Stockholm, Schweden: Hipstermania in trendy Södermalm

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Hipstermania in trendy Södermalm, dem Brooklyn Stockholms

Ein Gastbeitrag von Alexandra vom Blog travelingtheworld.

Neulich in München-Hipsterhausen aka Glockenbachviertel, die „Hood“ von Kollege Markus, von dem ich mir die Wortkreation Hipsterhausen ausgeliehen habe. Nicht irgendeinen Kaffee bestellen wir bei unserer Redaktionssitzung in der Kaffeerösterei in der Müllerstraße. Flat White für mich, Cold Brew mit Bitterorange für Markus. Serviert von einem der drei Hipsterbaristas, uniform zurecht gemacht mit Undercut, Hipsterbart, Band-T-Shirts und Karohemden.

Vom Arbeiterviertel zum Hipsterhausen

Ich trage weder Undercut noch besonders hippe Klamotten; seitdem ich freiberuflich arbeite, lege ich meine Euros lieber für die nächste Reise zurück, als sie in irgendwelche trendigen Boutiquen zu schleppen. Trotzdem ziehen die Hipsterhausens dieser Welt mich magisch an. Die gentrifizierten, ehemaligen Arbeiterviertel der Metropolen, die, wenn man es genau nimmt, eigentlich schon gar nicht mehr hip sind, weil die wirklich Coolen, die Kreativen, die Avantgarde, schon längst weitergezogen sind in die noch nicht gentrifizierte Nachbarschaft.

Das war schon bei meinem Praktikum 1999 in New York so. Wir schlürften zunächst in den überteuerten Bars in Soho unseren Cosmopolitan für 20 Dollar, entdeckten dann recht schnell, dass die Lower East Side und die verrufene Alphabet City im East Village viel cooler waren. Und es richtig abgefahren war, am Sonntag in den G-Train nach Brooklyn-Williamsburg zu steigen, um ein bisschen was von der Bohemian-Luft der Künstler einzuatmen, die sich schon damals in den alten Fabrikgebäuden ihre Ateliers eingerichtet hatten.

Stockholm, der Inbegriff von Skandi Coolness

Kürzlich war ich in Stockholm. Die Schweden sind ja gemeinhin bekannt für’s Trendsetting, egal ob bei Design, Mode, Musik oder Film. Und erst die Stockholmer. Ich habe mich selten so unhip gefühlt wie in der Hauptstadt der Skandi Coolness, wo jeder und alles total lässig, unaufgeregt, aber gleichzeitig unglaublich stilvoll und hip daherkommt. Das fängt an beim Barista im Coffee Shop in Gamla Stan und endet bei der Verkäuferin mit den wasserstoffblonden, raspelkurzen Haaren und der Jeanslatzhose im Marlene-Stil in der Filiale von Acne in Norrmalm.

Ich trage keine Latzhose, meine Jeans stammt auch nicht vom hippsten Jeanslabel aller Zeiten und meine umgehängte Kamera weist mich zweifelsohne als Touristin aus. Doch ich wage mich vor, ins Hipsterhausen von Stockholm, nach Södermalm. Nur einen Katzensprung von Gamla Stan, der pittoresken Altstadt Stockholms, liegt auf einer der 14 Inseln Stockholms „Söder“, wie die Locals diesen hügeligen Stadtteil nennen, in dem im 19. Jahrhundert die wenig betuchten Arbeiter ihr Zuhause hatten. „Söder“ heißt übersetzt übrigens „Süden“. Der Kontrast zwischen den engen Gassen mit Kopfsteinpflaster und den mittelalterlichen Häusern von Gamla Stan und dem, was die Vogue 2014 als eine der 15 coolsten Stadtviertel der Welt identifiziert hat, könnte nicht größer sein.

„SoFo“, Streifzug durch Stockholms Hipsterhausen Södermalm

Man kann von Gamla Stan über eine der mehr als 50 Brücken der Stadt zu Fuß nach Södermalm laufen, nach Slussen, einem ziemlich hässlichen Verkehrsknotenpunkt, wo es auch den berühmtesten „Herring“-Stand der Stadt gibt, Nystekt Strömming, angeblich ein Muss, wenn man auf frittierten Ostseehering steht. Wenn man die Metro bis Medborgaplatsen nimmt, landet man direkt im Epizentrum von Stockholms Hipsterhausen – in „SoFo“. Dieses Akronym, Ähnlichkeiten mit „SoHo“ sind wahrscheinlich völlig unbeabsichtigt, steht für „South of Folkungatan“, also das Viertel südlich der Folkungatan.

