wiederentdeckte Tagebuch nun problemlos in WORD einscannen und als TXT-Datei dem ReiseFreak’s ReiseMagazin und ReiseBlog zur Verfügung stellen, inklusive 40 Jahre alter Dias, die trotz teilweise zweifelhafter Qualität in digitalisierter Form Eingang fanden.

 

 

 

 

 

Start in mein zweites Südamerika-Abenteuer

Teil 1: Wiedersehen mit Perú und der Hauptstadt Lima

Ich habe einen Flug mit Canadian-Pacific von Amsterdam über Toronto nach Lima in Peru gebucht. In TORONTO lege ich einen zehntägigen Zwischenstopp ein, um einen ehemaligen Studienkollegen zu besuchen und die Highlights der Bundesstaaten Ontario und Québec wie Toronto, Niagara-Falls und Montreal kennenzulernen.

Nach einer wunderschönen Zeit im frühlingshaften Kanada geht es vom Toronto Pearson Airport in Richtung Lima. Zunächst hat man einen tollen Blick auf das hell erleuchtete Toronto und den angrenzenden Lake Ontario. Doch dann gibt es nichts mehr zu sehen. Nach einem (weiteren) Abendessen und ausreichend Wein (zum Schlafen) penne ich mehr oder weniger gut und als wir um 6:00 (kanadischer Zeit) zum Frühstück geweckt werden, habe ich Mordskopfschmerzen – so ein Mist. Um 6:45 Ortszeit (7:45 in Kanada, 13:45 in Deutschland) landen wir in Lima/Perú.

PERÚ

Flagge von Perú

Dienstag, 27.5. LIMA empfängt uns am Morgen mit einem Wetter wie Hamburg im November: diesig-neblig, Nieselregen, aber fast 20°C warm. Formalitäten, Gepäck etc. sind schnell erledigt und schon eine knappe Stunde später sitze ich in einem normalen Stadtbus, der mich für 1.600 Soles statt 85.000 Soles (das verlangen die Flughafentaxis) ins Zentrum bringt. Auf meinem Sitz im immer voller werdenden Bus umklammere ich meinen Rucksack, meine Handtasche mit der Kamera und fummle ab und zu an meinen verschiedenen Bargelddepots herum [Kreditkarten waren 1986 noch eine Rarität, die ich nicht besaß], aber alles geht gut und nach fast einer Stunde Fahrt durch eher ärmliche Gegenden Limas komme ich am Plaza 2 de Mayo an. Zuvor hatte ich übrigens noch am Flughafen Geld gewechselt und für 1 US-$ 17.000 Soles bekommen. Seit Februar gibt es hier eine neue Währungseinheit, die Inti heißt: 1000 Soles = 1 Inti, also 1 US-$ = 17 Inti. Allerdings gelten die Scheine immer noch nebeneinander, so dass z.B. ein 50.000er nur halb so viel wert ist wie ein 100er! Aufpassen lohnt sich also.

Da ich mich zum Glück in Lima auskenne und nicht so im Dunkeln tappen muss, wie vor zwei Jahren bei meiner Ankunft in Caracas, laufe ich die Avenida Comena hinunter zur Plaza San Martín. Ich will nicht wieder das selbe Hotel nehmen wie vor zwei Jahren, also klappere ich mit Hilfe meines Reiseführers bei immer noch feuchtem, aber nicht mehr nieseligem Wetter verschiedene Hotels ab, die aber jetzt um 9 Uhr morgens alle noch belegt sind. Dann gehe ich in die schöne alte Kneipe gegenüber vom Bahnhof und frühstücke. Danach bekomme ich auch ein Zimmer im sehr einfachen Hotel „Europa„, das mitten im Zentrum liegt. Dort lege ich mich erst einmal hin, denn im Flugzeug habe ich nicht so gut geschlafen.

Um die Mittagszeit mache ich mich auf den Weg, um Lima ein wenig wiederzuentdecken. Das Wetter ist jetzt gut: trocken, sonnig, warm (25°C). Ich habe vor, am Sonnabend oder Sonntag weiterzufahren, um mich in diesen ersten drei bis vier Tagen hier etwas einzugewöhnen, denn meine erste Reise soll gleich nach Arequipa gehen, das sind über 1000 km. Ich mache also eigentlich nichts Aufregendes: Schaue wie ein Rentner dem Treiben auf der Plaza San Martín zu, besuche noch einmal die Kathedrale mit Pizarros (angeblichem) Leichnam und lasse einfach alles auf mich wirken.

Mittwoch, 28.5. Morgens schlafe ich erst einmal in meinem „tollen“ Hotel (kostet 1 U$ pro Nacht) aus und genieße ein paar weitere Kapitel im „Namen der Rose“ – sehr gut. Nach dem Frühstück und dem Schreiben diverser Briefe gehe ich zur Post, muss aber enttäuscht feststellen, dass nichts für mich angekommen ist. Anschließend nehme ich den Bus von der Avenida Brasil hinunter nach Pueblo libre, einem sehr ordentlichen Stadtteil, in dem offenbar die Mittelschicht wohnt.  Hier will ich ins „Museo de Antropología„, gerate aber zuerst ins daneben liegende „Museo Nacional„, wo man wieder von Bolívar und seinem Befreiungskampf in allen Variationen erschlagen wird. Dann im richtigen „Museo de Antropología“ gelandet, ist es wieder sehr interessant, einen Überblick über die verschiedenen präkolumbischen Kulturen Perus zu bekommen. Und langsam dämmert mir wieder, was ich alles schon vor zwei Jahren wusste. Aber ich will hier nicht weiter ins Detail gehen.

