Brasilien 1986 (1): Zuckerhut, Goldminen und gigantische Wasserfälle

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aerial photography of cityscape near sea
  

 

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Autor:Olaf Remmers
Reisezeit:Juli 1986 (für diese Teilstrecke)
Art der Reise:Selbstfinanzierte Rucksackreise
Lesezeit: 46 Minuten
  

Seiteninhalt

Tagebuch der 2. Südamerika-Reise: Perú, Bolivien, Argentinien, Paraguay, Brasilien, Uruguay

 

Vorbemerkung: Nach meiner ersten Südamerikareise 1984 durch die Andenländer und dem anschließenden Eintritt ins Berufsleben war meine Reiselust noch lange nicht gestillt. Nach zwei Jahren Berufstätigkeit nutzte ich einen Arbeitgeberwechsel zu einer zweiten dreimonatigen Südamerikareise, auf deren zweiter Hälfte in Brasilien und Argentinien mich meine Freundin, die inzwischen seit über 36 Jahren meine Ehefrau ist, begleitete.

Der Text meines Tagebuchs von 1986 wurde fast unverändert übernommen. Lediglich die Rechtschreibung wurde angepasst und auf die Umrechnung in DM (Deutsche Mark, die Älteren werden sich erinnern) wurde verzichtet. Die damals gültigen Landeswährungen wurden beibehalten.

Informationen aus dem Internet gab es damals natürlich noch nicht, geschweige denn Verbindungen zu Freunden oder Familie über What’s App oder ähnliches. Die beste Verbindung waren postlagernde Briefe (wer kennt das noch?) oder in Notfällen extrem teure Telefonate. Ich war also drei Monate lang auf mich allein gestellt! Mein handgeschriebenes Tagebuch war das einzige Lebenszeichen, das ich regelmäßig per Post nach Hause schickte. Meine Mutter hat es sofort mit der Schreibmaschine abgeschrieben, um die Herausforderungen meiner Handschrift zu kompensieren. Nach Jahrzehnten in einem Leitzordner im Keller konnte ich das wiederentdeckte Tagebuch nun problemlos in WORD einscannen und als TXT-Datei dem ReiseFreak’s ReiseMagazin und ReiseBlog zur Verfügung stellen, inklusive fast 40 Jahre alter Dias, die trotz teilweise zweifelhafter Qualität in digitalisierter Form Eingang fanden.

Teil 5: Brasilien zum Ersten

 

 

Nach zwei interessanten Wochen in Paraguay (s. Teil 4 „Paraguay 1986: Auswanderer, Diktatoren und Mormonen“) geht es jetzt über die paraguayanisch-brasilianische Grenze bei Foz do Iguaçu nach Brasilien, dem größten südamerikanischen Land und der zweiten großen Sprachgrenze des amerikanischen Doppelkontinents (nach USA/México mit dem Wechsel von Englisch zu Spanisch), denn ab jetzt helfen mir meine Spanischkenntnisse nicht mehr weiter – in Brasilien wird ausschließlich Portugiesisch gesprochen.

Grenzübergang Paraguay – Brasil

Mittwoch, 9.7. Das Wecken im paraguayanischen Pte. Stroessner klappt natürlich wieder nicht, trotzdem wache ich pünktlich um 5 Uhr auf. Ich muss wieder so früh los, da ich ein Ticket für den 9 Uhr-Bus habe, der dann im brasilianischen Foz do Iguaçu. abfährt. Das ist 8 Uhr paraguayische Zeit ein Tip, den mir der Kartenverkäufer zum Glück gegeben hat und für den Grenzübergang und das Finden des Busbahnhofes rechne ich sicherheitshalber zwei Stunden, denn eine Grenze ist immer schlecht zu kalkulieren (hoffentlich ist überhaupt schon offen). Um 6 Uhr bin ich an der paraguayanischen Grenze, kriege gleich meinen Ausreisestempel und gehe weiter über die internationale Brücke, die hier Puente de Amistad (Freundschaftsbrücke) heißt und über den Grenzfluss Rio Paraná führt. Der brasilianische Grenzer beginnt gerade seinen Dienst und ich kriege gleich meinen Stempel, womit mir Brasilien offensteht!

BRASILIEN

Flagge von Brasilien (mit dem Motto „Ordnung und Fortschritt“!)

Nachdem ich mich keine 10 Minuten zuvor noch mit dem paraguayischen Grenzer locker unterhalten habe, verstehe ich hier kein Wort mehr von des Grenzers Erklärung auf meine Frage, wie ich den Busbahnhof finde. Neben der US-amerikanisch-mexikanischen Grenze ist dieses, d.h. die gesamte brasilianische Grenze, die einzige Sprachgrenze des amerikanischen Kontinents. Dafür ist sie aber auch extrem krass: Während mir in Stroessner keiner portugiesische Kassettentitel übersetzen konnte, spricht hier direkt an der Grenze kein Mensch auch nur ein Wort spanisch! Wenn ich spanisch spreche, versteht mich zwar jeder (gutwillige) Brasilianer, aber die Antwort ist eine absolut unverständliche Mischung, die klingt wie eine Mischung aus holländisch und fran­zösisch. Im Gegensatz dazu kann ich alles gut lesen: Reklame, Speisekarten, Hinweisschilder und sogar Zeitungen! Für mich eine sehr herausfordernde und gleichzeitig auch wunderschöne Sprache.

Hier geht’s über die Freundschaftsbrücke von Paraguay nach Brasilien [Bild REM]

Jedenfalls frage ich hier in FOZ DO IGUAÇU x-mal nach dem Busbahnhof, jeder erzählt mir – sehr freundlich – etwas Unverständliches, und ich gehe mit meinem schweren Rucksack weiter. Schließlich gerate ich an einen Taxifahrer, der ‚was von „cinco kilómetros“ sagt. Das laufe ich natürlich nicht. So schnappe ich mir den nächstbesten Omnibus, der mich auch tatsächlich zum „Rodoviária“ (d.h. Busbahnhof und ist mein aktuell wichtigstes portugiesisches Wort) bringt. Dort bin ich zwar eine Stunde zu früh, aber die nutze ich, um das bisher ausgefallene Frühstück nachzuholen. Für einen 0-Saft, 2 Kaffee und ein Sandwich zahle ich gerade 1 US-$! Die Preise sind also wirklich günstig hier.

Was ist ein brasilianisches Rodízio?

Dann geht die ca. 1.600 km weite, 22stündige Busfahrt nach Rio de Janeiro los. Im Bus ist gleich Mordsstimmung, Mordskrach und Mordsradau, denn die Brasilianer sind zweifelsohne „etwas“ lebhafter als die kastilianischen Nationen, insbesondere als die Andenstaatler. Bevor die Fahrt überhaupt losgeht, kommt einer vorbei, der nochmals 30 Cz-$ (1,50 US-$) von mir haben will. Ich kapiere aber nicht recht wofür, genauso geht es auch einem Ami, der vor mir sitzt. Mit viel Mühe und etwas Spanisch kommt heraus, daß es sich um Geld zur „Besänftigung“ der Polizei handelt, das alle Passagiere zahlen! So lernt man Brasilien kennen! Gleichzeitig komme ich mit dem Ami Mike ins Gespräch, der auch nur Spanisch und kein Wort Portugiesisch kann. Er ist bei seiner Freundin in Buenos Aires zu Besuch und will für vier Tage nach Rio. Dann geht die Fahrt los. Die Landschaft gleicht eigentlich der Paraguays zunächst sehr, wird aber langsam immer tropischer. Unsere Fahrtroute führt ziemlich genau ostwärts. Wir kommen kaum durch Ortschaften, geschweige denn durch Städte. Die erste Stadt erreichen wir erst nach über 3 Stunden Fahrt – so leer ist das Land! Zu Mittag halten wir an einer ordentlichen Raststätte, wo wir unser erstes brasilianisches Rodízio genießen, ohne es zunächst zu ahnen. Als wir gerade sitzen, kriegen wir mit, dass Selbstbedienung ist. Es gibt einen Tisch mit diversen, leckeren Reissorten, drei Nudelsorten, Kartoffeln, verschiedene Fleischsorten mit Saucen. An diesem bedienen wir uns reichlich. Wir haben gerade ein paar Bissen gegessen, da kommt ein Ober mit einem Riesen-Fleischspieß, wovon er uns anbietet. Als wir dankend ablehnen, guckt er völlig entgeistert und geht an den nächsten Tisch. So kommt er alle paar Minuten wieder mit einem anderen Fleischspieß. Dann wird uns die Chose dann klar: Hier geht es eigentlich um das Fleisch an den diversen Spießen und der Rest – woran wir uns gerade satt essen – ist lediglich die Beilage. So opfern wir uns halt „schweren Herzens“ doch noch, ein paar Portionen Fleisch zu essen: schmeckt super. Jetzt kennen wir also das brasilianische Rodízio!

Brasilianisches Rodízio in einer Churrascaría: Picanha ist das Beste! [Bild REM]

Rio de Janeiro

Nach diesem Mahl geht es Stunde um Stunde weiter in Richtung Osten. Etwas problematisch ist die Sitzplatzsituation in unserem Bus und bei jedem der wenigen Halts muss ich zum Gaudium der Brasilianer umsitzen. Aber das ist weiter kein Problem. Um 18 Uhr wird es dunkel und wir fahren weiter. Nachdem wir schon wieder 2 Stunden gefahren sind, tut es plötzlich vorne am Bus einen Schlag und im nächsten Moment reißt der Beifahrer die Tür auf, die die Fahrerkabine vom Fahrgastraum trennt und dicker Qualm kommt ‚rein! Alle springen auf, rufen „Fenster auf“ und zwei springen schon ‚raus! In diesem Tohuwabohu sehe ich nur zu, dass ich meine Tasche mit Kamera sichere und denke bei mir: Zusammen mit diesen Hektikern und Schreiern dränge ich mich nicht ‚raus, sondern warte lieber noch ein bisschen. Doch da wird der vermeintliche Rauch schon erheblich weniger und kurz darauf wird uns mit Mühe (Spanisch, Englisch) mitgeteilt, dass nur ein Reifen geplatzt sei und es gleich weiterginge. In der Fahrerkabine liegt dann auch tatsächlich dickweißer Staub und 10 Minuten später geht’s weiter. Was es nun wirklich war, wird nicht klar. Gegen 23 Uhr halten wir dann noch zum Abendessen, dann geht die Nachtfahrt weiter und wir kommen in Richtung Rio de Janeiro voran.

Ankunft in Rio de Janeiro nach 22 Stunden Busfahrt

Donnerstag, 10.7. Gegen 7 Uhr wache ich auf und bei Helligkeit fahren wir gerade durch eine wunderbare, gebirgige Gegend. Der Busfahrer scheint mir sehr abenteuerlich zu überholen, bis mir klar wird, dass die beiden Spuren in dieselbe Richtung gehen und die Gegenspur eine getrennte Straßenführung hat. Dann kommt ein Schild „Rio de Janeiro 46 km„, wir haben es gleich geschafft! Mit dem Ami Mike zusammen will ich zunächst ein Hotel im Zentrum nehmen und dorthin sicherheitshalber per Taxi fahren. Ich habe eine Liste verschiedener Hotels, die mir andere Leute unterwegs empfohlen hatten und mit der ich einen englischsprechenden Carioca (= Einwohner Rio’s) interviewe, der mir das empfehlenswerteste Hotel nennt. Dann kommen wir am Rodoviária von RIO DE JANEIRO an.

