Oper Turandot in Bregenz: Die Dame braucht reichlich Vorspiel

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Ohne Vorbereitung nur die halbe Freude

Eine Kopfsammlung, eine Frauenleiche und viele Steine

Wie ich mit meiner Begleiterin wieder einmal die Bregenzer Festpiele besuchte und davor allerhand Wissenswertes über Vater Rhein und den Bodensee erfuhr.

Mit 7 Tipps für einen gelungenen Turandot-Opernabend

In diesem Stück sterben viele Menschen.

Selbst der Opernkomponist Puccini hat die Oper nicht überlebt.

Nur ein paar Kilometer von Bregenz Richtung schweizer Grenze entfernt, besuchen wir das Museum „Rhein-Schauen“ in Lustenau.

Wir beobachten, wie das „Rheinbähnle“ rangiert. Die Lok muss umgesetzt – also von hinten nach vorne – werden, denn heute am späten Nachmittag geht noch eine weitere Fahrt mit einer Gruppe Richtung Rhein-Mündung in den Bodensee.

Wer noch ein wenig mehr Zeit mitgebracht hat als wir, der erlebt bei einer Fahrt mit dem Bähnle, gezogen von historischen Elektroloks aus den 1940er Jahren, oder sogar einer Dampflok aus dem Jahr 1910 oder 1920 das Naturschutzgebiet am Bodensee.

 

 

Im Museum, gleich neben dem „Bahnhof“ des Rheinbähnle, wird „Technik zum Anfassen“ präsentiert. In diesem, „Rhein-Schauen“ genannten österreichisch/schweizerischen Museum erlebst Du die Geschichte des  Rheins mit seinen Hochwässern und Überschwemmungen.

Über 120 Jahre gelebte Geschichte kannst Du selbst erkunden, aber noch besser wird es, wenn Du Dich einer lebendigen Führung von Kennern der Materie anschließt, zum Beispiel von Lehrer Gerald Grahammer, einem Lustenauer Urgestein und alten Bekannten von mir, den ich in Ladakh kennengelernt habe.

Lass dich mitreißen vom Rhein, der die Menschen und das Leben dieser Region immer schon bestimmt und beherrscht hat.

 

 

 

 

Wir müssen unseren Parkplatz in Bregenz blockieren, denn die ersten Gäste der Oper sammeln sich schon. Wie schon letztes Jahr (Link unten) parken wir so, dass wir beim Ende der Oper nicht im Stau stehen, und genießen von der Mole des Jachthafens die wunderbare Atmosphäre des Bodensees.

Wer zu spät kommt, den straft das Leben. Er darf dann Schleifen drehend nach einem Parkplatz suchen und hoffen, dass die Oper nicht ohne ihn anfängt.

Schiffe ziehen vorbei, Segelboote gleiten vorüber, und die Fahnen aller Herren Länder flattern im Wind, während wir am Ufer des Sees ein Picknick im Licht der langsam untergehenden Sonne machen.

 

 

 

Ich hole die Karten, und obwohl es noch einige Zeit bis zum Anfang der Oper ist, suche ich noch ein paar Fotomotive in Zuschauerraum und Bühnenbild.

TURANDOT – von GIACOMO PUCCINI

Das „lyrische Drama“ in drei Akten und fünf Bildern wird in einem Zug durchgespielt. Dementsprechend ungemütlich und eng wird es nach einiger Zeit auf den Hartschalensitzen, trotz mitgebrachter Polster. Aber da muss man durch. Die 6.980 (minus 1) anderen tun es ja auch. Und reisen mitunter von weit her an. Stau von 1 Stunde und mehr auf der Lindau-Bregenz-Strecke inclusive.

Gesungen wird auf italienisch. Auf zwei Tafeln wird das Libretto auf deutsch übersetzt. Was ich davon halte, liest Du am Ende des Beitrages bei „Tipps“.

Zum Inhalt

Drei Rätsel stellt die chinesische Prinzessin Turandot jedem Mann, der um ihre Liebe wirbt. Bisher hat sie keiner lösen können, und alle haben dafür mit ihrem Kopf bezahlt.