Am Nachmittag wieder im Centro, schaue ich erst einmal, wo ich am günstigsten Geld wechseln kann, denn die Unterschiede sind beträchtlich. Auf diese Weise werde ich in wenigen Minuten zum Millionär, denn ich erhalte 1,7 Millionen Soles (die meisten rechnen – wie ich – noch in Soles, weil das einfacher ist). Als ich später auf der Plaza de Armas stehe, spricht mich einer meiner Freunde – der Amerikaner – an und erzählt mir alles Mögliche über gestohlenes Geld und sein Hotel außerhalb, wo er noch Schecks hat etc. etc. Schließlich kann ich nicht anders, als ihm 50.000 Soles (3 U$) zu leihen, die er mir am Freitagmorgen vor der Kathedrale zurückgeben will. Das ist sicher nicht klug von mir, aber wenn ich nichts gegeben hätte, hätte ich mir vielleicht die ganze Zeit Vorwürfe gemacht, denn so etwas kann wirklich passieren. Vielleicht kommt er tatsächlich am Freitag… Dann kaufe ich mir ein Boleto für 42.000 Soles (2,70 U$), um noch einmal mit dem Zug nach La Oroya (auf 4.700 müM) hinauf zu fahren, was ich vor zwei Jahren schon einmal mit Jürgen gemacht habe, aber damals hatte ich keinen Film mehr. (Gerade ist im Fernsehen das WM-Mexiko-Spiel Uruguay – BRD 1:1 zu Ende gegangen, das mich die ganze Zeit beim Schreiben abgelenkt hatte.)

Nachdem ich nun schon 1½ Tage allein durch Lima gelaufen bin, bin ich nicht unglücklich, als mich abends ein Student des Goethe-Instituts auf Deutsch anspricht, ob ich Deutscher sei. So kommen Miguel und ich ins Gespräch – er spricht nicht schlecht Deutsch – und fahren auf seinen Vorschlag hin nach Barranco, einem besseren Stadtteil Limas, direkt am Pazifik gelegen. Zweifellos ein schöneres Viertel als das Centro, aber historisch unbedeutend. Wir unterhalten uns – halb Spanisch, halb Deutsch und teilweise Englisch, das er fast perfekt beherrscht – über Politik, Wirtschaft, Studium etc. etc. Das ist weniger langweilig als alleine zu essen. Danach fahre ich mit dem Colectivo zurück ins Centro, nachdem wir uns für Freitag verabredet haben.

Mit dem Zug in 4½ Stunden von Meereshöhe auf über 4700 m!

Donnerstag, 29.5. Um 7.20 Uhr muss ich am Bahnhof sein, der nur 5 Minuten von meinem Hotel entfernt ist – da gibt es natürlich noch kein Frühstück. Pünktlich um 7.40 Uhr fährt der Zug ab. Ich sitze im 1. Klasse-Abteil zusammen mit drei netten Leuten, die sogar auf meine Sachen aufpassen, während ich im Zug herumspringe. Die ganze Fahrt möchte ich hier nicht beschreiben, denn das steht alles schon in Südamerika 1. Gegen 13.00 Uhr erreichen wir die maximale Höhe von 4.781 m und dann geht es auf etwa gleicher Höhe weiter bis zum Bergbaugebiet LA OROYA. Im Gegensatz zu meinem letzten Aufenthalt in dieser Höhe spüre ich diesmal etwas von der dünnen Luft: ein leichtes Schwindelgefühl.

Bei der Abfahrt in Lima wird uns umfangreiche Verpflegung angeboten [Bild REM]

Züge mit Material aus dem Bergbaugebiet „La Oroya“ begegnen uns immer wieder [Bild REM]

Der Autor bei einem Halt [Bild REM]

Station Galera – der höchste „Bahnhof“ der Welt auf 4.781 müM [Bild REM]

Nachdem ich oben gegessen habe (Hühnersuppe mit Krallen drin!), fahre ich mit dem Bus zurück nach Lima, friere und habe Kopfschmerzen. So ein Mist! Hoffentlich ist es nicht die Höhe, denn in Bolivien ist es fast überall so hoch! Die Brücke, die letztes Jahr auf dem Rückweg von La Oroya fehlte, ist zum Glück wieder provisorisch errichtet, so dass wir in 4 Stunden unten sind. Im Hotel gehe ich sofort ins Bett.

Freitag, 30.5. Am Morgen geht es mir zum Glück wieder tiptop und ich hoffe, dass das jetzt so bleibt! Auf der Post ist leider wieder nichts für mich angekommen. Später will ich den Ami wegen der 50.000 Soles treffen, aber der kommt natürlich nicht – wer hätte das gedacht?!? Aber den Verlust der 3 U$ kann ich wohl verkraften. Ansonsten verbringe ich den Tag damit, Karten und Briefe zu schreiben und nichts weiter zu unternehmen, denn schließlich bin ich froh, dass ich meine Kopfschmerzen gerade los bin.