Vor allem in den Parallelstraßen der Folkungatan wie Kocksgatan, Asögatan, Bondegatan und Skanegatan findet das Hipsterherz alles, was es braucht, um höher zu schlagen: Dutzende kleine Cafés, Bars und Restaurants, von grungy über retro bis puristisch, Boutiquen junger Designer, dazu jede Menge Second-Hand-Shops. Second-Hand- und Vintage-Geschäfte gibt es unzählige in SoFo, genauso wie Lokale, die sich „local sourcing“ auf die Fahnen schreiben. Es scheint, Nachhaltigkeit ist eines der Erfolgsrezepte der Hipsterhausens dieser Welt, das gilt für Brooklyn-Williamsburg genauso wir für München-Glockenbach und Stockholm-Södermalm.

Södermalm

Södermalm-Cocktail-außen

Södermalm-Shop-Holzhaus

Södermalm_SmileyVintage

Södermalm

Södermalm

Stockholm-Södermalm-Meatballs-Sign

Södermalm

 

In SoFo trifft Skandi Coolness auf Retro-Chic. Ein echter „Söder“ ist, wer nachmittags in seiner upgecycleten Lederjacke von Deadwood und einer Jeans aus nachhaltig produziertem Denim von Nudie Jeans mit einer Einkaufstasche des Konzept-Stores Grandpa in der Södermannagatan kurz im Urban Deli am Nytorget bei einem Bio-Rosé durchschnauft. Um dann bei Smiley Vintage unter dem Blick der Mona Lisa, die als Gemälde an der Wand hängt, nach ein paar Second-Hand-Schätzchen zu wühlen, bei Swedish Hasbeens ein paar Hipsterclogs zu shoppen und im kunterbunten Laden Cocktail ein paar Einrichtungsaccessoires in knallpink zu erwerben.

Vielleicht noch kurz bei Papercut vorbeischauen? Dann noch eine Fika mit Zimtschnecke und Kaffee – für dieses klassische, schwedische Ritual ist der Söder nicht zu cool – im Café String oder besser noch im Johan & Nyströmone, das von The Telegraph als einer der weltbesten Coffeeshops ausgezeichnet wurde. Um zu guter Letzt noch einen Tisch zu ergattern im Meatballs for the People, um modern interpretierte Köttbullar aus Elch oder Wildschwein zu verspeisen, natürlich ökologisch, und dazu ein lokal gebrautes Bier zu genießen.

Ich shoppe nicht in SoFo, der Wechselkurs treibt mir die Tränen in die Augen. Ich drücke mir aber die Nasen platt an den Schaufenstern, schlendere durch das ein oder andere Geschäft, mache einen Fika-Stop in der Skäningen Kaffeebar und probiere tatsächlich die schwedischen Fleischbällchen in Preiselbeersoße im Meatballs for the People. Wahrscheinlich sollte man auf seiner „Must-See“-Liste für Stockholm unbedingt das berühmte Vasa-Museum abhaken, das Skansen Freilichtmuseum und den Königspalast in Drottningholm, doch ich finde, man lernt eine Stadt viel besser kennen, wenn man ihre Viertel durchstreift und sich vom Flair abseits der Monumente und Museen gefangen nehmen lässt. Das hatte ich am Vortag schon in Vasastan gemacht, einem von der Architektur her eher großbürgerlichen Viertel, das jedoch ebenfalls viele junge Galerien, coole Einrichtungsgeschäfte und großartige Antiquitätenläden beherbergt.

 

Södermalm

In der Skäningen Kaffeebar lerne ich Lilly kennen. Lilly ist schon weit über 60, sie scheint auf den ersten Blick gar nicht ins hippe SoFo zu passen. Doch gerade das fasziniert mich, ich muss sie ansprechen, muss unbedingt dieses Motiv  fotografieren: Die eine Hand blättert in einer jiddischen Version von Puh der Bär, die andere Hand hält eine Zigarette und berührt die leer getrunkene Espressotasse. Lilly lebt schon seit über 20 Jahren in SoFo, direkt neben dem Skäningen. Sie kann sich nicht vorstellen, woanders in Stockholm zu wohnen. Sagt aber auch, dass sich das Viertel extrem verändert hat. Und dass es ein bisschen zu weit geht in Sachen Hipness.