Einem unbekannten Prinzen gelingt das Unmögliche: er kann alle drei Fragen beantworten. Doch Turandot möchte sich trotzdem nicht erobern lassen, deshalb ist der Prinz bereit zu sterben, wenn sie bis zum nächsten Morgen seinen Namen herausfindet. Keiner darf diese Nacht schlafen und muss nach dem Namen forschen…

Mit Calafs Arie Nessun dorma wurde Giacomo Puccinis Oper Turandot weltberühmt. Vor der mächtigen Kulisse der drachenförmigen Mauer im Bodensee hallt diese Arie in die Nacht.

Marco Arturo Marellis Bühnenbild spielt mit chinesischen Herrschaftssymbolen. Die riesige Mauer ist vom längsten Bauwerk der Welt, der Chinesischen Mauer, inspiriert.

Diese Mauer wird von über zweihundert Terrakotta-Kriegern durchkreuzt, die in den Himmel wie ins Wasser streben.

Auch in der Musik sind chinesisch erscheinende Klänge zu hören. Puccini ließ sich von Melodien aus Spieluhren inspirieren, die ein befreundeter Diplomat aus China mitgebracht hatte.

Doch so chinesisch Puccinis letztes Bühnenwerk erscheinen mag, seine Handlung stammt ursprünglich aus einem persischen Märchen und die Musik zieht sämtliche Register der italienischen Oper.
Der mächtigen Turandot steht die aufopferungsvolle Liu gegenüber, die den Prinzen Calaf liebt (wie sich herausstellt, eine Sklavin – Herr – Liebe und eher platonisch als handfest) und das Geheimnis seines Namens mit in ihren ergreifenden Tod nimmt. Das Volk betrauert diesen Tod ebenso leidenschaftlich wie es zuvor das Spektakel der Enthauptung von Turandots Brautwerbern genossen hat. Akrobaten und Feuerkünstler, Tänzerinnen und Soldaten feiern Turandots Auftritt im zweiten Akt.

Doch bevor sie dem Prinzen ihre Rätsel stellt, offenbart sie, warum sie so eiskalt geworden ist: Vor langer Zeit wurde ihre Ahnin von einem Mann misshandelt und getötet.

Turandots Maske ihrer Vorfahrin kann Calafs Liebe schließlich brechen. Wie es sich Puccini wünschte, kehren die beiden

„durch die Liebe unter die Menschen zurück, und diese Liebe muss von allen Personen auf der Bühne Besitz ergreifen.“

Währenddessen sind die Köpfe der geköpften Prinzen von willigen Helfern in Glasbehältern fein säuberlich konserviert. Und das Blut des letzten enthaupteten Prinzen, das von den Zinnen der Palastmauer herab rann, ist immer noch zu sehen.

Eine abstruse Geschichte, fürwahr.

 

 

 

Die letzten Schiffe bringen Zuschauer bis direkt ins Auditorium, danach senkt sich die Nacht über den effektvoll angeleuchteten „Drachen“.

Eine Gestalt beschäftigt sich mit einem kleinen Kasten. Wir hören nichts, bis jemand in der Regie den richtigen Schalter findet und – nach einem Knacksen –  eine Spieluhrmelodie (siehe oben) über die Lautsprecher überträgt. Und dann stürzt die Mauer ein. Jedenfalls ein Teil davon

Und ich habe keine Ahnung, warum. Siehe auch meine Tipps am Ende des Beitrags.

 

 

 

Die – etwas abstruse – Handlung nimmt ihren Lauf, und als sich der Deckel der riesigen Dose auf dem Bühnenbild öffnet, erscheinen dort die verschiedensten Bilder, von einem Vollmond-artigen Gesicht über einen Strahlenkranz bis zu einem Drachen – und vieles mehr.

Mich irritiert vor allem in fast jedem Bild auf diesem Deckel ein wie von Laserstrahlen erzeugtes 12-Punkt-Bild (3×4 Leuchtpunkte), das dort bestimmt nicht hingehört. Wieder so ein technischer Defekt, denke ich mir, wie von der Spieldose, die man anfangs nicht gehört hat.

Aber das bleiben die beiden einzigen Irritationen dieses Abends. Das gut geölte Räderwerk der Opernaufführung greift ineinander:

Zur Technik

Marco Arturo Marelli, Bühnenbildner und Regisseur in Personalunion, stellte sich der Herausforderung Seebühne zum ersten Mal.