Lima hatte bei meinem Besuch 1986 rund 4 Mio Einwohner (heute mehr als 10 Mio!)

Um 18:00 Uhr treffe ich mich wieder mit Miguel, so dass ich viel über Perú erfahre. Ich lade ihn zum Essen ein und wir gehen in ein Restaurant, in dem es „parilla“ (Grill) gibt, das aber in einer Ecke liegt, die ich sonst nie gefunden hätte. Wir essen und unterhalten uns gut. Eigentlich wollte ich am Sonnabend nach Arequipa weiterfahren, aber da Miguel am Sonnabend frei hat, bleibe ich noch einen Tag und will erst am Sonntag weiterfahren.

Das erzbischöfliche Palais am Plaza de Armas in Lima [Bild REM]

Der Straßenverkehr im Zentrum wird von Bussen dominiert [Bild REM]

Einer der zahlreichen Märkte in Lima [Bild REM]

Sonnabend, 31.5. Morgens treffe ich mich mit Miguel zum Frühstück, danach besorgt er mir ein günstiges Busticket von Lima nach Arequipa, so dass ich die 50.000, die mich der blöde Ami gekostet hat, wieder einspare. Danach gehen wir zusammen in das nahegelegene „Museo del Arte Nacional„, wo er mir eine hervorragende Führung gibt, zuerst über die Kolonialzeit (Kirchenbilder etc.) und dann auch über die präkolumbianische Kunst, was mir einiges erklärt. Nach zwei Stunden im Museum schlägt er vor, mit dem Stadtbus in die Nähe von Chosica zu fahren, wo es einen Ferienpark gibt. Da ich nicht so recht weiß, was das sein soll, bin ich sofort dabei. Ewig lange fahren wir mit dem Bus aus Lima heraus in Richtung Anden. Nach über einer Stunde kommen wir endlich an und betreten einen abgeschlossenen Park mit Restaurants, Ferienhäusern, Reitanlagen, Swimmingpools, Tennisplätzen usw. usw., in dem die von Smog und Dreck geplagten Mittelklasse-Limaner ihr Wochenende verbringen können. Nicht schlecht, wenn man bedenkt, wie dreckig Lima ist. Wir essen hier, gehen spazieren und fahren zurück.

Am Abend schlägt Miguel vor, wir könnten ins Theater gehen. Wann habe ich in Perú schon mal die Chance, ins Theater zu gehen – also gesagt, getan. Wir gehen in irgendeine amerikanische Show mit Tanz und Musik, die aber nicht so toll ist. Dafür zieht es während der ganzen Vorstellung fürchterlich, woran ich noch lange denken werde. Danach trinken wir noch eine Sangría in einer Pizzeria und verabschieden uns, denn am Sonntag will ich tatsächlich weiterfahren.

Fahrt nach Arequipa – der weißen Stadt – entlang des Pazifiks und durch die Anden

Sonntag, 1.6. Als ich morgens aufwache, habe ich leichte Halsschmerzen, aber ich messe dem keine Bedeutung bei. Heute ist es zum ersten Mal seit meiner Ankunft wieder nebelig und es nieselt. Zum Glück will ich weiter. Um 10.30 Uhr soll mein Bus nach Arequipa fahren, eine halbe Stunde vorher muss ich am Busbahnhof (Ormeño) sein. Dort warte ich in der Menge stehend (die Sitzplätze sind alle von Fernsehzuschauern besetzt, denn die Fußball-WM in México hat begonnen; außerdem muss ich noch lange genug im Bus sitzen) bis 12:00, als mein Bus endlich abfährt. Er ist ausgebucht, aber ich habe mir schlauerweise einen Platz reserviert (man kann beim Ticketkauf immer angeben, wo man sitzen möchte). Ich habe mir in der ersten Reihe den Platz hinter dem Fahrer ausgesucht, denn der Platz daneben ist immer für den zweiten Fahrer reserviert, der ihn aber kaum benutzt, sondern meistens unten im Gepäckraum schläft! So denke ich, dass ich zwei Sitzplätze zum Schlafen habe, denn die Fahrt dauert immerhin 18 Stunden!

Aber kaum sind wir aus Lima raus (dauert 1½ Stunden), steigt auch schon einer ein – neben vielen anderen, die schon alle stehen müssen – der den Platz neben mir zugewiesen bekommt. So ein Mist! Und auch noch so ein Dicker! Zum Glück fährt er nur bis Pisco mit, wo wir schon nach 3 Stunden ankommen. Auf der anderen Seite des Ganges sitzen neben mir zwei solche Super-Gringos, die mir schon am Busbahnhof negativ aufgefallen sind: Die müssen hier in dem engen Bus wirklich eine Zigarette nach der anderen rauchen: Ekelhaft! Und die Einheimischen rauchen hier wirklich wenig (weil die Zigaretten teuer sind). Dafür sitzt hinter mir ein Ehepaar mit 2 Jungs (2½ und 3½ Jahre alt), die die Eltern jetzt schon nicht mehr unter Kontrolle haben – wie soll das erst nachts werden? Soweit in aller Kürze zu meinem unmittelbaren Umfeld.

Übrigens sind meine Halsschmerzen schlimmer geworden und ich habe auch Schnupfen, was insofern fatal ist, als das Zusammentreffen der beiden Umstände „Nase zu“ und „im Bus schlafen“ mich in Rage versetzen kann. Bin ich wirklich empfindlicher geworden? Früher hat mich das alles überhaupt nicht berührt.