Zugegebenermaßen steige ich etwas aufgeregt aus dem Bus, denn die ganzen Schauermärchen, die man über Rio gelesen (Rio sei die schönste und gefährlichste Stadt der Welt) und gehört hat, forcieren nicht das Sicherheitsgefühl. Unser Freund nimmt uns mit zu einem Taxistand, der zwei cuadras entfernt ist, denn direkt vor dem Busbahnhof wird das Doppelte verlangt und der Bus ist uns natürlich zu gefährlich. So finden wir ein Taxi, das uns für 50 Cz-$ (US-$ 2,50) in die Rua Ferreira Dutra bringt, wo mir Shaoul seinerzeit ein Hotel empfohlen hatte. Der Verkehr, die Riesenstraßen, die Hochhäuser, die Menschenmengen, alles macht auf mich, nachdem ich in Ländern wie Bolivien und Paraguay war, einen unheimlichen Eindruck. Über sechs- und achtspurige Boulevards, über zwei- und dreietagige Autobrücken und durch Autostaus, gegen die Lima einen Bauerndorfverkehr hatte, kommen wir in den Stadtteil Flamengo, wo der Fahrer uns beim richtigen Hotel absetzt. Dieses ist zwar voll und andere auch, dann kriegen wir aber ein Zimmer für 225 Cz-$ (US-$ 12,50) im Zwei-Sterne-Hotel „Imperial“ in der Rua do Catete 186. Die Duschen sind super: stundenlang viel warmes Wasser! Nachdem wir sauber sind, und ich meine Klamotten in der Wäscherei habe, machen wir uns per pedes auf, Rio ein wenig zu erkunden. In unserer Straße, der Rua do Catete ist schon allerhand los: Obwohl Flamengo ein gutbürgerlicher Stadtteil ist, sind hier auf den breiten Bürgersteigen viele Verkaufsstände aufgebaut: Obst, Gemüse, Bücher und vielerlei Kleinkram sind zu kaufen. Das Wetter ist nicht so super, es ist leicht bewölkt, aber trotzdem 24°C warm. Sehr viele Leute laufen in Shorts rum und z.T. auch ohne T-Shirt – also eine sehr lockere Bekleidung. Es gibt viele Stehbars, wo man auch essen kann und zahlreiche Restaurants. In einem bestellen wir jetzt endlich (um 11 Uhr) unser Frühstück: Ein riesiges Omelette, 0-Saft, 2 Kaffee, Pommes frites und Brot kosten gerade 50 Cz-$ (US-$ 2,50) die Preise sind hier wirklich günstig. So gestärkt marschieren wir dann weiter in Richtung Centro. In Glória – einem etwas einfacheren Stadtteil – gibt es noch mehr Stände etc. Der Autoverkehr hier ist unglaublich lebhaft und im Gegensatz zu allen anderen Staaten in Südamerika sehr schnell. Autos, die 60 oder 80 km/h und schneller fahren sind völlig normal, entsprechend schwierig ist es, die Straßen zu überqueren. Dennoch gelingt es uns, über diverse „kleinere“ Straßen und die achtspurige Küstenstraße zu kommen. Durch den Nordteil des Parque do Flamengo gelangen wir dann ans „Monumento Nacional aos Mortos da Segunda Guerra Mundial“, einem riesigen Kriegsdenkmal, das direkt am Yachthafen der Guanabara-Bucht liegt. Hier bietet sich uns folgendes Panorama: Ganz links beginnt es mit dem Centro und seinen Hochhäusern, dann kommt der nationale Flughafen „Santos Dumont„, es folgt die riesige Guanabara-Bucht mit Niterói und seinen Stränden auf der anderen Seite, schließlich kommen der berühmte Zuckerhut, der mit einer Seilbahn mit dem Urca verbunden ist und als letztes ganz rechts der Hügel mit dem Stadtteil Glória. Es ist schade, dass es zu dunstig zum Fotografieren ist – hoffentlich wird es die nächsten Tage besser.

Eingang „unseres“ Hotels Imperial in der Rua do Catete [Bild REM]

Die brasilianisches Währung ist durch die sehr hohe Inflation etwas unübersichtlich (auch für Einheimische): Früher gab es Cruzeiros, die aber sehr entwertet waren. Sie wurden mit Faktor 1000 reduziert und es entstand der aktuelle Cruzado, d.h. 1000 (alte) Cruzeiros = 1 (neuer) Cruzado (Cz-$). Während unserer Reise gilt ungefähr 1 US-$ = 20 Cz-$ = 20.000 Cruzeiros, die auf Märkten etc. immer noch gerne benutzt werden. Alles klar?

Typische öffentliche Telefone in Rio (damals gab es noch keine Handys!) [Bild REM]

Bei Temperaturen von 26°C gehen wir weiter ins Centro, wo wir von den Einkaufenden und Mittagspausemachenden schier zerdrückt werden, denn die Fülle in den Straßen ist unglaublich. So halte ich meine Tasche mit Kamera sehr gut unter dem Arm und kontrolliere ab und zu meine diversen Gelddepots: Geldgürtel, Bauchgurt, Brustbeutel und Hosentasche. Vorbei an den riesigen Hochhäusern, ältester und neuester Bauart kommen wir in die Av. Rio Branco. Dieses ist die Haupteinkaufsstraße des Centro und jede Weltfirma von Rang und Namen hat hier eine Niederlassung. Hier finde ich auch endlich ein Casa de Cambio, kriege für 100 US-$ Reiseschecks allerdings nur 1.950 Cz-$.

Wie komme ich nachts zum Flughafen, um meine Freundin abzuholen?

Anschließend trennen Mike und ich uns. In mühevoller Kleinarbeit gelingt es mir, in einer fast zweistündigen Suche, das Iberia-Büro zu finden. Während alle anderen Fluggesellschaften ihr Büro in der Rio Branco und der nahen Umgebung haben, und durch große Reklamen gekennzeichnet sind, ist die Iberia im 8. Stock eines Hochhauses untergebracht, ohne dass unten etwas dransteht! Hier kriege ich dann per EDV (so hieß damals die IT) die Bestätigung, dass Irene unterwegs ist und pünktlich um 4:50 Uhr am nächsten Morgen landen wird. Ich freue mich! In einem der zahlreichen Straßencafés will ich – wie alle – Bier trinken. Währenddessen zerbreche ich mir den Kopf, wie ich am besten morgens um 4 Uhr zum Flughafen komme. Voraussetzungen: Sicher und kostengünstig. Der Portier im Hotel hatte empfohlen, per Taxi zum nahen nationalen Flughafen zu fahren und von dort per Pendelbus, der immer fährt, zum internationalen Flughafen, der weit draußen liegt. Eine andere Möglichkeit wäre es, noch im Hellen hinzufahren und die Nacht dort zu verbringen. Aber beides gefällt mir nicht. Aber es ist mir auch zu gefährlich, hier nachts allein durch die Stadt zu gondeln und nach Bussen zu suchen. Wieder im Hotel zurück, empfiehlt mir ein spanisch sprechender (!) Portier, für 150 Cz-$ per Taxi rauszufahren. Er würde mich wecken und ein Taxi bestellen. Also gut, so mache ich es. Denn was nützt es, die 10 US-$ für’s Taxi zu sparen und dafür sich im Bus 300 $ klauen zu lassen? Außerdem wird es Irene nicht unrecht sein, per Taxi fahren zu können. Als Mike ins Hotel zurückkommt, gehen wir in der Nähe in ein Restaurant, wo ich eine schier unglaublich große Portion Fisch bestelle, die ich gerade zur Hälfte schaffe. Ich werde sehr bald herausfinden, dass man am besten immer eine Portion für zwei Personen bestellt.

Freitag, 11.7. Ich wache zwar von allein auf, aber werde dann auch tatsächlich von der Rezeption geweckt! Jedoch mein Taxi kommt nicht. Dafür fahren morgens um 4.30 Uhr noch unheimlich viele Taxis durch die Gegend. Nachdem ich eine Zeit gewartet habe, kriege ich eines um 4.45 Uhr. Für 150 Cz-$ (zunächst will er 250 Cz-$ haben) jagt er mit unglaublichem Tempo quer durch die leere Stadt, denn ich erzähle ihm, dass meine Freundin um 5 Uhr ankommt. Um 5:05 Uhr kommen wir dann – wider Erwarten lebendig – am Flughafen an. Während das Taxi draußen wartet, finde ich mit etwas Suchen die richtige Halle etc., wo ich Irene durch eine Glasscheibe auch schon auf ihrem Rucksack sitzend warten sehe. Das scheint ja tatsächlich wie geplant zu klappen. Schon 10 Minuten später steht sie draußen bei mir, und ich bin happy, dass sie jetzt da ist: Mit neuer Brille, kurzen Haaren und neuem Rucksack. Sie scheint nicht sehr müde zu sein, ist aber trotzdem froh, per Taxi, das noch oben wartet, zum Hotel gefahren zu werden. Dort kommen wir um 6 Uhr schon wieder an und legen uns noch 2 Stunden ins Bett.

Die Copacabana, der Zuckerhut, Sta. Teresa und ganz Rio de Janeiro sind ein Traum

Um 8 Uhr verabschiedet Mike sich, der verabredungsgemäß in ein Hotel am Strand ziehen will. Irene breitet mir ihre Schätze aus: Viele, viele Dollars, die wir gut und möglichst sicher in diversen Gürteln etc. verteilen (Kreditkarten gab es 1986 eigentlich noch nicht). Dann gibt’s das magere Hotelfrühstück, das im Preis inbegriffen ist, und wir machen uns auf den Weg ins Centro. Vorher besorgen wir noch ein Sicherheitsfach im Hotelsafe, wo wir unsere ganzen Gelder und Wertsachen deponieren, um sie nicht mitschleppen zu müssen. Heute ist Superwetter, keine Wolke am Himmel, und es ist schon um 10 Uhr 26°C warm – man bedenke, hier ist jetzt tiefster Winter! Wir machen zunächst den gleichen Weg wie gestern, nur dass ich heute einige Fotos aufnehmen kann. Wir gehen jedoch weiter als gestern, gelangen zu der berühmten Kathedrale Catedral Metropolitana de São Sebastião de Rio de Janeiro (Metropol-Kathedrale Heiliger Sebastian von Rio de Janeiro), oft nur „Catedral“ genannt, des brasilianischen Architekten Edgar Fonseca, in der 25.000 Menschen Platz finden und kommen dann zu den Einkaufsstraßen. Kaum ist Irene da, schon überredet sie mich zum Kauf eines Paars Schuhe. Die sind hier saubillig: Für nur 300 Cz-$ erstehe ich ein Paar lederne Bootsschuhe. Durch eine Fußgängerzone schlendernd kommen wir dann zum „Restaurante do Nil“ (eines der vielen arabischen Restaurants), wo wir gefüllte Auberginen und Bier zu uns nehmen. Es ist genauso gut wie in der Türkei. Dann kommen wir an einen der vielen Stadtparks, in dem ein rotes Schloss steht, was Irene fotografieren will. Da kommt ein Junge auf uns zu und bietet uns an, per Fahrstuhl auf ein 20stöckiges Haus zu fahren und von dort zu fotografieren. Das nehmen wir natürlich gerne an und machen ein paar schöne Bilder. Übrigens haben wir Kameras etc. in einem kleinen Rucksack auf dem Rücken, denn damit fällt man hier am wenigsten auf, da hier alle einen Rucksack tragen.

Die kegelstumpfförmige Kathedrale von Rio [Bild REM]

Im Centro von Rio de Janeiro [Bild REM]

Das futuristische Gebäude der brasilianischen Ölgesellschaft Petrobras [Bild REM]

Dann machen wir uns auf den Rückweg zum Hotel, denn Irene ist von ihrem Flug natürlich doch etwas gestresst. In einem Café trinken wir noch ein Bier und ich lasse mir die Schuhe putzen. Der Junge ist sehr nett, und wir unterhalten uns prima auf Spanisch/Portugiesisch über die Weltmeisterschaft. Im Hotel mache ich erst einmal Bescherung (Ňanduti-Spitzen und Alpaca-Pullover) und Irene auch (die vielen Sachen, die ich bestellt hatte). Anschließend gibt es Vesper im Zimmer: Schwäbische Wurst und Schweizer Käse hat Irene mitgebracht und sie sind super. Allerdings schmeckt der brasilianische Wein dazu fürchterlich, so dass wir nur ein Glas trinken und den Rest wegkippen! Merke: In Brasilien trinkt man Bier oder Caipirinha, aber keinen Wein!

Sonnabend, 12.7.  Per super-sauberer Metro fahren wir ins Centrum, wo wir zunächst das Kloster São Francisco besuchen wollen, das mitten in der Stadt zwischen den Hochhäusern diverser Banken, von Petrobras etc. liegt. Per Fahrstuhl (!) geht es aufwärts, aber bereits nach dem Besuch der sehr schönen Kirche ist unser Vorhaben gestoppt, ohne dass wir wissen, warum. Es geht halt nicht weiter. Als wir wieder absteigen wollen, spricht uns ein junger Mann an, der meint, er sei Italiener. Er kann auch Castellano und erzählt uns, sein Großvater sei aus Italien gekommen. Jedenfalls wohnt er zwecks Studien in dem Kloster (das noch voll im Betrieb ist), erzählt uns allerhand und bringt uns dann zur „Bonde“. Dieses ist eine in der Nähe abfahrende, 90 Jahre alte elektrische Straßenbahn, die durch engste und steilste Straßen nach Sta. Teresa hinauffährt. Die Fahrt kostet 200 Cruzeiros = 0,20 Cruzados (Cz-$) = 1 US-Cent. Sehr eng sitzend fahren wir in den offenen Wagen durch diesen alten, bürgerlichen Stadtteil nach oben. Währenddessen springen viele Leute auf die Trittbretter auf und fahren mit – à la Cable Car im US-amerikanischen San Francisco. Im Reiseführer hieß es, zwecks Sicherheit sollte man oben lieber gleich sitzen bleiben und wieder ‚runterfahren. Das tun wir zunächst auch, aber lange hält es mich nicht und ich überzeuge Irene, dass wir bald aussteigen und per pedes ‚runtergehen. Das geht auch super und kein Mensch will etwas von uns. Wir haben tolle Ausblicke auf das Zentrum, die Guanabara-Bucht, den Zuckerhut etc., so dass wir schöne Bilder machen können. Wieder unten angelangt, besuchen wir das Kaufhaus „Mesbla“ und gehen anschließend in einem kleinen, netten Restaurant zum Essen. Irene kriegt ein Filet Mignon, durch das das Messer fast hindurchfällt und mein Churrasco ist auch sehr gut. Kostenpunkt incl. zwei Flaschen Bier: 100 Cz-$!