„Man kann sich nicht vorstellen, wie komplex und kompliziert diese riesige Bühne ist.“

Marelli staunt, was man am See alles berücksichtigen muss:

„Gewicht, Wind, Wasser und Hochwasser noch dazu.“

Er habe ein erstes Modell gebaut, ein zweites, ein drittes, erzählt Marelli. Was nun in Bregenz zu sehen ist, sei das Ergebnis der beispiellosen Zusammenarbeit mit dem Technikteam. Marelli:

„Wir haben zweieinhalb Jahre miteinander gearbeitet. So intensiv war die Zusammenarbeit mit der Technik noch nie.“

Liebe und Tod im Breitbildformat

40 Technikfirmen aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und aus Rumänien wirkten an der Entstehung Chinas im Bodensee mit.

Für Giacomo Puccinis dramatisches Spiel um Liebe und Tod (eher um Tod und Wahnsinn) geht die Festspielbühne in die Breite: Wie ein riesiger chinesischer Drache schlängelt sich der Eyecatcher, eine riesige Mauer, 72 Meter über die Bühne.
Marco Arturo Marelli ließ sich nicht nur vom „exotisch-erotischen Wunschbild“, das man im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert vom Fernen Osten hatte, inspirieren. Er spürt im Spiel um Liebe und Rache, um Mord und Selbsttötung auch Giacomo Puccinis Frauenbild und der Biografie des früh verstorbenen Meisters großer Gefühle nach.

 

650 Mauersteine

haben Frank Schulze und Kascheur Arno Hagspiel für das monumentale Bühnenobjekt konzipiert und geschaffen. Die Steinattrappen aus Holz, Putz und Farbe wirken täuschend echt.

In der Mauer versteckt sind 59 Lautsprecher für das bekannte Bregenzer Richtungshören. Stabil wird das Mauerwerk durch eine Konstruktion aus Stahl, Beton und Holz. 29.000 Einzelteile bilden das Ganze. Auf den Pfählen der Seebühne ruhen 335 Tonnen.

„72 Meter Breite, das ergibt eine Segelfläche von 720 Quadratmetern“,

rechnet Gerd Alfons, der Technische Direktor der Bregenzer Festspiele. „Das muss man erst mal festhalten“ umschreibt er die Anforderungen an die Statik.

Segeln sollte außer einer Barke und einem Kahn bei Turandot nichts.

Das Bühnenbild muss selbst extreme Wettersituationen wie Sturm und Schlagwetter aushalten.

Ausgerichtet ist die Konstruktion auf Windgeschwindigkeiten für Personen bis 80 Stundenkilometer, bei höherer Windstärke muss die Bühne verlassen werden, sie hält aber bis zu 125 Stundenkilometern stand.

Singen in luftiger Höhe

Zwei Türme markieren die Grenzen der Kaiserstadt. Hoch über dem stadtseitigen Turm sitzt ein kleiner roter Teepavillon. Wer da oben singen wird, sollte schwindelfrei sein und gute Kondition haben.

Denn hinauf in luftige 27 Meter über dem See führt eine schmale Treppe mit 45 Grad Gefälle.  Zur Sicherheit werden die Darsteller bei ihrem Treppeneinsatz angeseilt. Geländer, für das Publikum unsichtbar, sichern zusätzlich.

 