Jedenfalls geht die Fahrt so weiter und wir kommen gut voran. Landschaft: wie immer, also riesige Sanddünen bis an die Straße, dann Strand, dann Pazifik. So sieht es den größten Teil der Strecke aus. Nach Pisco und Ica machen wir um 20 Uhr eine Pause und man kann essen. Wegen meiner Halsschmerzen trinke ich extra heißen Kaffee dazu. Wieder im Bus friere ich wie d’Sau. Alles nicht optimal! Langsam vergeht Stunde um Stunde, aber so richtig schlafen kann ich nicht: Kamera umklammert, Nase zu, kalt, kein Platz für die Füße – dabei war ich doch immer ein Bus-Schlaf-Spezialist! Plötzlich rumpelt es auf dem halbfreien Platz neben mir, und der Vater von hinten mit dem Kind auf dem Arm lässt sich in den Sitz fallen. Ich kann wirklich nichts sagen: Ich habe alleine 2 Plätze und die zu viert genauso viele – eine um 300% höhere Belegung: Also begnüge ich mich vorerst mit einem Platz, wie alle anderen auch. Über Nazca geht es weiter die Küstenstraße hinunter, wo wir mitten in der Nacht von einem anderen liegengebliebenen Bus ein paar Passagiere übernehmen, die natürlich erneut bezahlen müssen. Es ist übrigens das erste Mal in meinem Leben, dass ich in dem helfenden und nicht in dem kaputten Bus sitze (siehe Ägypten, Kolumbien etc.).

Dann geht es steil bergauf, denn Arequipa liegt auf 2.300 m Höhe. Gerade als es hell wird, halten wir an einer Tankstelle, aber irgendwie scheint es dort nicht richtig zu funktionieren. Schließlich steigen alle aus und gehen frühstücken. Trotz meiner Schlappheit und was weiß ich, schaue ich mir erst einmal ihre Tankprobleme an, werde aber auch nicht ganz schlau daraus: Irgendwie saugen die immer irgendwas (mit Schlauch und Mund) aus dem Bustank in ein Fass und machen da ‚rum. Vielleicht haben sie Benzin oder Öl statt Diesel in den Bus getankt? Ich weiß es nicht und habe auch keine Lust zu fragen. Wenigstens trinke ich einen Kaffee. Nach zwei Stunden geht es weiter und weitere zwei Stunden später kommen wir nach 20 Stunden und 1020 km in Arequipa an.

Die berühmte Kathedrale von Arequipa am Plaza de Armas [Bild REM]

Montag, 2.6. Ich bin froh, als wir dort ankommen, denn ich bin wirklich müde und erschöpft und habe Kopfschmerzen – weiß der Teufel, woher das wieder kommt. Mit meinem Rucksack gehe ich zum Hotel Guzmán, das ich noch von 1984 kenne. Arequipa ist eine sehr alte Kolonialstadt mit engen Gassen. Diese werden von Hunderten von Bussen bevölkert und entsprechend verpestet. Selbst die neuen Scania- oder Daimler-Busse blasen den Dreck so ‚raus, dass man neben einem anfahrenden Bus – und irgendwo fährt immer an – keine Luft mehr bekommt. Das ist wirklich ekelhaft. So zusätzlich belastet, marschiere ich den recht weiten Weg zu meinem Hotel, wo ich auch gleich ein Bett für 25.000 Soles (1,50 US-$) bekomme. Ich teile mir das Zimmer mit einem Amerikaner und einem Neuseeländer, habe aber keine große Lust auf Gespräche und lege mich gleich hin. Später am Nachmittag geht es mir wieder besser und ich mache mich auf den Weg durch die mir bekannte Stadt.

Als wir vor zwei Jahren hier waren, hatten wir keine Zeit, den berühmten Cañon del Colca zu erkunden, der in der Nähe liegt. Das will ich jetzt nachholen. Also erkundige ich mich bei verschiedenen Reisebüros nach Möglichkeiten, dorthin zu kommen. In einem Büro buche ich schließlich eine 12-stündige Tour für 160.000 (ca. 10 US-$) – das werde ich noch bereuen! Aber so bin ich: Kaum kann ich wieder japsen, plane ich schon das Nächste!