Da ist sie nicht die einzige. Die wirklichen Bohemians sind längst weitergezogen, Richtung Süden, nach Söderort oder Richtung Osten, nach Liljeholmen. In Söderort gibt es z. B. die Konsthall C, eine ehemalige Wäscherei, in der man neben alten Waschmaschinen vor allem politisch inspirierte Kunst findet. In Liljeholmen, einem industriell geprägten Viertel vier Metrohaltestellen von Slussen, gibt es wohl echte  Subkultur. Zum Beispiel in der Färgfabriken, einer alten Farbenfabrik, wo zeitgenössische Kunst ausgestellt wird, Donnerstags ein Nachtflohmarkt stattfindet und man am Wochenende brunchen kann.

Keine Subkultur, aber dafür großartige, zeitgenössische Fotografie findet man am nordöstlichen Rand von Södermalm, im Fotografiska. In dem 1906 erbauten ehemaligen Zollhaus haben die beiden Brüder Jan und Per Broman eines der besten Museen der Stadt geschaffen. Ich hatte das Glück, zur Eröffnung der Bryan-Adams-Ausstellung dort zu sein, die noch bis Oktober läuft. Unbedingt auch das Café bzw. das Restaurant besuchen und bei einem Beerensaft und einem Mango-Baiser- oder Dark-Chocolate-Törtchen den Ausblick durch die riesigen Panoramafenster genießen – zumindest von hier erhasche ich einen Blick auf Skeppsholmen und die grüne Insel Djurgarden, die zeitlich leider nicht mehr in mein Programm gepasst hat.

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Das andere Södermalm: Mariatorget und Hornsgatan

Es gibt noch ein zweites Södermalm abseits von SoFo, und zwar das Södermalm rund um den Mariatorget und die Hornsgatan. Hier ist es immer noch hip, aber der Coolnessfaktor ist etwas geringer. Am hübschen, begrünten Mariartorget, dessen Straßenlaternen aussehen wie Wohnzimmerlampen, lohnt es sich, einen Blick in das Hotel Rival zu werfen. Wer es bei einem Stockholm-Besuch zeitlich nicht ins ABBA-Museum schafft, kann hier ein wenig ABBA-Flair schnuppern, denn das Hotel mit angeschlossenem Bistro gehört Benny Andersson. Auf dem Balkon gaben sich einst die Darsteller des Films Mamma Mia anlässlich der Filmpremiere ein Stelldichein.

Wer Hunger hat, stärkt sich mit „100% Nordic Organic Fastfood“ im Kalf & Hansen direkt um die Ecke, das Lokal ist so klein, dass man auf den Holztreppen, die als Sitzgelegenheiten dienen, fast gestapelt sitzt, doch das Essen sieht phantastisch aus. Mit einem Zimtschneckeneis aus dem 18 smakeri bummele ich die Hornsgatan und den Hornsgatspuckeln entlang, vorbei an den Ateliers von Keramik- und Glaskünstlern wie Blas & Knada und Brandstationen. Und denke mir, es ließe sich gut leben, hier in Södermalm!

Danach geht es steil bergauf, auf den Mariaberget. In dieser Ecke von Södemalm herrscht kein Hipsterhausenfeeling. Inmitten der windschiefen, alten Holzhäuser, die zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert erbaut wurden, fühle ich mich wie in einem kleinen, verschlafenen Dorf irgendwo auf dem Land. Hier ist es egal, dass ich keine Hipsterklamotten trage. Die Hipsterfrisur wäre sowie zersaust, bis ich schnaufend auf demMonteliusvägen ankomme, um die Aussicht auf Gamla Stan zu genießen. Ich sollte vielleicht nicht so häufig Fika machen …

Södermalm

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Mehr über Södermalm, die Stockholmer Kaffeepause Fika sowie Kunst und Design in Vasastan könnt Ihr übrigens hier nachlesen: Stockholm: Design, Kunst und Fika

Während meiner vier Tage in Stockholm habe ich nicht nur Hipsterluft geschnuppert, sondern mir auch Ostseeluft um die Nase wehen lassen – im Stockholmer Schärengarten. Mehr dazu findet Ihr hier: Stockholms Schärengarten: Klippen und Kunst

 


Danke für den Gastbeitrag an Alexandra vom Blog travelingtheworld. Ihre Reise nach Stockholm wurde mit freundlicher Unterstützung von Norwegian, Visit Stockholm und dem Hotel HTL Kungsgatan ermöglicht.

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Ein Kommentar

  • Chris

    Ein sehr schöner Gastbeitrag. Vor allem weil er so ausführlich ist und auch viele anschauliche Bilder bietet. Danke dafür!