7 Tipps für einen gelungenen Turandot-Opernabend

  1. Wenn Du unvorbereitet Turandot besuchst, hast Du schon einmal einen Fehler gemacht. Sorry.
  2. Wenn Du immer noch unvorbereitet auf das Bühnenbild siehst, erkennst Du auf Tafeln, die davor links und rechts im Wasser stehen, die deutsche Übersetzung des italienischen Textes. Lies das nicht. Manchmal tut es weh, was dort gesagt wird. Echt schlimm. Höre lieber den melodischen Klang des Italienischen und versuch, die Musik nachzufühlen.
  3. Probier nicht, aus der Geschichte, die auf der Bühne erzählt wird, eine Essenz oder Lebensweisheit zu ziehen. Und versuch nicht den Prinzen zu verstehen. Vermutlich steht er auf Maso. Oder hat einen Kopf zu viel. Auf jeden Fall scheint er Todessehnsucht zu haben. Weil er dieses Weib kriegen will.
    Man stelle sich den Ehealltag der beiden vor. Nein. Lieber nicht.
    Genieß einfach das Bühnenbild, die Performance, die Beleuchtung, die Effekte.
  4. Wenn du mehr von Turandot haben willst: Lies Dich in die Handlung ein, wundere Dich einmal mehr  und verorte den Librettisten und Opernkomponisten innerhalb der Musikgeschichte. Dann bist Du auch nicht erstaunt über die manchmal schrägen Melodien.
  5. Erwarte keine Gassenhauer und Lieder zum Mitsingen. Turandot ist keine Zauberflöte, keine Verdi-Oper und auch keine Carmen. Und Trinklieder wirst Du auch keine hören, höchsten etliche Male Chor, der dem im Rollstuhl sitzenden Herrscher ein paar Tausend Jahre wünscht. Neben „Nessun dorma“ das einzige Stück, das ins Gehör geht.
  6. Zur Vorbereitung auf „Turandot“ empfiehlt sich der Opernführer, der für ein paar Euro bei der Kasse erhältlich ist. Lies das, und Du wirst auf Sachen achten, die sonst einfach an Dir vorbeigegangen wären.
  7. Zur Nachbereitung kann es sinnvoll sein, in der Mediathek irgendeines Deiner bevorzugten Sender zu suchen. Wir fanden die vollständige Aufzeichnung von Turandot der Bregenzer Festspiele, und zwar einen Tag, bevor sie gelöscht wurde.
    3sat, ORF, SRF und SWR sendeten  gleichzeitig als länderübergreifendes TV-Ereignis die zweite Turandot-Aufführung live von der Seebühne der Bregenzer Festspiele.
    Nur Pech, dass ausgerechnet diese Vorstellung wegen Regens abgebrochen werden musste und die LIVE-Sendung mit einer Konserve aufgefüllt wurde, die vor Tagen bei gutem Wetter aufgenommen worden war.

Und das nächste Jahr noch einmal:

Spiel auf dem See
PREMIERE
21. Juli 2016 — 21.15 Uhr
WEITERE VORSTELLUNGEN
22., 23., 24., 26., 29., 30. und 31. Juli — 21.15 Uhr
2., 4., 5., 6., 7., 9., 11., 12., 13., 14., 16., 19., 20., und 21. August — 21.00 Uhr
Seebühne / Festspielhaus
Musikalische Leitung Paolo Carignani / Giuseppe Finzi
Inszenierung & Bühne Marco Arturo Marelli
Kostüme Constance Hoffman
Licht Davy Cunningham
Chorleitung Luk8 Vasilek
Wiener Symphoniker
Prager Philharmonischer Chor Bregenzer Festspielchor

Die Bregenzer Festspiele 2016 finden von 20. Juli bis 21. August 2016 statt.

Tickets und Infos unter +43 (0)5574 407-6 und www.bregenzerfestspiele.com.


 

Von der Zauberflöte letztes Jahr kündet dieser Beitrag:

Unvergesslich: Bregenzer Festspiele 2014. Die Zauberflöte – von Wolfgang Amadeus Mozart

 

Hilfreiche Links:

Bregenzer Festspiele: Festspielkreuzfahrten, Festspiel-Shuttle, Schiffs-/Zug-/Bustransfer
Lassen Sie sich mitnehmen zum Sommerfestival auf dem See:
http://www.bsb-online.com/bregenzer-festspiele.html

Bodensee Webcam:
Panorama Seebühne mit Bodensee und Kulisse
http://www.bodenseewebcam.de/wetter/wetter_cam_bilder_bodensee_bregenzer_festspiele.html

Webcam – Bregenzer Festspiele:
https://bregenzerfestspiele.com/de/webcam

Bodensee in Hitzewallungen: Flucht hinauf auf Pfänder und Säntis

Heiß und hoch hinaus: Schnuppercamping beim Bodensee

 

Der Besuch dieser Aufführung von Turandot wurde von den Bregenzer Festspielen ermöglicht. Meine Meinung bleibt wie immer die meine.

 

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