Die Bergtour zum Cañon des Rio Colca wird zur großen Herausforderung

Dienstag, 3.6. Morgens lasse ich mich schon um 5.30 Uhr wecken, denn um 6.00 Uhr soll der Bus am Hotel sein. Leider gibt es einen sanitären Engpass, da noch zwei Mädchen mitfahren, die auch duschen wollen etc. Jedenfalls sind wir noch nicht fertig, als der Bus kommt. Aber hier ist man flexibel, so holt er erst noch andere Leute ab und kommt dann wieder. So fahren wir in einem kleinen Bus mit ca. 14 Leuten los, als es gerade hell wird und die ersten Sonnenstrahlen – gar nicht zart! – kommen. Auf einer steilen Straße fahren wir aus Arequipa heraus und auf den 5.821 m hohen Vulkan Misti zu, dessen Spitze schneebedeckt ist. Am Morgen hatte ich schon Halsschmerzen und jetzt kommen auch noch Kopfschmerzen dazu. Langsam geht die Straße in eine Schotterpiste über, Arequipa (400.000 Einwohner) wird immer kleiner und wir nähern uns langsam der Schneegrenze (auf ca. 5.000 müM) und zahlreichen Vulkanen. Die Landschaft hat „herbe“ Reize: Gras- und Kräuterbüschel bedecken das steinige Gelände, aus dem sich Berg- und Vulkangipfel erheben. Leider kann ich diese Schönheiten nicht so recht genießen, denn mein Kopf tut mir überall weh: Husten, Hals- und Kopfschmerzen – ich bin auch ein Idiot, mich heute hier anzumelden, wo es mir gestern schon nicht gut ging! Aber damit muss ich jetzt leben. Nach ca. 3 Stunden Fahrt erreichen wir ein Café auf 4.200 m Höhe, wo es Frühstück gibt. Ich habe überhaupt keine Lust mich zu unterhalten (Halsschmerzen), so dass die anderen sicher denken: Was ist denn das für ein Stoffel? Aber das ist mir völlig egal. Wäre ich nur nicht mitgefahren!

Der schneebedeckte Gipfel des Vulkans Misti bei Arequipa [Bild REM]

Dann geht es weiter und bald wieder hinauf auf einen 4.800 m hohen Pass. Beim Abstieg hat man einen herrlichen Blick auf Chivay, einer kleine Stadt auf 3.740 müM. Diese lebt fast ausschließlich von der Landwirtschaft, deren Anbauflächen präinkaische Terrassen sind, die seit über 1000 Jahren genutzt werden. Die Campesinos (Indios) bewirtschaften nicht nur die alten Terrassen, sondern auch die alten Methoden: Kein Traktor, kein Stahlpflug, keine Maschine stört das archaische Bild der sich über Hunderte von Höhenmetern erstreckenden Terrassen. Dafür gibt es schwarzbunte Kühe, Lama- und Alpakaherden und weiter oben haben wir schon viele wilde Vicuña-Herden gesehen. In vielem erinnert mich das Bild an die Osttürkei, obwohl es dort diese Terrassen nicht gibt.

Die uralten Terrassen der Inkas werden immer noch genutzt [Bild REM]

Wir fahren aber nicht nach Chivay hinein, sondern oben – immer auf etwa 3.500 m bleibend – am Rio Colca entlang. Seine Ufer gehen weiter oben in die Berge über und tragen überall Terrassen. Nachdem wir weitere 1½ Stunden am Rio Colca mit diversen Fotostops gefahren sind – ich bin schon zu müde zum Aussteigen – ist das Tal so eng geworden und der Fluss hat sich so tief in den Fels eingegraben, dass wir schließlich am Aussichtspunkt „Cruz del Condor„, dem tiefsten Cañon der Welt, halten. Hier hat man einen einmaligen Blick auf die enge Schlucht und den 1.500 m tiefer liegenden Rio Colca sowie auf die Berge, die von unserem Standpunkt aus noch 3.500 m höher aufragen. Wirklich toll! Aber mich interessieren im Moment ganz andere Dinge als schöne Ausblicke, so dass ich mich einfach auf einen Felsen hocke und dafür fahre ich soweit. Wir haben sogar das Glück, zwei Kondore beobachten zu können, die unglaublich hoch fliegen.

Der Rio Colca bildet den tiefsten Cañon der Welt [Bild REM]

Am Aussichtspunkt „Cruz del Condor“ oberhalb des Rio Colca [Bild REM]

Dann fahren wir zurück nach Chivay, baden in 37°C warmen Thermalquellen (ich nicht), essen in einem sehr ordentlichen Restaurant und müssen dann noch 4 ½ Stunden über Schotterpisten zurück nach Arequipa. Diese überlebe ich trotz Socken über den Hosenbeinen, Pullover und Skijacke nur frierend. Als ich um 22 Uhr im Hotel abgeliefert werde, falle ich sofort ins Bett und beschließe gleichzeitig, so lange in Arequipa zu bleiben, bis es mir wieder gut geht.

Eine starke Erkältung macht mir einige Tage zu schaffen

Mittwoch, 4.6. Am Morgen wache ich ohne Kopfschmerzen, aber mit Husten, Halsschmerzen und Schnupfen auf – die Erkältung, die ich mir eingefangen habe, scheint keine kleine zu sein. Heute passiert nicht viel, außer dass ich mich um meine diversen „Leiden“ kümmere. Ich kaufe Hustensaft (ekelhaft im Geschmack), Halstabletten und einen Schal. Denn irgendwie muss ich ja wieder gesund werden. Außerdem habe ich ewig Durst, aber keinen Hunger. Deutschland – Uruguay spielt 1 : 1 in Mexiko, worauf mich hier alle ansprechen, zum Glück habe ich es (zufällig) auch gesehen. Da es sowieso immer schon um 18 Uhr dunkel ist, gehe ich ½ Stunde später schlafen, angezogen mit dickem Pullover und Schal, sowie einem Depot von Säften und Tropfen neben mir. Diese Nacht wird zum Horror: Von mehr als 12 Stunden, die ich liege, schlafe ich keine 3 Stunden! In dieser Nacht beschließe ich, in ein besseres Hotel umzuziehen – koste es, was es wolle!

