Atemlos in Peru: Mit dem Rucksack in die Anden

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Caraz, Peru - Anden - Suiza Peruana

Peru 1984 – ein Monat mit dem Rucksack durch das Land des Condors – ein Vintage-Reisebericht

Eine kurzatmige Osterwanderung hoch in den Anden

Der letzte Teil der Reiseberichte aus Peru.

Vorgesehen war ein Besuch im Tiefland. Aber von Cusco aus geht heute und auch an den kommenden Tagen kein Flieger runter nach Iquitos. Also muss ich spontan umplanen. Ein Flieger würde, wenn die Informationen stimmen, die hier und heute sehr schwammig an mich durchsickern, über Lima nach Trujillo im Norden Perus gehen. Nach und nach kommt auch die Abflugzeit bei den schon wartenden Passagieren an, nachdem immer wieder mal verschoben wurde.

Ich verlasse also Cusco mit dem Flugzeug. Vom Landweg wurde mir abgeraten. Es ist die Zeit des Sendero Luminoso, des „Leuchtenden Pfades“, und die Zeit, wo dieser von der Regierung bekämpft wurde. Warum soll ich auf dem Landweg zwischen die Fronten geraten? Als Tourist will ich nicht ein Opfer von Kampfhandlungen werden.

 

Bingo im Flug der Faucett von Cusco nach Lima

 

Trujillo

Der nördlichste Punkt meiner Reise und 550 km von Lima entfernt ist die küstennahe Stadt Trujillo. Im Stadtzentrum findest Du kolonialzeitliche Architektur, am Strand von Huanchaco gleich zwei Monumente der Kulturgeschichte. Von Chan Chan stehen noch die 800 Jahre alten Ruinen des Chimú-Reiches. Bemerkenswert: Dies ist die größte aus Lehmziegeln erbaute Stadt der Welt!

 

Nachbildung eines Fundes aus der Chavin-Kultur

 

Doch zuvor muss sich der Körper stark anpassen. Nach fast 3 Wochen in Höhen um die dreieinhalbtausend Meter und angenehm frischen Temperaturen schleppe ich mich jetzt auf Meereshöhe bei schwer ertragbarer Hitze herum.

Trujillo hat nicht nur wunderschöne Kolonialbauten und eine lebensfrohe Atmosphäre. Ein paar km außerhalb liegt die atemberaubende Hauptstadt der Chimú-Reiches, die einst wohl größte Stadt an der süüdamerikanischen Pazifikküste.

 

 

Wie prächtig muss diese Stadt einst gewesen sein. Vor einem Jahrtausend lebten hier sage und schreibe 50.000 Menschen. Sie konnten sich sicher fühlen hinter den 12 Meter hohen Wällen.

Ich treffe zwei einheimeische Touristikstudenten. Am Karfreitag reisen wir zur Stadt hinaus. Auf 8 Kilometer erstreckt sich ein Meer von Bauten aus Adobe, also Lehmziegeln. Doch es ist nicht sehr viel Erkennbares übrig geblieben nach 1.000 Jahren.

 

 

 

Die Inka raubten Gold und Schätze. Sparbewusste Häuslesbauer der Umgebung trugen im Laufe der Jahrhunderte die Adobeziegel für ihre Eigenheime ab. Die Verwitterung tat ihr übriges. 1.500 Jahre alt sind die Pyramiden der schon lange versunkenen Moche-Kultur. 100 Meter ragen sie in den Himmel.

Karfreitag: An diesem heißen Tag ist die Fundstätte interessanter Reliefs und Ornamente geschlossen. Da ich wenig Zeit bis zum Ende meiner Reise habe, klettern wir über die hohen Mauern des Kulttempels. Im Inneren sehr viel Verwüstung und wenig erhaltene Reliefs. Plötzlich ein gellender Pfiff: Touristenpolizei! Eine Gestalt auf der hohen Mauer winkt uns zu sich.

Doch es ist nur der Touristenpolizist Ramon. Er hat mich gestern freundlich vom Flughafen zur Stadt begleitet. Einer der beiden Studenten kennt in gut, daher ist die Sache schnell in Ordnung gebracht. Doch auch Ramon kann uns nicht helfen, das Eingangstor des Tempels zu öffnen.

Ich wandere hinüber zum nahen Pazifik. Kleine spitz zulaufende Binsenflöße, Seepferdchen genannt, stehen senkrecht im Sand. Die Fischer aus Huanchaco, einem Vorort von Trujillo, fahren mit ihnen hinaus und kehren wellenreitend zurück.

Suiza Peruna – die peruanische Schweiz

Kollege Richard, Bergliebhaber und mit einer Peruanerin verheiratet, hat mir in daheim in München die Suiza Romana in lebhaften Farben geschildert. Er ist mit einem collectivo, dem peruanischen Sammeltaxi, bis zur Laguna Paron in ca. 4.200 Metern Höhe gefahren. Das will ich ihm nachtun.