Die damals bereits 90 Jahre alte Bonde bringt uns nach Sta. Teresa hinauf [Bild REM]

Wer keinen Sitzplatz im Innern findet, hängt draußen dran! [Bild REM]

Nachdem wir uns im Hotel etwas ausgeruht haben, streben wir dem nächsten Höhepunkt entgegen: Der Zuckerhut! Per Metro fahren wir bis Botafogo und laufen dann den Rest, der sich ewig hinzieht. Aber schließlich kommen wir am Praia Vermelha an. Dieses ist der erste Strand Rios, der am Atlantik liegt. Er ist aber nur 200 m lang und recht unbedeutend. Wir baden hier nicht, sondern genießen auf einer Bank sitzend die Aussicht auf’s Meer und den nahen Zuckerhut. Dann stellen wir uns in die Schlange für die Seilbahn an und kaufen Tickets. Relativ schnell kommen wir in die erste Gondel und fahren auf den 215 m hohen Urca. Von hier haben wir schon eine tolle Aussicht auf Rio und das gegenüberliegende Niterói. Dann geht’s in der zweiten Sektion bis auf den Pão de Açúcar (Zuckerhut), der 394 m hoch ist. Von hier hat man eine überwältigende Aussicht auf Rio mit seinen diversen Stadtteilen und Stränden, die Moros, die Hochhäuser, die Guanabara-Bucht, die Brücke nach Niterói und auch auf letztere Stadt. Leider ist die Menschenmenge hier aber auch riesig, und man tritt sich fast tot. Zudem gibt es viele Souvenirshops, Imbissbuden etc. Nach einer halben Stunde geht die Sonne in den hinter Rio liegenden Bergen am wolkenlosen Himmel unter – ein schönes Schauspiel über einer tollen Stadt! Wir warten noch eine knappe Stunde und dann liegt uns das hellerleuchtete Rio de Janeiro in schwarzer Nacht zu Füßen; dieser Eindruck ist noch eindrucksvoller und einprägsamer als bei Sonnenschein. In einer riesigen „Schlange-Steh-Aktion“ kämpfen wir uns dann wieder nach unten, fahren per Bus heim und genießen zum Abendessen eine Pizza. Als wir wieder im Hotel ankommen, fragt der Portier, ob wir Interesse hätten, am nächsten Tag eine Fahrt zu den „Ilhas tropicales“ mitzumachen. Wir lassen uns etwas darüber erzählen und stimmen dann, wenn auch skeptisch, zu.

Der kleine, feine Stadtstrand Praia Vermelha (= Roter Strand) [Bild REM]

Die Seilbahn führt auf den Pão de Açúcar (Zuckerhut) [Bild REM]

Der Praia de Botafogo in der letzten Sonne des Tages [Bild REM]

Nach dem Sonnenuntergang liegt uns ganz Rio de Janeiro zu Füßen [Bild REM]

Die Ilhas Tropicales entpuppen sich leider als Touristenfalle

Sonntag, 13.7. Pünktlich werden wir geweckt und es gibt schon vor 7 Uhr Frühstück im Hotel – eine Leistung für Südamerika! Ebenso pünktlich werden wir von einem Bus abgeholt. Dann geht es ewig lange durch Rio, um an diversen Hotels Leute abzuholen, die die Tour ebenfalls gebucht haben. Unsere „Animateurin“, wie es wohl auf neudeutsch heißt, nennt sich Jane und zeigt uns einige Strände etc., die wir beim Einsammeln passieren. Es beginnt mit dem berühmten Copacabana-Strand, dann folgt der momentan mondänste und teuerste Strand Ipanema, dann Leblón und schließlich São Conrado. Dann geht es endlich aus Rio ‚raus und übers Land mit vielen Dörfern, Kindern, Bananenanpflanzungen und anderen landwirtschaftlichen Pflanzungen bis nach Itacuraça, wo wir beileibe nicht der einzige Touristenbus sind, der ankommt. Der Ort liegt sehr schön an einer Bucht mit diversen großen und kleinen Inseln, von denen wir zwei Stück per Boot erreichen wollen. Während wir auf unsere Einschiffung in einem Haufen von Touristen warten (toll!), versuchen ein Dutzend Souvenirverkäufer bei uns ihr Glück: Hüte, Filme, Muscheln, bunte Bänder, Schmuck usw. umfasst ihr Angebot. Dann geht es auf ein 15 m langes, durch zwei Masten als Segelschiff getarntes Motorboot. Hier können wir ca. 25 Leute uns ganz nach Belieben in Sonne oder Schatten legen oder setzen und uns nach Gusto entkleiden – natürlich bis auf Badehose, denn topless oder noch weniger ist in Brasilien tabu. Die Landschaft ist einmalig schön: blauer, wolkenloser Himmel, grüne, baumbestandene Inseln mit weißen Sandstränden und stahlblaues Meer dazu. Allerdings löst die Anzahl der Boote und der Touristen bei Irene und mir nicht nur Begeisterung aus.

In dieser herrlichen Bucht gehen wir vor Anker [Bild REM]

Wir baden im warmen Wasser der Ilha Martins [Bild REM]

Die Leute an Bord sind größtenteils Argentinier, so geht es hauptsächlich auf Spanisch zu, das auch die Besatzung beherrscht. Nachdem wir eine Zeit getuckert sind, werden Platten mit Ananas, Bananen und Kokosnuss-Stückchen herumgereicht. Nach einer ¾ Stunde kommen wir an die Ilha Jaguanum, wo wir vor einem tollen, weißen, sauberen Strand ankern, allerdings neben sechs anderen Booten mit Touristen drauf. Dann kann man herrlich in dem warmen Wasser (ca. 23°C) baden und sich von der Sonne wieder trocknen lassen. Nach einer ½ Stunde geht’s weiter, und wir fahren zwischen diversen herrlichen Inseln hindurch bis zu Ilha Martins, wo wir an einem Steg anlegen.

Hier gibt es einen kleinen und einen großen Strand und dazwischen die komplette Touristen-Infrastruktur: 2 Restaurants, Souvenir-Shops, Klos, drei Papageien auf Bäumen, ein paar Bars etc. Zusätzlich sind mindestens 20 Boote mit Touristen hier – das hatten wir uns anders vorgestellt! Bis zum Mittag dürfen wir eine Stunde baden (Neckermann-Timing), aber der dreckige, volle Strand und die leeren Coca-Dosen im Wasser sowie die Aussicht auf eine Aluminiumfabrik auf einer allerdings weit entfernten Insel hält Irene aus dem Wasser und mich nur kurz drin. Das Mittagessen ist eine reine Fressorgie, denn jeder kann sich an einem Buffet mit Fisch, Fleisch, Saucen, Nudeln, Reis, vielen Obstsorten, diversen Salaten, Kuchen und Kaffee bedienen, bis er platzt. Mit uns am Tisch sitzt ein Italiener, der auch schon mehrere Südamerika-Fahrten hinter sich hat und dem in Salvador 800 US-$ im Hotel geklaut wurden – hoffentlich haben wir mehr Glück! Dann geht’s langsam wieder an Bord (Massen-Einschiffung) und retour nach Itacuraça, um nach Rio per Bus zurückzufahren. Irene ist todmüde und geht schlafen, während ich noch ins Centro gehe, um zu gucken, wann die brasilianische Fluggesellschaft Varig am Morgen öffnet. Am heutigen Sonntagabend ist mordsmäßig viel los: Vor den Kinos befinden sich riesige Menschenmassen, alle Kneipen sind überfüllt und die Straßen und Plätze sind saudreckig, weil irgendeine Wahlveranstaltung mit vielen Flugzetteln stattfand.

Können wir überhaupt unsere Flüge mit der Varig antreten?

Montag, 14.7.  Morgens sind wir gleich um 9 Uhr im Varig-Büro, wo wir unseren ersten Flug unseres Brasil-Air-Passes buchen wollten, nämlich Rio – Salvador. Erst müssen wir über eine halbe Stunde warten bis in dem halb benutzten, riesigen Büro endlich ein Fräulein für uns frei ist. Die stellt dann EDV-mäßig gleich fest, dass dieser Flug bereits ausgebucht ist. Auch bei zwei oder drei anderen Alternativen (Bezüglich Ort und Zeit) ist es nicht anders: ausgebucht. Das ist ja ganz Toll! Wir hatten bereits in Deutschland für 330 US-$ pro Person den sogenannten Brasil-Air-Pass gekauft, mit dem wir vier Wochen lang unbegrenzt innerhalb Brasiliens mit der Varig fliegen können. Und jetzt in Brasilien wird uns lapidar mitgeteilt, alles sei ausgebucht (in Deutschland buchen ging nicht). Meine Alternativen sind: Entweder 2×330 US-$ retour, bar, ohne Abzug auf den Tisch oder Buchung des Fluges, den ich will. Aber das läuft natürlich nicht, denn ich bin in der ungleich schwächeren Position: Ich bin derjenige, der was will und habe alle Möglichkeiten aus den Händen gegeben, als ich mein Ticket zahlte. Nachdem das Mädchen mir dreimal gesagt hat, dass es keine Möglichkeit gibt, verlange ich ihre Chefin. Das ist zwar gemein, aber mir egal. Ihre Chefin erzählt mir im Prinzip das gleiche, nämlich Geld gibt’s höchstens in Deutschland retour und die Flüge sind ausgebucht. Aber wir haben uns inzwischen überlegt, dass wir halt zunächst per Bus im Süden Brasiliens bleiben und erst dann losfliegen, wenn es Plätze gibt. Auf diesen Vorschlag einigen wir uns mit der Chefin (eigentlich wäre es ja Aufgabe der Varig gewesen, ihn zu machen!) und das Mädchen steht uns zur Verfügung, bis wir alle gewünschten Flüge reserviert haben. So müssen wir – was mir überhaupt nicht gefällt – in einer Rucki-Zucki-Aktion festlegen, wohin wir alles fliegen wollen und wie lange wir jeweils bleiben möchten, um dann die entsprechenden Reservierungen vor­zunehmen. Das Ganze dauert zwei Stunden, aber dann steht unser Plan. Am 23. 7. (in neun Tagen) geht der erste Flug in Foz do Iguaçu los. So haben wir mit etwas Spektakel ja doch geschafft, was wir wollten.

Unser Brasil-Air-Pass für unbegrenzte Flüge in Brasilien – sofern Platz ist (1986 noch alles handschriftlich!)

Unser spontan im VARIG-Büro erstellter Flugplan

Nachdem wir endlich unsere Flug-Aktion hinter uns haben, fahren wir per Metro zurück ins Hotel, kleiden uns Rio-mäßig leicht und fahren per Bus zum Copacabana-Strand raus. Diesen berühmtesten Strand der Welt hatten wir ja schon gestern per Bus kurz gesehen. Eine breite, vierspurige Straße, die teilweise mit Palmen bestanden ist, trennt den breiten Strand von den dicht an dicht stehenden Hochhäusern. Die machen die bekannte, typische Skyline der Copacabana aus. Teilweise sind es Hotels, größtenteils aber Apartment-Häuser begüterter Cariocas. Wenn man heute „in“ sein will, badet und wohnt man aber nicht mehr in Copacabana, sondern in Ipanema, dem sich gleich daran anschließenden Stadtviertel und Strand. Hierhin gehen auch wir natürlich. Die Häuserfront und Straße sind ähnlich, aber wir gehen zunächst an den breiten, sauberen Sandstrand. Dieser ist gut besucht, aber längst nicht überfüllt – 20 m sind es immer mindestens bis zu den nächsten Leuten. Am Strand liegend hört man nichts mehr von der befahrenen breiten Straße, sondern nur noch das Meer. Wir baden super im angenehm warmen, aber erfrischendem Wasser, wo es schöne Wellen gibt – es ist super-herrlich und wir sind begeistert. Nachdem wir in der Sonne getrocknet sind und noch eine Weile den Jungs zugeguckt haben, die sich im Wellensurfen üben, gehen wir über die Straße in eine Kneipe und trinken zwei Chopp (d.h. Bier vom Fass). Gegen 16 Uhr verschwindet die Sonne hinter den Hochhäusern und der Strand wird schattig.

An der Copacabana [Bild REM]

Wir gehen (in Latschen und Badehose) ein paar cuadras vom Strand weg, vorbei an vornehmen Boutiquen und Geschäften, wo alle lediglich Badehosen und dergleichen bekleidet, einkaufen. Dann kommen wir an den Lago Rodrigo de Feitas, einem riesigen See mitten in Ipanema. Während der Strand ein Cote-d’Azur-Bild abgab, fühlt man sich hier – keine 200 m weiter – wie in Genf, direkt am See. Diese Stadt ist wirklich einmalig. Sogar einen Doppelvierer sehen wir auf dem Wasser, was mich an meine alten Ruderzeiten erinnert! Mit Engelszungen überredet mich Irene, nicht in den Ruderverein zu gehen – also gut. Dann fahren wir zurück ins Hotel, ziehen uns um und fahren wieder retour nach Copacabana, wo Irene noch gerne einkaufen möchte. Sie ersteht einen flotten Badeanzug, während ich eine Badehose und Bermudashorts, die hier alle tragen, bei C&A (!) kaufe. Anschließend gehen wir eine kleine Pizza essen.