Donnerstag, 5.6. Mangels Appetit esse ich mein Frühstück nur halb auf, setze mich dann ein wenig in die Sonne auf der Plaza de Armas (Vorsicht mit der Sonne: wir sind hier 2.300 m hoch!), um zu lesen. Alles ziemlich lustlos und langweilig – so kann es nicht weitergehen! Dann suche ich ein anständiges Hotel mit einem Zimmer für mich allein, mit Waschbecken, Fenster etc. Das finde ich im Hostal Sta. Catalina, das ganz in der Nähe meines bisherigen Hotels liegt. Ich lege mich sofort hin und im Gegensatz zur letzten Nacht schlafe ich auch. Gegen 15 Uhr stehe ich auf, wasche meine Wäsche usw., denn das muss alles gemacht werden. Später muss ich noch Geld tauschen gehen, aber bald muss ich an jeder Ecke anhalten, so müde bin ich, ich weiß gar nicht, was mit mir los ist – so etwas hatte ich noch nie! In meinem Abendessen stochere ich auch nur herum und fühle mich nach einem halben Lomo (Steak) so satt wie zu Hause nach drei großen Tellern Kässpätzle! Das zweite Lomo verstecke ich verschämt unter dem Salat, den ich auch nicht esse. Um 19.00 Uhr gehe ich schon wieder ins Bett, bewaffnet mit Schal, Pullover, einer Rolle Klopapier (Tempo-Ersatz), Otriven, Hustensaft und Halstabletten, denn inzwischen bin ich gut ausgerüstet. Ich fühle mich hier alleine schon viel wohler als letzte Nacht in dem großen Zimmer, aber toll ist es immer noch nicht. Irgendwann komme ich auf die Idee, mein Olbas (Destillat aus ätherischen Ölen) ins Spiel zu bringen, und das hilft wirklich (in der Nase!). So kann ich endlich schlafen.

Freitag, 6.6. Beim Aufwachen bin ich wenigstens ausgeschlafen, aber im Prinzip hat sich nichts geändert: Schnupfen in allen Variationen und Schlappheit. Irgendwas muss jetzt passieren, eigentlich wollte ich Dienstag weiterfahren, jetzt ist schon Freitag! Schließlich will ich nicht drei Monate in Arequipa im Hotel verbringen. Also will ich mich heute wirklich stramm ins Bett legen, mit diversen Decken usw., um zu schwitzen. Das wäre schon lange richtig gewesen, aber leichter gesagt als getan, denn ich reise ja bekanntlich komplett ohne Personal. Wenn man im Bett liegt, gibt es nichts zu essen, nichts zu trinken, keine saubere Wäsche etc. Was fehlt, das fehlt. Aber trotzdem muss ich das jetzt machen. Die letzten 1½ Tage von „Der Name der Rose“ reinziehend, liege ich unter fünf Decken und harre der Dinge, die da kommen sollen.

Bis 15 Uhr bleibe ich liegen, schwitze zwar nicht, aber irgendwie geht es mir etwas besser. Dann stehe ich auf, denn nichts zu trinken oder zu essen wäre sicher auch nicht richtig – und noch später wäre es schon wieder zu kalt, denn ab 17 Uhr ist die Sonne schon so flach, dass sie nur noch an sehr exponierte Stellen kommt (wie bei uns im Dezember) und um 18 Uhr ist es eiskalt und dunkel. Während ich jetzt herumlaufe, geht es mir schon besser als die letzten Tage – zumindest rede ich mir das erfolgreich ein – und beschließe gleichzeitig, morgen (Samstag) weiterzufahren, denn länger kann ich hier nicht bleiben. Das Abendessen schmeckt mir überraschenderweise ganz gut und zwei Gläser Wein schaden sicher auch nicht. In der Nacht schlafe ich relativ gut.

Samstag, 7.6. Heute passiert endlich wieder etwas! Nach dem Frühstück kaufe ich mir ein Busticket nach Puno am Titicacasee. Für diese Fahrt gibt es folgende Möglichkeiten: Man fährt – wie die meisten Globis – mit dem Zug, aber hier werden angeblich 80% aller Passagiere bestohlen. Vor zwei Jahren ist das noch gut gegangen, aber jetzt möchte ich es nicht alleine riskieren, zumal der Zug nur nachts fährt und sehr unbequem ist. Jedenfalls buche ich eine Nachtfahrt per Bus und bekomme dafür auch ein Ticket. Allerdings fährt der Bus nicht hier bei diesem Büro ab, sondern ein paar Cuadras weiter. Na gut – ich schaue mal nach, wie es dort aussieht. Dazu muss ich aber durch den Marktbereich und in dessen Enge passiert’s dann: Gedränge, Geschrei und mein erster Griff geht gleich an meine Hosentasche, die aber schon leer ist! Es handelt sich aber nur um mein Kleingeld in der Größenordnung von 50.000 – 70.000 Soles (3-4 US-$), also Verluste, die mein Budget verkraftet. Einen viel größeren Schreck bekomme ich aber, als ich den Reißverschluss meiner Hosentasche offen finde, in der mein Reisepass steckt: Ich bin froh, dass er noch da ist, denn ohne Pass geht hier gar nichts! Also begebe ich mich erst einmal in ruhigere Gegenden Arequipas, verdaue meinen kleinen Schrecken und überlege mir, wie ich hier eigentlich später mit vollem Gepäck durchkommen soll.