Die Cordillera Blanca, der hiesige Teil der Anden, besitzt die größten Gletscher der tropischen Zone. Früher reichten sie einmal bis ins Tal hinunter. Sie hinterließen zahlreiche Cochas, Gletscherseen. Das sind eisige, hell- und dunkelblaue Wasseraugen inmitten riesiger schneebedeckter Berge.

Der zweithöchste Berg Südamerikas, der Huascaran, steigt hier 6.800 Meter auf.

Diese Information und solche Bilder vor meinem geistigen Auge haben mich also von Trujillo hierher gebracht. In Huaraz logiere ich in einem diebstahlsicheren Haus bei einer mir empfohlenen Familie.

Für den Tagesausflug zur Laguna nehme ich den kleinen Rucksack, eine Regenhaut, Fotoausrüstung und eine Tüte Bonbons mit, dazu einen Liter Wasser.

Mit dem Bus fahre ich 70 km nach Caraz. Von hier, so sagt man, sollen die Collectivos in die Berge abfahren. Doch es ist Ostermontag. Meine Frage nach Transportmöglichkeit wird zunächst mit nein, dann mit dem Angebot eines sündhaft teuren Taxis beantwortet.

Ich vertraue auf nachkommende Touristen, damit das Taxi (oder collectivo) billiger wird, und gehe schon mal los. Vielleicht nimmt mich jemand im PKW mit.

9 Uhr, die Wanderschaft hat begonnen. 32 km lang, 1.800 Höhenmeter bis zur Laguna Paron. Bis um die Mittagszeit sind mir auf der Straße exakt zwei Menschen, aber keine Transportmöglichkeit begegnet.

Irgendwann ist das Wasser alle, und die Sonne brennt vom stahlblauen Himmel. Wasser gibt es aber in Hülle und Fülle durch die eisigen Bergbäche, die den Weg kreuzen. Man darf nur nicht an die kleinen Gehöfte oberhalb des Bachlaufs denken, die sicherlich keinen Kläranlagen-Anschluss haben.

Bis zum Abend bin ich aufgrund der Höhenlage von am Ende 4.150 Meter (dünne Luft!) nicht mehr in der Lage, einen Schritt vor den anderen zu setzen. Die Bonbons, meine Zucker- und Energiequelle, sind auch aus. Mit einem Ast, den ich als Stock benutze, schiebe ich mich im Zeitlupentempo Meter für Meter vorwärts. Dann ist das Ende nah. Mein Ende. Eigentlich wollte ich ja zur Laguna Paron, und nicht irgendwo im Nirgendwo mein körperliches Ende antesten.

Ich bastle mit letzter Kraft aus Gestrüpp, das ich am Wegesrand finde, einen Liege und decke mich mit der Regenhaut, die ich mitgebracht habe, zu. So liege ich unter einen gedrungenen Busch und beschließe, hier und jetzt meinem Körper Ruhe zu geben. Ruhe. Sowieso kein Mensch da, der mich in meiner Ruhe stören könnte. Oder retten?

Es wird sehr ruhig um mich. Blut rauscht in meinen Ohren. Wie wenn es nicht schon einigen Stunden recht ruhig gewesen wäre, außer meinem Atmen, dem Stapfen meiner Wanderstiefel und dem vereinzelten Plätschern der Bergbäche.

Und es wird kalt. Sehr kalt. Mein Denkapparat beginnt langsam, die Verbindung zur Außenwelt zu kappen. Die Atemzüge werden immer tiefer, nicht nur wegen der dünnen Luft. 12 Stunden pausenlose Wanderung fordern ihren Tribut. Bevor ich einschlafe und langsam immer mehr auskühle, höre ich in der Ferne Hundegebell.

Hunde? Wo Hunde sind, gibt es auch Menschen!

Ich also mit Mühe wieder auf die Beine, den Ast als Stütze benutzend wieder den Anstieg wagend. Schritt für Schritt – was der Wille doch für eine Macht hat!

Laut wird es jetzt, das Hundegebell, und glitzert da nicht etwas in der stockdunklen Schwärze der Nacht am Fuß der Bergriesen der Anden? Der Strahl einer Taschenlampe, jetzt ganz nah?

 

 


 

Schlussendlich die Rettung: Arbeiter eines Camps, das zu einem zu bauenden Stausee gehört, beruhigen die Hunde, denen der Fremde etwas seltsam vorkommt und geben mir warmes Zuckerwasser zu trinken. 5 Gläser schaffe ich locker, den angebotenen Reis lehne ich aus Erschöpfung dankend ab. Auf einer Pritsche, mit Jacken und Socken (der Geruch interessiert mich heute wenig) weich gepolstert, lege ich mich im Gemeinschaftsraum zur Ruhe, während die Crew des Camps Karten spielt. Mir egal: Hier ist es warm und ich schlafe den Schlaf des Geretteten.