Der Süßwasserlagune Lago Rodrigo de Feitas (Vordergrund) ist nur durch einige cuadras vom Praia de Ipanema getrennt [Bild REM]

Dienstag, 15.7.  Vormittags lösen wir ein Problem, das mir schon lange auf den Nägeln brennt und für dessen Lösung ich zu faul bin. Aber Irene löst es. Nachdem wir einen Karton besorgt haben, packen wir ein großes Paket mit diversen Sachen, die wir eingekauft haben (ich z.T. auch schon vorher) und jetzt nicht gebrauchen. Dann transportieren wir es per Metro und per pedes zur Post, die ein ganzes Viertel in Rio darstellt. Nach einiger Sucherei mit dem schweren Paket finden wir den richtigen Schalter und Irene füllt diverse Formulare aus. Dann geben wir die 7,1 kg für 9 US-$ auf – es wird wohlbehalten in Deutschland ankommen. Anschließend kaufen wir bei einer Sammler-Sonderstelle einen ganzen Packen brasilianischer Briefmarken für deutsche Freunde ein.

Vom Corcovado hat man den besten Blick auf Rio

Am Nachmittag fahren wir per Zahnradbahn auf den Corcovado. Hier steht die berühmte Christusstatue mit ausgebreiteten Armen oberhalb von Rio de Janeiro. Übrigens sagen die Paulistanos (Bewohner von São Paulo), die Statue habe ausgebreitete Arme, weil sie applaudieren wolle, sobald sie die Cariocas (Bewohner von Rio) einmal arbeiten sähen. Aber bisher habe sie noch nicht klatschen müssen. Jedenfalls fahren wir auf den 700 m hohen Moro, auf dem die Statue steht. Dort oben ist ein Mordsrummel: Hunderte Menschen treten sich tot, es gibt zig Souvenirstände und Imbissbuden, die sehr dreckig sind. Aber der Ausblick auf die Stadt ist wunderbar. Noch weitaus schöner (und von der gegenüberliegenden Seite aus) als vom Zuckerhut sieht man Rio de Janeiro mit allen seinen Schönheiten unter sich liegen. Es ist tatsächlich die schönste Stadt der Welt, wie Alexander von Humboldt, Charles Darwin u.a. schon vor uns festgestellt haben. Allerdings müssen sie, um diese Aussage machen zu können, ja weitaus mehr von der Welt gekannt haben als wir.

Der wunderschöne und weltberühmte Blick vom Corcovado auf die Guanabara-Bucht mit dem Zuckerhut im der Mitte [Bild REM]

links ist die lange Brücke zum gegenüberliegenden Stadtteil Niterói im Dunst zu erkennen [Bild REM]

Wieder unten fahren wir per Bus zum Hotel zurück, bleiben dann jedoch in einer schönen Kneipe hängen, in der wir schon einmal waren. Zunächst genießen wir mit vielen anderen Leuten zusammen ein paar Chopp escuro (dunkles Bier vom Fass). Wir können es jedoch nicht lassen, hier auch Essen zu bestellen. Irene kriegt wieder eine Riesenportion Fleisch mit Bergen von Reis und Pommes frites und ich esse Bacalhau, das ist getrockneter Kabeljau (Stockfisch) mit Bratkartoffeln und Zwiebeln – eine berühmte brasilianische (und auch portugiesische) Spezialität. Als wir satt sind, d.h. eigentlich sind wir vollgefressen, sieht man fast nicht, dass unsere Portionen überhaupt berührt wurden. Kein Wunder, dass hier viele Leute so dick sind.

Mittwoch, 16.7.  Heute müssen wir Rio nun endgültig verlassen, wenn wir auch beide gerne noch bleiben würden. Aber wir wollen noch etwas mehr von Brasilien kennenlernen. Per Taxi (!) fahren zum Busbahnhof, wo wir bereits gestern Tickets für eine Fahrt nach Belo Horizonte erstanden haben. Pünktlich geht’s in dem überfüllten, modernen, dreckigen Busbahnhof in einem luxuriösen Reisebus los. Zunächst fahren wir wieder die wunderschöne Serra do Mar hinauf (das ist der Küstengebirgszug bei Rio), wobei wir uns über Serpentinen und tolle Brückenkonstruktionen nach oben schrauben. Dann geht es leicht bergab, und wir kommen durch Gebiete, die völlig kahlgeschlagen sind und wo kaum noch ein Baum steht. Eine traurige Landschaft. Bei Halbzeit machen wir Station in einem riesigen Laden mit Theke, an der man essen und trinken kann, sowie einem großen Verkaufsraum mit allem Denkbaren, wo die Brasileiros viel einkaufen. Nach sieben Stunden Fahrt kommen wir dann in BELO HORIZONTE an.

Die moderne Industriestadt ist riesengroß, sehr belebt und schön warm. Der Busbahnhof ist natürlich wieder total überfüllt, aber wir sehen zu, dass wir möglichst schnell herauskommen. In der Nähe gibt es viele Hotels und innerhalb kürzester Zeit haben wir im Hotel Magnon ein Zimmer mit Bad für nur 80,- Cz-$. Dafür rennen wir ewig durch die Gegend, bis wir ein Lokal finden, das aber längst nicht an die Qualität der Restaurants in Rio tippen kann.

Ouro Prêto in Minas Gerais

Donnerstag, 17.7.  Zu Irenes Begeisterung habe ich gestern Tickets für den Bus nach Ouro Prêto um 6.45 Uhr gekauft. Deshalb kann sie vor Muffe, dass wir den Bus verpassen könnten, die halbe Nacht nicht schlafen. Ich schlafe bombig, wache aber pünktlich um 5:30 Uhr auf. So kommen wir gut auf den Bus. Den ersten Teil der Strecke verpenne ich ‚mal wieder, aber dann kann ich die herrliche, bergige Landschaft genießen, die wir durchqueren. Deren Schönheit steht im krassen Gegensatz zum Interieur des Busses, das in bolivianischer Manier von Menschen total überfüllt ist, die es bereits teilweise verkotzt haben. Nach 2½ Stunden kommen wir im 98 km entfernten OURO PRÊTO an.

Eine Stadt mit 365 Kirchen, die „Schwarzes Gold“ heißt

Ouro Prêto, d.h. „schwarzes Gold“, ist eine alte Kolonialstadt aus dem frühen 18. Jh., die im Zentrum der brasilianischen Gold- und Diamantenminen liegt. Ähnlich wie Potosí in Bolivien (s. Teil 2: Südamerika 1986 – Rucksackreise Bolivien bis auf 4000 m Höhe) war sie ehemals sehr reich und ist von wunderbaren Kolonialgebäuden dominiert. Seit 1933 steht Ouro Prêto unter Denkmalschutz und seit 1980 ist die Altstadt UNESCO-Welterbe. Deshalb es dürfen keine neuen Gebäude errichtet werden. In der Stadt gibt es viele Touristen, aber auch die wichtigste Bergbauuniversität Brasiliens (wie in Clausthal-Zellerfeld). So ist das Stadtbild von Studenten und Touristen geprägt (wie Freiburg oder Tübingen). Die Busstation liegt außerhalb und oberhalb der Stadt, so dass wir noch 20 Minuten mit Sack und Pack marschieren, wobei wir einen herrlichen Blick auf die Stadt mit ihren pfannengedeckten Häusern und außergewöhnlich vielen Kirchen haben. Schließlich kommen wir an einen Platz und wollen nach einem Hotel suchen (es ist erst 9 Uhr), als uns ein junger Mann anspricht und fragt, welche Sprache wir sprechen und was wir suchen: Castellano und Hotel ist unsere Antwort. Er spricht ein Pseudo-Castellano, d.h. Portugiesisch, das er spanisch ausspricht und wir gut verstehen. Das erste Hotel ist viel zu teuer (350,- Cz-$ für ein unmögliches Zimmer). Nach einigem Suchen vermittelt er uns ein Privatzimmer für 100,– Cz-$ – das ist o.k.

So erleben wir Ouro Prêto bei der Ankunft mit dem Bus [Bild REM]

In wie viele Kirchen wird João uns führen?

Dann bietet João sich uns als Führer für Ouro Prêto an, und ich bin zu vornehm, um nach dem Preis zu fragen. Zuerst holen wir aber noch das fehlende Frühstück nach. Zunächst gehen wir vom Praça Tiradentes, dem Hauptplatz Ouro Prêtos, aus durch die Stadt und eine ganze Strecke bergauf bis wir zur ersten Kirche kommen. Diese kleine Kirche an exponierter Lage mit herrlichem Blick auf das alte Ouro Prêto wurde im 18. Uh. von schwarzen Negersklaven, die hier in den Goldminen arbeiteten, erbaut. Es ist eine wunderschöne Kirche, in der alle Altare in sehr feiner Schnitzarbeit ausgeführt sind. João erklärt uns viele Details, da ihm die Kirche auch sehr am Herzen zu liegen scheint, da er selbst Schwarzer ist. Die Goldauflage ist hier – im Gegensatz zu den anderen Kirchen – sehr gering, da das Gold von den Sklaven unterirdisch aus den Minen geschmuggelt werden musste. Bis 1884 – dem Jahr des Verbots der Sklaverei in Brasilien – war die Kirche ausschließlich den schwarzen Sklaven vorbehalten.

Nicht weit entfernt gelangen wir zur zweiten Kirche. Diese Minikirche ist abgesehen von ihren schönen, geschnitzten Barockaltaren deshalb von Bedeutung, weil zu ihr die Glocke gehört, die zu Tiradentes Tod geläutet wurde. Tiradentes ist DER Nationalheld Brasiliens und wurde 1792, als Brasilien noch portugiesische Kolonie war, wegen umstürzlerischer Machenschaften am 21. April gehenkt, das ist heute der Nationalfeiertag Brasiliens (wer weiß, wann in Deutschland die Baader-Meinhof-Glocke verehrt wird?). Bei sämtlichen großen Ereignissen Brasiliens wird die Glocke an den entsprechenden Ort transportiert, z.B. bei der Einweihung Brasilias 1960.

Anschließend machen wir einen langen Marsch, der uns halb um Ouro Prêto führt, und wobei wir herrliche Blicke auf die gesamte Stadt, ihre vielen Kirchen und Plätze sowie die herrliche Berg­welt der Umgebung haben (Ouro Prêto liegt über 1100 m hoch). Währenddessen erzählt uns João allerhand über die Stadt, ihre Geschichte und ihre Gegenwart.

Igreja Nossa Senhora do Carmo in der Nähe des Praça Tiradentes [Bild REM]

Eine sangesfreudige Studentengruppe am Praça Tiradentes [Bild REM]

Wieder am Praça Tiradentes angekommen, steigen wir in einen Uralt-Käfer (Baujahr 1970) und fahren 7 km bis zu einer ehemaligen Goldmine. Eigentlich wollte Irene aus Sicherheitsgründen auf keinen Fall in eine Mine, sie kommt aber doch mit. Auf einem Fahrwerk sitzend, das  an einem Stahlseil befestigt ist, werden wir eine unheimlich steile Strecke ca. 1 km weit in die Mine heruntergelassen. Sie besteht aus sehr großräumigen Höhlen und Gängen, die zu allen Seiten Nebengänge besitzen und mit elektrischem Licht ausgeleuchtet sind. Es ist also in keiner Beziehung (weder bezüglich Enge, noch bezüglich Tiefe, noch bezüglich Beleuchtung) ein Vergleich mit den Minen in Potosí. Hier muss das Arbeiten vergleichsweise ein Spaziergang gewesen sind. Unten angekommen, erzählt uns ein anderer Führer etwas über Geschichte etc. der Mine, wir verstehen aber kein Wort. Nachdem wir noch einen unterirdischen See besichtigt haben, geht’s mit der komischen Karre wieder aufwärts – das war nichts.

Auf diesem abenteuerlichen Gerät fahren wir in die Mine ein … [Bild REM]

… und diesem unglaublichen Antrieb vertrauen wir – erfolgreich! – unser Leben an! [Bild REM]

In Ouro Prêto geht’s dann zur Besichtigung der Kirche Nr. 3, der „Igreja São Francisco de Assis„, nachdem wir zuvor noch im Museum für Mineralogie waren. Irene beginnt langsam, unmutig zu werden. Die Kirche hat ein großes Portal, das von Aleijadinho, dem berühmtesten Sohn der Stadt, geschaffen wurde. Sein Name bedeutet „Krüppelchen“, denn er war an Lepra erkrankt. Er lebte im 18./19. Jh. und war als Bildhauer und Architekt am Bau vieler Kirchen in Minus Gerais, dem Bundesstaat, in dem wir uns jetzt befinden, beteiligt. Die Sakristei dieser Kirche dient als Aleijadinho-Museum mit tollen Ausstellungsstücken. Im weiteren Zuge unserer touristischen Mammuttour besichtigen wir ein Museum, das im ehemaligen Gefängnis und Rathaus, direkt am Praça Tiradentes, untergebracht ist. Hier sind viele Stücke aus der Revolutionsbewegung des Tiradentes zu sehen. Nachdem Irenes kulturelles Desinteresse mit Hilfe von Bananen überwunden ist, gehen wir zur vierten, letzten und tollsten Kirche. Das ovale (!) Kirchenschiff mit sechs Seiten- und einem riesigen Hauptaltar blendet vor Gold. Die Altare sind in kunstvoller Kleinarbeit geschnitzt und dann vergoldet worden – insgesamt mit angeblich 430 kg des Edelmetalls. Auch die Decken- und Wandgemälde sind sehr eindrucksvoll und geben wieder, dass Ouro Prêto ehedem eine der reichsten Städte der Welt war, aus der seinerzeit 80% der weltweiten Goldförderung stammte!