Zuerst packe ich meine Sachen im Hotel, da ich bis 12 Uhr das Zimmer räumen muss und gebe alles beim Portier ab. Dann schreibe ich ausgiebig Tagebuch in einem schönen Patio bei O-Saft und mache mich schließlich auf den Weg, um einen alternativen Weg zum Busbahnhof zu finden, denn der Weg über den Markt ist mir nicht geheuer. Den Weg finde ich auch – nur ist der Busbahnhof genau dort, wo der Markt ist. Ich kenne das aus Cuzco, da haben sie den Leuten von unserem Bus innerhalb von 20 Minuten 5 Rucksäcke geklaut. Das möchte ich hier nicht erleben. Also ich habe ehrlich gesagt schon etwas Muffe – aber was soll ich machen? Außerdem habe ich auch insofern blöd gepackt, dass der Rucksack relativ leer ist und der Jutebeutel mit Pullover, Skijacke, Kissen etc. vollgestopft ist, weil die Fahrt (teilweise 5.000 m hoch) sicher eiskalt wird. Ich überlege, vielleicht ein Taxi zum Bahnhof zu nehmen, aber wenn ich mit Sack und Pack am Busbahnhof aussteige und bezahle, fehlt wahrscheinlich schon das erste Teil. Also gehe ich doch zu Fuß. Man sieht, wenn dir erst einmal die Düse geht, machst du dir ganz schön Sorgen.

Wird mein Rucksack doch noch mitgenommen?

Um 17 Uhr soll der Bus losfahren (es ist noch hell) und um 16.30 Uhr soll ich da sein, was auch ohne Diebstahl klappt. Aber dann stehe ich da zwischen den Leuten, die den Gringo anstarren, habe weder einen Sitzplatz noch einen Platz an der Wand, sondern nur „feindliches“ Terrain um mich, meinen Rucksack und meine Tasche (mit der neuen Nikon!). „Drama, Drama“ sage ich! Aber nach 10 Minuten rufen sie den 17 Uhr Puno Bus zum Gepäck einchecken. Ob das hier funktioniert? Ständig 360° im Blick stelle ich mich in die Schlange, lege meinen Rucksack auf die Waage, er wird etikettiert und ich bekomme einen Gepäckschein: Versicherungssumme 60.000 Soles (3,- US-$), die bei Verlust des Gepäcks ausbezahlt werden (der leere Rucksack hat schon 100 US-$ gekostet!). Also: Vorsicht! Die Waage steht in der Mitte des Raumes, der zur Straße (Markt) hin völlig offen ist, d.h. alles marschiert kreuz und quer vorbei. Neben dieser Waage wird das Gepäck gestapelt, bis es verladen werden kann! Auf meine Bitte hin wird mein Rucksack noch etwas weiter in die Ecke gestellt. Hier kann ich aber nicht stehen bleiben und zuschauen, denn erstens bin ich im Weg und zweitens ist es dort so voll, dass beste Voraussetzungen bestehen, meine Tasche – die ich in der Hand halte – irgendwie zu entleeren. Bis der Bus kommt, also eine Stunde lang, laufe ich herum, beobachte alles und schaue alle fünf Minuten nach meinem Rucksack, der aber immer noch da ist. Was soll ich denn sonst machen?

Übrigens, die anderen Leute haben alle Mordgepäck: 40, 50, 60, 70 kg zum Teil. Weiß der Teufel, was in den Zuckersäcken und Kisten steckt. Um 18 Uhr – es ist schon dunkel – kommt der Bus, das Gepäck wird auf dem Dach verstaut, von professionellen Gepäckträgern, die 50 kg locker mit einem Arm schultern. Während alle ihre reservierten Plätze einnehmen, bleibe ich draußen und verfolge das Schicksal meines Rucksacks. Ergebnis: Alles ist verladen, nur der nicht! „Ach so“, antwortet er auf meine Frage, dann hätten sie ihn fast vergessen und er wäre (vielleicht?) mit dem nächsten Bus gekommen. Während ich also Angst habe, keinen Sitzplatz mehr zu bekommen, wird mein Rucksack tatsächlich auf das Dach geladen und schließlich mit Netz und Plane gesichert. Soviel zur Angst des Globi um seinen Rucksack.