Am nächsten Tag verabschiede ich mich von den netten Menschen nach einer Haferschleimsuppe und steige gestärkt zum Rand der Laguna Paron hoch. Es ist hier oben so bitterkalt, dass eine meiner Kameras streikt: Kein Foto möglich. Und die andere läuft offenbar nur auf halber Kraft. Die Schönheit der Landschaft hält sich heute früh versteckt. Eine dunkle, kalte Gegend hier, ehrfurchtgebietend mit den Riesen der Cordillera Blanca, die aus großer Höhe auf mich und die Laguna Paron herabsehen.

 

 

Laguna Paron

Höhe über dem Meeresspiegel: 4.155m. Umgeben von den Bergriesen der Anden (genauer: Cordillera Blanca). Einige der 50 Gipfel der Cordillera sind von hier aus zu sehen, die meisten aber nur zu vermuten, denn andere Berge stehen der freien Sicht im Wege: Artesonraju, Höhe: 6.025 m, Nevado Caraz mit 6.025m, Pirámide mit Höhe:5.885m und Nevados Hunadoy mit 4 Gipfeln, der höchste 6.395m, von Deutschen erstmals 1932 bestiegen.

Der höchste Berg Perus, der Nevado Huascarán (6.768 m), ist von der Laguna Paron nicht zu sehen. Er liegt südöstlich davon und ist durch die Laguna de Llanganuco vom oben erwähnten Hunadoy getrennt.

 

 

Ich beschließe, nicht länger auf ein Aufklaren zu warten, damit die majestätischen Berge besser im Bild sind, und versuche, einen Rückfahrtmöglichkeit ins Tal zu organisieren. Doch Pustekuchen. Am heutigen Osterdienstag ist genauso wenig los wie am Ostermontag. Der einzige PKW hier oben gehört Elektroperu, der Gesellschaft, die den Staudamm baut. Er fährt genau 1 x wöchentlich ins Tal. Und dieses 1 x wöchentlich ist nicht heute. Klar doch.

Was soll’s: Irgendwann im Laufe des Nachmittags bin ich trotz allem zurück in Caraz.

Die vierwöchige Peru-Reise ist fast zu Ende. Viel Schönes, aber auch viel Bestürzendes habe ich erlebt. Natürlich kann ich hier nur einige Aspekte der Reise anschneiden.

Zurück in Lima will ich meinen Flug rückbestätigen. Pech gehabt. Um wenige Stunden habe ich den Termin zur Rückbestätigung verpasst, und ich muss in Peru bleiben.

 

 

Nach einer Denkpause in einem Lokal nahe meinem Hotel entscheide ich mich zu einem zweiten Versuch im Reisebüro, und tatsächlich: Statt in 3 Tagen soll ich nun schon in wenigen Stunden nach Deutschland abheben.

Schnell zurück ins Hotel, die gerade frisch gewaschene Wäsche von der Leine geholt und alles hastig in den Rucksack gestopft.

Nach insgesamt 3 Tagen ohne Schlaf komme ich in München an. Mein Gepäck 1 Stunde später, was mich schon verdächtig macht.

Einem Zöllner gegenüber darf ich nachts um halb 11 gute Miene zum bösen Spiel einer peinlichen Leibesvisitation am Flughafen München  machen, wo nicht nur der Rucksack komplett ausgezogen und uns beiden (dem Rucksack und mir) in alle Öffnungen gesehen wird. Damit nicht genug, lässt der Zöllner mich nach dieser Prozedur mein Zeug wieder alleine einpacken und ich wanke mehr als ich gehe zum Bus. Der wirklich allerletzte dieses Tages bringt mir zur U-Bahn, obwohl der Fahrer schon Feierabend hat und wegen mir einen kleinen Umweg fährt,  und schon bald (verglichen mit meiner langen Rückreise) bin ich wieder in meiner Wohnung.

Der Flughafen München-Riem hat schon so eine Eigenheit, die Ankömmlinge zu begrüßen. Hier und heute die spätnächtliche Leibesvisitation, früher mal die hundsgemeine Putzdame, die mir die Kühlung meines durch Verstauchung unförmig angeschwollenen und höchst schmerzenden Fußknöchels im Waschbecken der WC-Anlage mit den Worten verweigerte „Hia woschd ma koane Fiaß“. Und trotz meiner Erklärung der Situation weiterhin dabei blieb. Dann doch besser München Franz-Josef-Strauss, aber dieser Airport wird ja erst viele Jahre später kommen.

Reisebericht Peru Vintage 1984: Alle Teile hier

 

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