Igreja São Francisco de Assis von Aleijandinho erschaffen [Bild REM]

Feijoada und Kolonialarchitektur pur runden das Bild ab

Über steile Straßen mit wunderbaren alten Häusern geht es wieder nach oben zu unserer Pension. Wir zahlen João gerne die geforderten 200 Cz-$ und ruhen uns erst einmal gestresst aus. Später machen wir uns allein auf den Weg durch die schöne Stadt mit ihren vielen engen Straßen, Gängen und Winkeln. Aber bald ist es dunkel und wir essen in einem stilvoll eingerichteten Kellerlokal, wo wir neben „Feijoada completa“ (das brasilianische Nationalgericht bestehend aus schwarze Bohnen und Reis mit zig Beilagen und satt Schweine“fleisch“ wie Pfoten, Schwänze und Schnauze) einen sehr guten, aber teuren Weißwein mit Namen „Fürstenberg“ genießen. Feijoada war das typische Sklavenessen, ist noch heute sehr beliebt in Brasilien und wird normalerweise immer mittwochs und samstags in vielen Restaurants und Kantinen angeboten. Und es ist sehr kalorienhaltig!

Freitag, 18.7.  Nach dem Frühstück ist Irene anderweitig beschäftigt und ich marschiere den ganzen Weg ‚rauf zur Busstation, um für den Nachmittag Tickets für die Rückfahrt nach Belo Horizonte zu kaufen. Nach über 20 Minuten Fußweg trifft mich oben fast der Schlag: Vor der Bude steht eine Schlange von über 30 Leuten, die alle Tickets haben wollen! Also stelle ich mich in der prallen Sonne schön hinten an und warte. Das Schlangestehen läuft hier nämlich mindestens so diszipliniert wie im dafür berühmten Großbritannien. Nach über einer ¾ Stunde bin ich endlich dran und kriege wider Erwarten zwei Karten für den Bus um 17 Uhr. So haben wir noch ausreichend Zeit für Ouro Prêto.

Irene, die schon eine ganze Zeit am Praça Tiradentes wartet, und ich durchschlendern dann in aller Gemütsruhe die Stadt: Steile Straßen, schöne farbige Häuser, tolle Balkons, stille Hinterhöfe, von Touristen fast überfallene Geschäfte, Tante-Emma-Läden, tolle Restaurants, billige Kneipen, diverse weitere Kirchen, einen Markt für Kunstschmuck, auf der Straße biertrinkende Studenten, teure Schmuckläden, die in der Nähe gefundene Diamanten und andere Edelsteinarbeiten und tausenderlei andere Sachen verkaufen, besehen und bestaunen wir in dieser lebendigen Museumsstadt. Denn zu all diesem hatten wir bei unserer Kulturtour des Vortages keine Zeit. Zu Mittag essen wir gutbürgerlich in einem Restaurant abseits des Haupttouristenstroms, wo auch diverse Professoren der Minenschule essen, die an ihren Namensschildern erkennbar sind.

Kolonialarchitektur im Zentrum Ouro Prêtos [Bild REM]

Irene kann sich an den vielen Schmuckgeschäften noch nicht satt sehen. Am Vortag hatten wir eine Handlung für Edelsteine besichtigt, wo uns sehr schöne Stücke vorgelegt wurden (ohne Fassung u.a.). Aber beispielsweise ein „Esmeralda imperial“ (gelb) kostet 10.000 Cz-$, das sind über 500 US-$!! Erstens ist es viel zu viel Geld für uns, außerdem können wir überhaupt nicht den Wert in Deutschland einschätzen. Dann müssen wir uns aber auf den Weg zur Busstation machen. Bequemerweise nehmen wir jedoch ein Taxi, um den anstrengenden Aufstieg mit Rucksack etc. zu sparen.

Die weiteren Straßen sehen ebenfalls sehr kolonial aus [Bild REM]

Fast pünktlich geht unser Bus dann ab und um 19 Uhr sind wir dann im lebhaften Busterminal von Belo Horizonte. Nach Möglichkeit wollen wir am selben Abend gleich nach São Paulo weiterfahren, um am nächsten Morgen dort zu sein (10 Stunden Fahrt). Hier macht uns jedoch die brasilianische Gewohnheit, die Fahrten weit im Voraus zu buchen, einen Strich durch die Rechnung. Zwei Gesellschaften fahren die Strecke Belo Horizonte – São Paulo. Eine davon ist für die nächsten fünf Tage ausgebucht, vor dem Büro der anderen steht eine Schlange, die durch den halben Bahnhof geht! So eine Sch… Irene stellt sich aber trotzdem an, und ich besorge ein Zimmer. Als ich zurück bin und das Fräulein der Information konsultiere, wie wir schnell nach São Paulo kommen können, rät sie mir, zunächst nach Rio zu fahren, denn von dort gäbe es mehr Busse nach São Paulo. Also gut – für Rio kriege ich für den nächsten Morgen zwei Tickets und dort werden wir dann ‚mal weitersehen. Aber diese Schlangesteherei und die Schwierigkeiten Flug- und Busplätze zu bekommen wie hier in Brasilien habe ich sonst noch in keinem Land in Südamerika erlebt. Ferien sind im Moment hier aber auch nicht. Am Abend gehen wir noch eine Kleinigkeit essen und Tagebuch schreiben.

Samstag, 19.7.  In unserem recht einfachen Hotel gibt es wider Erwarten ein sauberes Frühstück: Kaffee, zwei Brötchen, Wurst, Käse, Butter und Marmelade. Daran könnte sich unser 2-Sterne-Hotel in Rio ein Beispiel nehmen. Um 9:15 Uhr geht’s dann per Cometa-Bus die uns bekannte Strecke nach Rio zurück. Es wäre ja schöner gewesen, eine andere Strecke, nämlich nach São Paulo zu benutzen, aber das ging ja nun einmal nicht. Am Nachmittag gegen 16 Uhr kommen wir wieder in Rio an. Inzwischen haben wir folgenden weiteren Reiseablauf festgelegt: Am Mittwoch nächster Woche geht morgens unser erster reservierter Flug Foz do Iguaçu – Salvador. Zuvor möchten wir einen Tag an die Wasserfälle und einen Tag nach Presidente Stroessner in Paraguay. Also müssen wir spätestens am Montagmorgen in Foz sein und jetzt ist Sonnabendabend. Demzufolge muss der Tag in São Paulo gestrichen werden und dafür eine Mammutfahrt Rio – Foz (22 Stunden) gesetzt werden. In Rio haben wir Glück und kriegen im Handumdrehen eine Karte für den 20.20 Uhr-Bus nach Foz am selben Abend.

Die vier Stunden bis dahin wollen wir nicht in dem blöden Busbahnhof verbringen, sondern fahren per Taxi ins Centro. Da es Samstagnachmittag ist, sind die Straßen total leer, die Geschäfte und Restaurants ausnahmslos geschlossen und lediglich viele Straßenfeger unterwegs. Denn in Brasilien ist am Sonnabend nach 14 Uhr im Centrum genauso wenig los wie (damals) in Deutschland. Nur am Markt wird wie immer Einiges geboten: Viele Menschen, Schuhputzer, Bettler, Verkäufer und diverse Cafés, die von biertrinkenden Menschen gut besucht sind. Zu diesen gesellen wir uns auch, trinken Bier und schreiben Tagebuch. Gegen später essen wir hier auch „etwas“ (natürlich wieder Riesenportionen) und nehmen dann ein Taxi zurück zum Busbahnhof. Hier starten wir dann zu unserer Riesentour nach Foz. Die gleiche Fahrt mit derselben Gesellschaft habe ich ja vor knapp zwei Wochen in umgekehrter Richtung schon gemacht. Wir halten an denselben Stationen, essen in denselben Restaurants etc. Obwohl wir in der vorletzten Reihe sitzen, fahren wir recht gut und können auch gut schlafen. Davor hatte Irene nämlich am meisten Manschetten.

Sonntag, 20.7.  Schon um 6 Uhr halten wir irgendwo zum Frühstück. Dann geht’s weiter Richtung Foz. Zu Mittag halten wir wieder in einem Restaurant, wo es Rodízio gibt. Obwohl ich Irene extra vorgewarnt habe, ist sie ob der Fleischmassen, die einem von den „Schwertträgern“ immer und immer wieder serviert werden, geschockt. Für 65 Cz-$ essen, nein fressen wir uns satt. Am Spätnachmittag fängt es erstmals an zu regnen. Um 19 Uhr kommen wir in FOZ DO IGUAÇU an. Hier ist zwar alles nass und vieles matschig, aber zum Glück regnet es nicht mehr.

Foz do Iguaçu in Paraná

Eine ganze Zeitlang suchen wir nach einem Hotel, denn es ist alles ausgebucht oder viel zu teuer. Schließlich finden wir ein sehr kleines, einfaches, lautes Zimmer im Hotel „Real„, das 200 Cz-$ für uns beide kostet! In Rio hatten wir auch nur 225,– Cz-$ bezahlt. Es muss aber trotzdem für Foz preiswert sein, denn genau dieses Hotel hatte Shaoul mir seinerzeit empfohlen. Zu Abend essen wir nur noch Petiscos, das sind kleine Portionen, die man zum Bier bestellt. Dazu trinken wir aber Caipirinha, das ist Zuckerrohrschnaps mit Zitrone und Eis – schmeckt super und wird Jahre später in Deutschland noch sehr populär werden. Dann gehen wir in unserem „tollen“ Hotel schlafen.

Was ist „segunda línea“ in Pte. Stroessner?

Montag, 21.7.  Heute kommt Irenes großer Tag: Wir fahren nach Pte. Stroessner, wo sie nach Herzenslust einkaufen kann. Ich hatte ihr von meinem Besuch dort erzählt und sie war natürlich gleich Feuer und Flamme ebenfalls dorthin zu fahren. Nachdem wir am Morgen in unserem einfachen Hotel „Real“ sehr gut gefrühstückt haben (Buffet mit diversen Obstsorten, Fruchtsalat, Wurst und Käse und Brot satt), ist Irene wieder mit dem Hotel versöhnt. Dann fahren wir per „Omnibus urbano internacional“ nach Stroessner. Vor der Grenzbrücke über den Rio Paraná ist ein Riesenstau, so dass wir den Rest per pedes machen. An der Grenze verzichtet der Grenzer großzügig darauf, von uns ein Visum zu verlangen und schon sind wir in PTE. STROESSNER und damit in Paraguay.

Der brasilianisch-paraguayanische Grenzübergang bei Foz [Bild REM]

Hier rennen wir den ganzen Tag von einem Geschäft ins andere und kaufen lustig ein. Nur endet die ganze Chose damit, dass ich mehr kaufe als Irene, nämlich Jeans (Pierre Cardin), (unechtes) Lacoste-Hemd und eine Leder-Reisetasche, weil meine Taschen-Neuerwerbung aus Asunción schon wieder reißt! Auch gucken wir viel nach einer Armbanduhr für mich, finden aber nichts Geeignetes, da wir uns über die angebotenen Qualitäten nicht ganz im Klaren sind. Die große Frage ist hier nämlich immer „primera linea“ oder „segunda linea„? Ersteres ist Originalware, letzteres irgendwo in Fernost nachgemacht. Z.B. gibt es Rolex-Uhren segunda linea für 20 US-$! Später stattet mich Irene noch mit einer neuen Duftnote aus! Kurz bevor es dunkel wird, begeben wir uns auf den Rückweg nach Foz. Nachdem wir unsere T-Shirts in eine Wäscherei gegeben haben, die sie günstig waschen, gehen wir essen. In einer Churrascaría gelandet, kriegen wir unerwarteterweise wieder ein Rodízio, dazu trinken wir einen trockenen, preiswerten Weißwein, der hier – im Gegensatz zu unseren Erfahrungen in Rio – recht gut schmeckt.