Ich habe einen guten Platz neben einem netten Mann, den ich zumindest gut verstehe. Um 18.30 Uhr – es ist längst dunkel – geht es los. Ich sitze im Bus, nur mit Hemd und Pullover bekleidet, die Tasche zwischen den Beinen, ein Gepäcknetz kommt seit schlechten Erfahrungen in México nicht mehr in Frage. Als der Copilot kommt, um die Boletos zu kontrollieren, fragt er mich fürsorglich nach warmer Kleidung, da es nachts eiskalt werden würde. Wie nett! Und tatsächlich wird es bald alle 10 Minuten 1°C kälter (oder so ähnlich). D.h. Schal dreifach umwickeln, Hosenbeine in Strümpfe stopfen, Jacke an, Jacke zu, Kragen hochschlagen – aber mehr geht nicht, aber es ist auch auszuhalten. Die anderen haben alle dicke Wolldecken dabei, aber hätte ich meinen Schlafsack auch in die Tasche gesteckt, wäre der Rucksack fast komplett leer (und die Tasche geplatzt). Gegen 22 Uhr machen wir bei bereits eisiger Kälte (Pfützen sind gefroren) auf ca. 3500 m Höhe Rast, wo ich mir zwei Mate de Coca (Koka-Tee) ‚reinziehe. Dann geht es weiter und es dauert nicht lange, bis die Scheiben des – wie üblich – unbeheizten Busses komplett mit Eis überzogen sind. Zum Glück sitze ich auf der Gangseite. Bis auf eiskalte Füße geht’s mir gut, obwohl eine lange U-Hose jetzt auch nicht schaden würde – zu Hause liegt eine nagelneue bei den Skiklamotten! Schlafen will ich in dieser Nacht schon aus Diebstahlgründen nicht, aber ab und zu nicke ich leicht ein. Die Straße ist fürchterlich und nicht mal mehr als Piste zu bezeichnen, die Fahrer rasen wie die Verrückten, glücklicherweise sieht man nicht, wie es daneben ‚runtergeht. Der Bus funktioniert auch nicht immer hundertprozentig, aber sie flicken es immer irgendwie kurz zusammen.

Ankunft am Lago Titicaca

Sonntag, 8.6. Morgens von 5.30 bis 6.30 Uhr haben wir eine Stunde Aufenthalt in Juliaca, aber keiner weiß, warum. Dann geht es weiter nach PUNO am Titicacasee, wo wir gegen 7 Uhr ankommen. Trotz Sonnenscheins ist es sehr kalt. Die ganze Fahrt – fast ohne Schlaf – hat mir ziemlich zugesetzt, und so bin ich richtig froh, als mir ein Junge anbietet, mir ein Hotel zu zeigen und sogar meinen Rucksack auf der Ladefläche seines Fahrrads mitnimmt – ich bin so müde (Kälte, Höhe, Schlafmangel etc.), dass ich beim Sprechen schon ins Stottern komme! Ich lande im selben Hotel wie vor 2 Jahren, aber irgendwie sind die Zimmer noch nicht fertig (wie sonntags am frühen Morgen in einem deutschen Hotel!) und es dauert noch. Also erst mal frühstücken, dann zurück ins Hotel und bis Mittag unter vier Wolldecken schlafen!

Am Lago Titicaca auf 3.812 müM, kurz vor der Ankunft in Puno [Bild REM]

Jetzt bin ich wieder etwas fitter und mache bei herrlichem Sonnenschein einen Spaziergang durch Puno, wo ein kleiner Markt stattfindet. Die Bevölkerung hier im Süden Perus ist fast ausschließlich indianisch und dementsprechend viele Indio-Mütter mit Zöpfen und Bowler sitzen dort und bieten ihre Waren an. Direkt an den See kommt man aber nicht, denn der hat seit Monaten Hochwasser, das man aber nicht so schnell wieder los wird, weil der Titicacasee keinen Abfluss hat. Deshalb stehen die Straßen und Häuser direkt am See alle unter Wasser. Weitere Details zu Puno möchte ich mir hier ersparen, da alles schon in Südamerika 1 steht.

Blick auf den tiefblauen Lago Titicaca [Bild REM]

Ich möchte gleich morgen früh weiter nach La Paz in Bolivien – denn was will ich hier? Normale Busgesellschaften fahren nicht nach La Paz (weil Ausland) und die Büros der Chartergesellschaften sind fast alle geschlossen, weil Sonntag ist. Trotzdem finde ich zwei oder drei offene und buche für Montagmorgen über Copacabana nach La Paz für 150.000 Soles. Der direkte Weg über Desaguadero ist wegen Hochwassers gesperrt. Dann laufe ich mir die Hacken ab, um für Irene Pantoffeln zu suchen, um die sie mich gebeten hat. Aber so etwas kennt hier niemand – weiß der Teufel, woher sie das hat. Stattdessen kaufe ich für uns zwei bis auf die Größe identische Alpaka-Pullover, die zumindest mir sehr gut gefallen.

Abends esse ich in einem Restaurant „Trucha a la pobre„, also „Forelle nach Art der armen Leute“, man glaubt gar nicht, was alles dazu gehört: ca. 5 Bratkartoffeln, 1 Scheibe Gurke, 1 Scheibe Tomate, etwas Chinakohl, 1 Scheibe rote Beete, Reis, 2 Toasts, 2 gebratene Bananen, Zitrone, ach ja, und noch ein Stück Forelle, schon ausgenommen. Ich glaube, so etwas hat hier noch kein Armer gesehen, geschweige denn gegessen! Ich finde übrigens, dass das Essen hier in den letzten zwei Jahren deutlich besser geworden ist: Besseres Fleisch, mehr Salat usw. Wie üblich gehe ich wieder früh ins Bett, denn was soll ich abends in der Kälte? Meine Erkältung geht zwar tagsüber weg, aber nachts wache ich noch oft auf: Husten, Schnupfen. Und morgen werde ich über die Grenze nach Bolivien fahren und weiter über die bolivianische Halbinsel Copacabana nach La Paz – ich bin schon sehr gespannt, was ich dort erleben werde.

Wie es weiter geht auf meiner Südamerika-Reise 1986 liest Du hier:

Südamerika 1986: Rucksackreise Bolivien bis auf 4000 m Höhe [Vintage]

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