Shopping überall! [Bild REM]

Damals noch eher mit ostasiatischen Waren aus Japan als aus China [Bild REM]

Die Garganta do Diabo der Cataratas do Iguaçu toppt alles

Dienstag, 22.7.  Nach unserem Frühstücksbuffet gehen wir zum Busterminal, wo wir uns am Vortag schon nach Verbindungen er­kundigt haben und fahren per normalem Stadtbus um 8 Uhr für 10 Cz-$ zu den 35 km entfernten CATARATAS DO IGUAÇU den berühmten Iguaçu-Wasserfällen. Wir fahren eine Stunde bis zum „Hotel das Cataratas„, steigen aus und haben schon den ersten Blick auf die Fälle: Durch dichte, tropische Vegetation sieht man eine Vielzahl größerer und kleinerer Wasserströme über die Felskante in die Tiefe stürzen. Der Rio Iguaçu, der die Fälle bildet, ist die Grenze zwischen Brasilien und Argentinien. Der größte Teil der Fälle liegt auf argentinischem Territorium, ist aber von der brasilianischen Seite aus viel besser zu sehen. „Es gibt 200 kleinere und 20 größere Wasserfälle, die teilweise bis zu 80 m tief fallen“ (Originaltext von mindestens 10 Postkarten, wie sie damals üblich waren). Es gibt zwar keine „steilen Urwaldpfade“ wie der Reiseführer-Autor sie vor zwei Jahren begangen haben will, aber zu dieser frühen Tageszeit (9 Uhr) ist noch relativ wenig los und wir gehen einen sauber betonierten Fußweg entlang, der durch eine urwaldähnliche Landschaft führt und von wo aus man tolle Ausblicke auf die sich in immer neuen Formationen in die Tiefe stürzenden Wassermassen hat. Nicht ahnend, dass wir bislang lediglich die „200 kleineren“ Wasserfälle gesehen haben, gehen wir den Weg weiter und haben plötzlich einen tollen Blick auf einen Vorhang riesiger Wassermassen, die herabstürzen. Dieses ist der 70 m hohe Hauptfall der „Garganta do Diabo„, der Teufelsschlucht. Diese schneidet sich tief in die Felsen ein und von zwei Seiten aus stürzt das Wasser herunter. Langsam gehen die Wolken auch weg und mit der Sonne entsteht ein großer Regenbogen, der sich über der Teufelsschlucht wölbt. Direkt am Fall mit der größten Wassermasse ist ein hervorstehender Aussichtsbalkon, den auch wir fototechnisch nutzen (bei mir hängt schon seit zwei Jahren ein Poster über dem Bett, das genau hier aufgenommen worden sein muss). Mit einem Fahrstuhl fahren wir dann hoch und sehen die Fälle von oben. Da wir uns aber genau in Höhe der Oberkante befinden, kann man kaum sehen, dass sich genau hier die riesigen Wasserfälle ergießen. Den Vergleich mit den langweiligen und von Touristenrummel überladenen Niagarafällen soll man hier gar nicht anstellen, denn der Eindruck der Cataratas do Iguaçu ist ungleich größer und imposanter.

Das Klima an den Wasserfällen ist tropisch-heiß [Bild REM]

Selfies gab es noch nicht, mutig war so ein Bild vor der Garganta do Diabo trotzdem [Bild REM]

Die Wassermenge variiert im Laufe des Jahres sehr stark – wir hatten Glück! [Bild REM]

Nach einem „Misto quente“ gehen wir wieder nach unten und anschließend den Weg zurück. Währenddessen kommen uns ganze Horden von Touristen entgegen, die per Bus hierher gekarrt worden sind. Im vornehmen „Hotel das Cataratas„, das im Kolonialstil erbaut ist, trinken wir ein Bier und ruhen uns etwas aus. Gegen Mittag machen wir – es ist wieder recht „touristenfrei“ – eine dritte Runde Cataratas und fahren dann per Bus zurück nach Foz. Nachdem wir unsere Wäsche von der Reinigung geholt haben und Irene ihre Putz- und Flickstunde beendet hat, gehen wir ins Zentrum des nicht sehr aufregenden aber teuren Foz und essen gegen später gut zu Abend.

Salvador da Bahia

Mittwoch, 23.7. Bereits um 4 Uhr morgens werden wir geweckt (es klappt!) und fahren um 5:15 Uhr per Bus zum Flughafen, um uns für unseren ersten Flug des „Brasil Air Passes“ (Foz – São Paulo – Salvador) einzuchecken. Das klappt auch ganz gut, nur startet unser Flieger dann nicht, und zwar aus rechtlichen Gründen: Es herrscht ein solcher Nebel, dass man die Hand vor Augen nicht sehen kann. So warten wir 3½ Stunden in der kalten Halle bis unser Flieger um 9:30 Uhr endlich startet. In der Zwischenzeit sind wir für eine spätere Maschine São Paulo – Salvador umgebucht worden. Nach Zwischenlandung in Curitiba kommen wir um 12 Uhr in São Paulo an, wo unser nächster Flieger schon ½ Stunde später starten soll. In Hektik rasen wir über den riesigen Flughafen zu unserem Ausgang. Aber nach 10 Minuten Warten heißt es, der Abflug verzögere sich um eine Stunde. Also wieder warten. In Ruhe erkunden wir den hypermodernen, luxuriösen Flughafen, kaufen den „Stern“, eine deutschsprachige brasilianische Zeitung und ein deutsches rororo-Buch. Schließlich starten wir tatsächlich um 14 Uhr.

Erster VARIG-Flug mit unserem Brasil-Air-Pass – Nebel verzögert den Start [Bild REM]

Wir sitzen in einer sehr geräumigen DC 10, die ich ansonsten nur von Transatlantik-Flügen kenne. Der Service ist ebenfalls super. Zunächst werden per Zange heiße, nasse Tücher verteilt, um sich die Hände reinigen zu können. Dann gibt’s Essen von Porzellan-Geschirr und Metall-Besteck sowie ausreichend Wein. Nach zwei Stunden Flugzeit kommen wir in SALVADOR DA BAHIA an, der Hauptstadt des Bundesstaates Bahia, die bis 1763 (vor Rio) die Hauptstadt Brasiliens war. Zum Ausstieg werden Schirme verteilt, denn es gießt in Strömen, ist aber 27°C warm!

Jeder Passagier wird im starken Regen bei der Ankunft in Salvador mit Regenschirm abgeholt und zum Terminal begleitet! [Bild REM]

Hotelsuche im Dunkeln bei strömendem Regen

Wir kriegen gleich den Flughafenbus zum Centro, nachdem wir unseren Weiterflug nach Recife bestätigt bekommen haben. In einer fast 1½-stündigen Fahrt geht es an den herrlichen Stränden der Baía de Todos os Santos (Allerheiligenbucht) entlang, die palmenbestanden sind und wo riesige Wellen ans Ufer laufen. Immer noch gießt es in Strömen und ein Großteil der Leute springt lediglich mit einer Hose bekleidet durch die Straßen, damit nicht alles nass wird. Bahia ist der „brasilianischste“ Staat Brasiliens, denn hier ist der afrikanische Einfluss besonders groß. So ist auch der überwiegende Teil der Bevölkerung schwarzer Hautfarbe. Schließlich kommen wir mitten in Salvador am „Praça da Sé“ an und steigen aus. Hier soll es laut Reiseführer verschiedene Hotels geben. In leichtem, aber wegen der Wärme nicht sehr störenden Regen, gehen wir auf die Suche. Schließlich finden wir das „Pousada da Praça„, das klein, sauber, freundlich und günstig ist.

Nachdem wir uns gewaschen haben, machen wir uns – es ist schon lange dunkel und wieder trocken – auf die Socken, um unsere Umgebung zu erkunden. Wir wohnen im Centro, das sicherlich nicht  die beste, aber zweifellos die interessanteste und typischste Gegend Salvadors ist. Über den Praça da Sé kommen wir an den nächsten Platz, wo sich viele Kirchen, aber noch mehr Nutten befinden. Irene findet es sehr obskur! Wir machen eine Runde um diesen schönen Platz, der von alten, kolonialen, portugiesischen Häusern umstanden ist. Allerdings sind uns alle Seitengassen zu dunkel, um hineinzugehen. Lediglich eine, die Rua Alfredo de Brito, erscheint uns akzeptabel. Diese alte, krumme Straße gehen wir hinunter und besuchen verschiedene Ateliers, in denen es Bilder, Masken, Holzschnitzereien etc. zu besichtigen gibt. Einem freundlichen Schwarzen kauft Irene fast eine tolle alte Tür ab, in die er ein sehr schönes buntes Fischmotiv geschnitzt hat. Lediglich meine Drohung, ihr die 2 m² große Tür auf den Rucksack zu schnallen, hält sie vom Kauf ab. Aber toll wäre sie schon gewesen! Aber wir erstehen ein wunderschönes Aquarell mit Bahianerinnen in ihrer Tracht, das auch noch ein akzeptables Maß für den Transport hat.

Unser neuerstandenes Aquarell mit Bahianerinnen

Dann kommen wir zum Largo do Pelourinho, dem wunderschönen, zentralen Platz des uralten Stadtteils Pelourinho. Es gibt sehr schöne, renovierte Gebäude und hier liegen die berühmte Kochschule „Senac“ sowie andere Restaurants. In eines gehen wir hinein und essen etwas zu Abend. Nach einiger Zeit gesellt sich ein kleiner Junge von 10 oder 11 Jahren zu uns, den wir zu Fanta und Sandwich (hier „sanduich“ geschrieben) einladen.

Geraten wir tatsächlich in einen Überfall?

Mit ihm zusammen verlassen wir gegen 23 Uhr das Lokal und gehen zurück zum Hotel. In der fast menschenleeren Rua Alfredo de Brito geht Irene zwei Schritte vor uns, und ich konzentriere mich dabei zu verstehen, was der Junge mir erzählt. Plötzlich springt mich einer an, greift nach meinem Arm und reißt an meiner Uhr herum: Überfall! Zuerst wehre ich mich kurz, aber dann fällt mir gleich ein, dass einem jeder rät, sich bei einem Überfall in Brasilien ja nicht zu wehren, nach dem Motto: Besser Uhr weg als Messer im Bauch. Dann hat er meine Uhr (Modell „Swatch“, Kostenpunkt DM 60,-) auch schon abgerissen und rennt weg. Ohne zu überlegen, renne ich hinterher und schreie laut: „Du Schwein“! Dann bleibe ich aber stehen, denn wer weiß, wohin der rennt und nachher wird es nur noch schlimmer. Er ist vielleicht 50 m entfernt, da kommt ein weiterer Mann auf ihn zugesprungen, der einen Revolver in der Hand hat, wie man im Schein einer Straßenfunzel erkennen kann. Ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll und bleibe stehen. Schließlich möchte ich nicht wegen der Uhr in eine Gangsterschießerei verwickelt werden. Der Mann mit dem Revolver hält jedenfalls den anderen fest und führt ihn die Straße entlang an mir vorbei. Vielleicht ist er ja ein Zivilpolizist – wer weiß? Das alles läuft innerhalb einiger Sekunden ab. Dann kommt Irene, bringt mein weggeworfenes Tagebuch und wir gehen hinter den beiden her, die sich in Richtung Praça da Sé bewegen. Ich bin zwar sicher, daß die Uhr noch irgendwo auf der Straße liegt, aber es ist mir zu riskant, hier noch danach zu suchen. Am Praça da Sé gibt es ein Glashäuschen, das als Polizeiwache dient. Mit Hilfe eines Franzosen, der portugiesisch spricht, erklären wir den diversen Polizisten, was vorgefallen ist. Während dessen durchsuchen sie den Mann, der mich überfallen hat, der die Uhr natürlich nicht mehr hat. Dann hockt er in Badelatschen, Sporthose und Unterhemd in der Ecke. Er ist unheimlich muskulös und hat Gesichtszüge, die mich an Quasimodo erinnern. Die Polizei fragt uns, ob wir bereit seien, eine entsprechende Aussage zu machen. Das scheint hier offenbar nicht üblich zu sein. Ich sage ja, allerdings unter der Bedingung, dass das nicht hier in diesem Glaskasten passiert, sondern im richtigen Polizeirevier. Draußen steht nämlich eine ganze Menschenmenge und gafft. Und es braucht ja nicht jeder zu wissen, dass ich es bin, der den Mann verpfeift, schließlich will ich noch ein paar Tage lebendig durch Salvador gehen.

Die „Rua Alfredo de Brito“ am nächsten Tag im Hellen [Bild REM]

Wir sollen dann per Polizeiwagen zum Revier gebracht werden. Irene und ich sitzen vorne neben dem Fahrer, vier Polizisten und der Täter sitzen hinten auf Pritschen. Dann machen sie ewig rum und fahren nicht los. Ich höre immer das Wort „comandante„. Offensichtlich soll der Kommandant auch mit, ihm ist aber nicht zuzumuten, dass er hinten auf der Pritsche sitzt. So biete ich an, mich nach hinten zu setzen. Damit habe ich einen dicken Stein bei den Polizisten im Brett. Dann fahren wir los in Richtung Revier. Obwohl wir zweimal anhalten und der Kommandant es ihnen verbietet, prügeln die vier jungen Polizisten die ganze Fahrt über auf dem Mann, der mich überfallen hat, herum und freuen sich dabei. Mit der flachen Hand auf den Kopf und Gesicht und mit dem Knüppel auf Rücken und Kopf geht es hauptsächlich. Ich bin total geschockt und versuche zunächst verbal und dann tätlich dazwischenzugehen. Denn so geht es ja nicht, der Mann ist noch nicht verurteilt und nichts. Die Polizisten lachen nur und sagen, ich als Gringo verstände eben nichts. Damit haben sie zweifellos recht, aber etwas Rechtsstaatlichkeit sollte doch beibehalten werden.

Im Revier angekommen, kriege ich meine Uhr, die ein Polizist tatsächlich gefunden hat, wieder. Allerdings ist der Verschluss gerissen und bei den billigen Swatchuhren kann das Armband nicht gewechselt werden. Mit viel Mühe auf beiden Seiten, erkläre ich den Polizisten noch einmal alles, während der „mutmaßliche“ Täter wie ein Häufchen Elend weinend in der Ecke sitzt – er tut mir leid, denn was für Lebensumstände müssen einen Menschen zu so einem Überfall treiben, wenn damit derartige Risiken verbunden sind? Währenddessen unterhält sich Irene gut mit einem jungen, flotten Polizisten. Da es schon nach Mitternacht ist, kriege ich keine Bestätigung für meine Versicherung, sondern nur eine Quittung für den Tagebucheintrag, mit dem ich am nächsten Tag wiederkommen muss, um die Bestätigung zu holen. Dann werden wir von der Polizei zum Hotel zurückgefahren. Das war endlich einmal wieder interessant.

Warum ist das Polizeirevier verlassen?

Donnerstag, 24.7. Das Centro, wo unser Hotel liegt, befindet sich in der Oberstadt von Salvador. Die Ober- und Unterstadt sind mit zwei Zahnradbahnen und einem Fahrstuhl miteinander verbunden. Per Fahrstuhl, der den symbolischen Preis von 0,15 Cz-$ (1,5 Pfg.) kostet, fahren wir nach unten. Es ist sehr warm und feucht, so dass man gut schwitzt. Deshalb habe ich meine neuen Bermuda-Shorts an. Unten am Fahrstuhl befinden sich gleich ein kleines Hafenbecken, eine Marinegebäude und der Mercado Modelo. In diesem ehemaligen Zollhaus ist heute auf zwei Etagen ein Markt eingerichtet, wo man in zig kleinen Geschäften eine Fülle an handwerklichen Kostbarkeiten, Klöppelarbeiten, Stickereien, Musikinstrumente, Bilder oder Lederwaren erstehen kann. Ich kaufe ein sehr schönes Aquarell mit Frauen in der rationellen Tracht Bahias und Irene ersteht eine weiße Bluse mit gesticktem Muster. Nachdem wir uns hier zwei Stunden herumgetrieben haben, – ich war zwischenzeitlich zweimal draußen, um zu trocknen und Fotos von den Fischern zu machen – gehen wir ins zugehörige Lokal. Auf dem Balkon mit Blick auf Hafen und kleinen Markt genießen wir Bier und Shrimps-Salat. Wir kommen mit einem Brasilianer aus Belo Horizonte ins Gespräch, der perfekt deutsch kann und jetzt in New York arbeitet.

Der Mercado Modelo liegt direkt am Hafen von Salvador [Bild REM]

Fischerboote im Hafen an der Bucht „Todos-os-Santos“ [Bild REM]

Und der Fang wird gleich vor Ort verkauft [Bild REM]

Anschließend fahren wir per Taxi zum Polizeirevier, um dort die Bestätigung für die Versicherung zu holen. Dort angekommen, ist aber nichts los, und es sind nur zwei Männer anwesend. Schließlich kommt heraus, dass die Polizei im Streik ist! Das darf doch nicht wahr sein. So goldig, wie ich zunächst vermute, ist es aber doch nicht für die Verbrecher, denn der Streik gilt nur für die Verwaltung. Aber dann gibt es halt nichts Weiteres für die Versicherung. Nach der Rückfahrt mit dem Taxi steigen wir am Mercado Modelo aus und beobachten wie eine Gruppe Schwarzer den berühmten Verteidigungstanz Capoeira vorführt. Dann gehen wir zum Hotel zurück, um uns etwas auszuruhen.

Links der Aufzug, der Hafen und Unterstadt mit der Oberstadt Salvadors verbindet [Bild REM]

Am Nachmittag machen wir uns wieder auf den Weg nach Pelourinho, wobei wir meine „Überfallstraße“ unbehelligt passieren. Wir besuchen verschiedene Kirchen, machen Fotos am „Largo do Pelourinho„, wo die Kirche „Nossa Senhora do Rosário dos Pretos“ (ehemalige Kirche der Negersklaven) in tiefblau leuchtet und die anderen Häuser in rosa Tönen. Wir begeben uns noch weiter in dieses uralte Viertel, das nachts nicht ungefährlich ist, das man tags aber ohne Probleme besuchen kann. Überall wimmelt es von Kindern und Jugendlichen, die Fußball spielen, Kleinigkeiten verkaufen etc. Der größte Teil von ihnen ist schwarz in allen Schattierungen: Es geht von dunkelstem kongoschwarz von Familien, in denen wohl noch nie ein Weißer war bis zum recht Hellhäutigen, die nur noch an den Haaren als Verwandte der Schwarzen zu erkennen sind. Es ist schon ein tolles Feeling in diesem bunten Völkergemisch umherzulaufen.

In der Altstadt von Salvador mit ihrem morbiden Charme [Bild REM]

Spielende Kinder in der Nähe von Pelourinho [Bild REM]

Werden auch afrikanischen Speisen in der Kochschule „Senac“ angeboten?

Am Abend gehen wir in die auch hier liegende Kochschule „Senac“. In dieser staatlichen Schule werden Köche und Ober ausgebildet. Mittags und abends gibt es ein Büffet, an dem man sich mit den reichhaltigen Speisen der Küche Bahias bedienen kann. Ähnliches werden wir später auch noch in Belém an der Amazonas-Mündung erleben. In Bahia wird sehr viel anders gekocht als in den südlichen Staaten Brasiliens, so dass es auch für die Brasilianer eine Attraktion ist, hier zu essen. Zu den sehr guten, aber ungewohnten Speisen versuchen die jungen, unerfahrenen 16- bis 20-jährigen Ober Getränke zu servieren. Es klappt zwar nicht alles so richtig, ist aber toll, ihnen zuzuschauen. Um 20 Uhr beginnt im Hof des Senac eine Folklore-Show. Hier werden acht verschiedene Tänze Bahias vorgeführt. Wir sind begeistert von dem Gebotenen und besonders beeindruckend ist der Unterschied zwischen einigen Tänzen, die sehr portugiesisch/spanisch anmuten und anderen, die sehr afrikanisch wirken. Nach der einstündigen Show genießen wir noch einen Campari (wird hier sehr viel getrunken und auch in Brasilien hergestellt) an der Bar des Senac und beobachten die jungen Ober. Sicherheitshalber fahren wir abends den einen km zum Hotel per Taxi zurück!

Am „Largo do Pelourinho“, links die Kirche „Nossa Senhora do Rosário dos Pretos“, rechts daneben die Kochschule „Senac“ [Bild REM]

Viele Bahianerinnen kochen in traditioneller Kleidung [Bild REM]

Ausflug auf die Insel Itaparica in der Bucht Todos os Santos

Freitag, 25.7.  Heute wollen wir einen Ausflug machen zu der Insel Itaparica, die in der Bucht „Baía de Todos os Santos“ liegt, an der sich auch Salvador befindet. Per Bus fahren wir zum Hafen ‚raus und laufen dann einfach hinter allen Leuten in Badehose hinterher. So kommen wir zum Anleger, wo wir für 3,- Cz-$ unsere Tickets erstehen. Um 9:30 Uhr legt die Fähre ab und in einer 40minütigen Fahrt kommen wir nach Itaparica ‚rüber, es sind nur 17 km. In Salvador war es heute schattig und dunstig, auf Itaparica ist schönes Wetter. Am Anleger der Insel will uns ein Taxifahrer partout eine Fahrt aufschwätzen, aber wir fahren per Bus zum Hauptort der Insel, der auch Itaparica heißt. Hier ist es recht heiß und nicht viel los. Ein kleiner Muschelverkäufer bietet sich uns als Fremdenführer an, und wir leihen drei Fahrräder. Allerdings haben wir nach einer Stunde schon alles dreimal gesehen und geben die Räder zurück. Viel ist hier wirklich nicht los. Auf einem Platz sind Tische und Stühle aufgestellt, wo wir Fische und Bier genießen, während wir im Schatten sitzen. Sehr praktisch ist, dass es in vielen brasilianischen Restaurants die Einrichtung des „Tira Gosto“ gibt, d.h. zum Probieren. Man kriegt kleine Portionen und hat trotzdem für die Hitze genug gegessen. Als wir dort sitzen, kommt plötzlich das Paar wieder, das wir gestern am Mercado Modelo kennenlernten; er ist derjenige, der so gut deutsch sprach. Mit den beiden zusammen – sie sind übrigens Geschwister – fahren wir per Colectivo zum Strand „Ponte de Areia„. Im Gegensatz zu den meisten Stränden der Insel ist er recht sauber. So baden wir und verbringen den Nachmittag in der Sonne am Strand zusammen und dabei trinken wir Bier. Die Bierflaschen werden hier wegen der Hitze in Styroporbehältern stehend serviert! Nach recht langer Wartezeit fahren wir per Colectivo zur Anlegestelle zurück und dann per Schiff nach Salvador, wo wir im Dunkeln ankommen. Die beiden überreden uns, am Abend nochmals ins „Senac“ zu gehen, wo wir uns um 20.30 Uhr verabreden.

Die Fähre nach Itaparica [Bild REM]

Im Zentrum Itaparicas [Bild REM]

Wir essen wieder sehr gut und trinken brasilianischen Weißwein dazu. Er wird zwar vornehm im Kühler serviert (ist hier auch dringend notwendig), aber die Ober bringen sich immer um, mit dem Korkenzieher eine Weinflasche zu öffnen. Als wir fertig sind mit dem Essen, kommen noch zwei Freunde von den beiden, und wir fahren zu sechst per Käfer durch Salvador, um in noch eine Kneipe zu gehen. Irene ist wegen der Uhrzeit zwar nicht begeistert, aber das lasse ich überhaupt nicht gelten. Nach langer Fahrerei gehen wir schließlich in ein Restaurant mit Musik, das am Strand in Richtung Flughafen liegt. Wir tanzen zwar ein bisschen, aber die Musik ist saublöd, nichts Brasilianisches, wie man es sich vorstellt, sondern furchtbar langsam. Ab Mitternacht will Irene partout ins Hotel, aber die anderen machen keine Anstalten, zu gehen. Schließlich brechen wir auf, aber nur, um in eine andere Disco zu fahren. Erstens ist heute ja Freitag und zweitens sind Brasilianer keine Schwaben und gehen nicht um 12 Uhr „hoim“. Aber in der anderen Disco ist absolut kein Platz zu kriegen. Obwohl sie noch woanders hingefahren wären – und ich auch noch mitgegangen wäre – mache ich den vermittelnden Vorschlag, heimzufahren. Sie bringen uns ins Hotel und nach Adressentausch verabschieden wir uns.

Samstag, 26.7. Heute Abend geht unser nächster Flug nach Recife. Damit wir aber nicht schon zu Mittag aus dem Hotel müssen und vor dem Abflug auch noch duschen können, zahlen wir für die nächste Nacht auch noch mit. So haben wir quasi noch einen vollen Tag in Salvador. Morgens gehen wir zunächst wieder zum Mercado Modelo, wo Irene für 50 US-$ eine große, weiße Tischdecke kauft, die mit Richelieu-Stickerei durchlöchert ist. Heute ist das Wetter besonders schlimm: Es sieht nach Regen aus, ist sehr heiß und feucht, einfach unangenehm. Wir haben keine große Lust, etwas zu unternehmen. Am Vormittag bummeln wir dann noch etwas durch die Stadt und essen zu Mittag in einem sehr einfachen Lokal am Hafen, wo wir sehr nett und freundlich bedient werden. So ist es hier übrigens oft: Dort, wo es einfach und preiswert ist, sind die Leute nett und freundlich und man wird gut bedient. Aber sowie es vornehmer und teurer wird, ist man allzu häufig nur noch von Zeitgenossen der unangenehmen Art umgeben.

Schwarz-weißes Badevergnügen

Nach dem Essen holen wir unser Badezeug vom Hotel und fahren per Bus an der Todos-Santos-Bucht entlang, bis wir zu einem Strand kommen, der uns gefällt: Wenig Leute, relativ sauber, Schatten von Palmen und hohe Wellen (sehr hoch!). Ich springe gleich in die Fluten, halte mich aber inmitten einer Horde von schwarzen Jungs, denn bei den Mordswellen weiß man nie, was passiert. Jedenfalls ist es super, dort zu baden. Als ich wieder ‚raus­komme, lacht Irene sich kaputt: Es sei ein Bild für die Götter gewesen, ich als Strahlendweißer zwischen den ganzen Schwarzen. Obwohl Irene der Strandfax von uns beiden ist, geht sie nicht ins Wasser. „Ich habe zwar keine Angst vor den Wellen, aber trotzdem“. Aber trotzdem, was? Später bade ich noch einmal, d.h. eigentlich lasse ich mich nur von den Wellen herumwirbeln. Dann gehen wir eine Caipirinha trinken und fahren per Taxi zum Hotel zurück, da wir keinen Bus kriegen. Im Taxi kriege ich eine „darmmäßige Attacke“ und bin gottfroh, als ich im Hotel auf’s Klo kann.

Fazit: Salvador ist trotz allem schon jetzt und wird immer meine Lieblingsstadt in Brasilien bleiben, die wir in späteren Jahren noch häufig besuchen werden!

Recife in Pernambuco

Nachdem wir unsere Rucksäcke gepackt haben, fahren wir per Bus zum Flughafen ‚raus, checken uns ein und warten auf unseren Abflug. Aber kurz bevor es losgehen soll, wird dieser um 1½ Stunden verschoben, und wir müssen wieder ewig warten. Währenddessen können wir den sehr modernen und schönen Flughafen genau erkunden. Am beeindruckendsten ist die Tatsache, dass die gesamte Abfertigungshalle nur drei Wände besitzt. Zur Vorderseite ist sie komplett offen und man könnte per Taxi ganz ‚reinfahren. Um 22:15 Uhr geht’s dann endlich los und nach einem kurzen und schmerzlosen Flug landen wir gegen 23 Uhr im 800 km entfernten RECIFE im Bundesstaat Pernambuco. Während ich mich um’s Gepäck kümmere, besorgt Irene an der Hotelvermittlung des Flughafens schon eine Unterkunft, denn wir wollen zu der Uhrzeit nicht noch suchend durch die Stadt geistern. Per Taxi lassen wir uns dann hinbringen und kriegen ein etwas muffiges, aber sauberes Zimmer mit Air-Condition direkt am Strand Boa Viagem. Der Junge am Empfang kann sogar englisch.

Unser Hotel am Strand Boa Viagem

Sonntag, 27.7.  Bereits vor dem Frühstück gehe ich um 8 Uhr über die Straße und bin schon am Strand von Boa Viagem und springe in die Wellen. Das Wasser ist wunderbar warm und der Strand ist um diese Zeit schon gut besucht. Mit ein paar Schritten bin ich dann wieder in unserem Hotel „Praia & Sol“ und kann duschen. Dann gehen wir zum Frühstück. Heute wollen wir nach Olinda, dem ältesten Stadtteil von Recife. Aber vorher setzen wir uns noch auf die Terrasse und schreiben Tagebuch. Während Irene mit ihren Kurzberichten immer vorbildlich auf dem Laufenden ist, hänge ich schon wieder eine Woche hinterher. Nach einiger Zeit kommen wir mit Uli und Claudia ins Gespräch, die hier auch wohnen und aus Hannover kommen. Zusammen gehen wir dann an den Strand zum Baden, wobei sich Irene an einem Felsen das Knie anschlägt, das leider stark blutet. Wir wollen dann gemeinsam per Bus nach Olinda fahren. Aber zuvor lädt Veronica, die Leiterin unseres kleinen Hotels, Irene und mich noch zum Mittagessen ein. Wir wissen nicht warum, aber es ist ja sehr nett.

Auf der Terrasse unseres kleinen Hotels in Recife [Bild REM]

Der schöne Strand von Boa Viagem lädt immer zum Baden ein [Bild REM]

Olinda macht seinem Namen alle Ehre

Mit einem übervollen Bus sind wir vier eine Stunde unterwegs bis wir endlich in Olinda ankommen. Der Ort ist sehr nett und in seiner alten, fast unveränderten portugiesischen Bauweise als Kontrastpunkt zum modernen 1,5 Mio Einwohner zählenden Recife zu betrachten. Nachdem wir einige alte Straßen und palmenbestandene Plätze gesehen haben, kommen wir zur Kirche São Francisco, wo auch ein Markt stattfindet. Hier wird alles Mögliche an traditionellen Artesanías angeboten, aber auch viele Flippies verkaufen selbstgemachten Schmuck aus Metall, Leder und Knochen. Irene und Claudia sind einmal wieder in ihrem Element. Von dieser auf einem Hügel gelegenen Kirche hat man einen wunderschönen Ausblick auf das sehr grüne Olinda (d.h. „oh wie schön“) mit seinen vielen Kirchen, die Küste und das Meer sowie auf das im Hintergrund liegende Recife. Olinda ist eine alte holländische Gründung, die noch heute mit zahlreichen Kolonialbauten versehen ist und ihrem Namen damit alle Ehre macht.

Das kräftige Grün und zahlreiche junge Leute prägen das Bild von Olinda [Bild REM]

Musikeinlage vor einer Sambaschule – für den Karneval muss immerzu trainiert werden [Bild REM]

Die Kolonialbauten leiden ziemlich unter dem feucht-heißen Klima an der Küste [Bild REM]

Ein typischer brasilianischer Eisverkäufer in Olinda [Bild REM]

Bis es gegen 17:30 Uhr dunkel wird, marschieren wir noch durch den Ort. Dann streiken die Frauen und wollen etwas essen und trinken. Veronica hatte uns eine Bar und ein Restaurant empfohlen. Zunächst suchen wir die Bar. Auf dem Weg dorthin beobachten wir zwei Jungs, die von einer hohen Palme aus in einem Park Kokosnüsse ernten. Einer ist nach oben geklettert (ca. 12 m!) und haut ein Bündel Nüsse los, das er zuvor mit einem Seil befestigt hat. Der andere steht unten und lässt die Nüsse langsam mit dem Seil ‚runter. Auf der Suche nach unserer Bar helfen uns zwar verschiedene Leute. Aber alle schicken uns in die verkehrte Richtung. Dann geben wir auf und lassen uns per Taxi zum Restaurant „Subará“ fahren, das direkt am Meer liegt. Zu Abend essen wir dann nicht sparsam, aber sehr gut: Caipirinha, Weißwein und Bier fließen (fast) in Strömen, dazu genießen wir Langusten, bzw. Camarões (Shrimps). Wir leben also wirklich fürstlich und zahlen hinterher gar nicht viel. Schließlich lassen wir uns noch per Taxi ins Hotel fahren.

Die Millionenstadt Recife ist eine Mischung aus afrikanischer, indianischer und europäischer Kultur

Montag, 28.7.  Nachdem ich mein obligatorisches morgendliches Vorfrühstücks-Bad am Strand genommen habe, fahren wir per Bus nach Recife ‚rein, um die Stadt zu erkunden. Wie von Geisterhand geführt, kommen wir natürlich zuerst in die Straßen, wo der Markt stattfindet. Irene ersteht Souvenirs, ich neue Badelatschen. Sehr schön ist eine von einem Franzosen vor 100 Jahren erbaute Markthalle im Stil der ehemaligen Pariser Hallen. Auf dem umgebenden Gemüse- und Fischmarkt gibt es wieder tolle Fotomotive. Irene ist nicht sehr begeistert von meiner neuen Bermuda-Hose, so dass wir eine andere kurze Hose für mich suchen. Denn bei dieser Hitze hier kann selbst ich nicht mit langer Hose ‚rumlaufen. Schließlich kriegen wir eine „Bermuda de Tenis„, die aber längst nicht so lang ist. Marke: Elite-Sport! Sportklamotten sind in Brasilien überhaupt sehr gut und preiswert, aber bei den Temperaturen läuft ja auch fast jeder immer in Sportzeug herum.

Im historischen Zentrum von Recife [Bild REM]

Auf den farbenfrohen Märkten lassen sich immer alle gerne fotografieren [Bild REM]

Die Vielfalt uns unbekannter Früchte ist groß und wird am Amazonas noch zunehmen [Bild REM]

Nachdem wir diverse Sehenswürdigkeiten wie Kirche, Plätze, Kloster etc. abgeklappert haben, gehen wir im Restaurant „Dom Pedro“ essen. Kunden sind hauptsächlich Banker etc. der umgebenden Geschäfte. Am Nebentisch sitzt ein Rechtsanwalt, mit dem wir ins Gespräch kommen. Seine 22jährige Tochter ist seit zehn Monaten in Hamburg verheiratet, und er möchte gerne, dass wir telefonischen Kontakt zu ihr aufnehmen. Als er uns das erzählt, stehen ihm die Tränen in den Augen. Er schreibt uns genau auf, wo er wohnt und lädt uns ein, ihn am Abend zu besuchen, was wir auch versprechen. Als wir zahlen wollen, sagt der Ober, es sei schon bezahlt. Daraufhin will ich mich bei dem Mann bedanken, der aber sagt, er habe nicht bezahlt, sondern es sei auf Kosten des Hauses gewesen! Anschließend besichtigen wir noch das sehr schöne Theater von Recife, das 1850 von einem französischen Baumeister komplett mit französischem Material erbaut wurde und noch heute so genutzt wird. In der Nähe befindet sich ein ehemaliges Gefängnis, das vor zehn Jahren renoviert wurde und jetzt als „Casa de Cultura“ viele Souvenirläden beherbergt. Mir ist es bald viel zu heiß und stickig dort, so dass ich draußen warte, während Irene alle Läden abklappert. Dann fahren wir per Bus in unser Hotel zurück.

Gegen 20 Uhr gehe ich zu dem Rechtsanwalt, wozu Irene allerdings keine Lust hat und im Hotel bleibt. Der Mann wohnt nicht weit weg vom Hotel und ich laufe in zehn Minuten dorthin. Außer ihm sind seine Frau, sein Sohn und seine andere Tochter auch da. Sie haben ein ganz nettes Haus, aber natürlich läuft das Fernsehgerät – wie immer in Brasilien. Sie bieten mir ein Bier an und schreiben mir die Adresse von ihrer Hamburger Tochter Andrea auf. Obwohl es in Deutschland jetzt 2 Uhr nachts ist, ruft er bei seiner Tochter an, und ich spreche auch mit dem Mann (Thorsten), der natürlich nicht sehr begeistert ist, zu der Zeit geweckt zu werden. Ziemlich bald gehe ich dann wieder, denn die Unterhaltung ist so mühsam und Irene wartet im Hotel. Wir gehen dann anschließend noch eine Portion Fisch essen und dann schlafen.

Und morgen geht’s weiter auf unserem Weg entlang der Atlantikküste Brasiliens in Richtung Norden, nämlich nach Fortaleza im Bundesstaat Ceará. Davon und wie es danach weitergeht, werde ich Euch im nächsten Beitrag in Reisefreak’s ReiseMagazin und ReiseBlog berichten.

Bisherige Reiseberichte von der Rucksackreise 1986

Olaf Remmers 1986 in Peru - Titelbild

Südamerika 1986: Backpacking in Peru [Vintage]

   Infobox Autor: Olaf Remmers Reisezeit: Mai/Juni 1986 für den Teil "Peru" Art der Reise: Selbstfinanzierte Rucksackreise Lesezeit: Minuten    Tagebuch meiner 2. Südamerika-Reise: Perú, ...
white and black mountain under blue sky during daytime

Südamerika 1986: Rucksackreise Bolivien bis auf 4000 m Höhe [Vintage]

   Infobox Autor: Olaf Remmers Reisezeit: Juni 1986 für den Teil "Bolivien" Art der Reise: Selbstfinanzierte Rucksackreise Lesezeit: Minuten    Tagebuch zweite Südamerika-Reise: Perú, Bolivien, ...
a valley in the mountains

Südamerika 1986: Nord-Argentinien – im Land der Pachamama [Vintage]

   Infobox Autor: Olaf Remmers Reisezeit: Juni 1986 für den Teil "Argentinien" Art der Reise: Selbstfinanzierte Rucksackreise Lesezeit: Minuten    Tagebuch zweite Südamerika-Reise: Perú, Bolivien, ...
a view of a city from a bird's eye view

Paraguay 1986: Auswanderer, Diktatoren und Mormonen

   Infobox Autor: Olaf Remmers Reisezeit: Juni/Juli 1986 für den Teil "Paraguay" Art der Reise: Selbstfinanzierte Rucksackreise Lesezeit: Minuten    Tagebuch 2. Südamerika-Reise: Perú, Bolivien, ...
aerial photography of cityscape near sea

Brasilien 1986 (1): Zuckerhut, Goldminen und gigantische Wasserfälle

   Infobox Autor: Olaf Remmers Reisezeit: Juli 1986 (für diese Teilstrecke) Art der Reise: Selbstfinanzierte Rucksackreise Lesezeit: Minuten    Tagebuch der 2. Südamerika-Reise: Perú, Bolivien, ...
Titelbild zu Brasilien 1986 (2), copyright by Olaf Remmers

Brasilien 1986 (2): Futuristische Architektur, Amazonas-Urwald und endlose Traumstrände

   Infobox Autor: Olaf Remmers Reisezeit: Ende Juli bis August 1986 (für diese Teilstrecke) Art der Reise: Selbstfinanzierte Rucksackreise Lesezeit: Minuten    Tagebuch der 2 ...
Titelbild Südamerika 1986 Teil 7 - Bild copyright Olaf Remmers

Uruguay + Argentinien 1986: Einzigartige Oldtimer und Tango around the clock

   Infobox Autor: Olaf Remmers Reisezeit: August 1986 (für diese Teilstrecke) Art der Reise: Selbstfinanzierte Rucksackreise Lesezeit: Minuten    Tagebuch der 2. Südamerika-Reise: Perú, Bolivien, ...

Titelbild von: Agustin Diaz Gargiulo

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