Selbstversuch: Quer durch Deutschland mit dem 9-€-Ticket
Translation with GoogleMit dem 9-€-Ticket von Marbach am Neckar nach Sankt Augustin
Theorie und Praxis des 9-€-Tickets
Das monatliche 9-€-Ticket, das jedermann in der Zeit zwischen Juni und August 2022 erwerben kann, wurde bereits lange vor der Einführung gleichermaßen als wichtiger Vorstoß gelobt, um die Bürger*innen vom Auto wegzulocken und für die öffentlichen Verkehrsmittel zu gewinnen. Der Zuspruch ist enorm. Inzwischen diskutieren Politik, Vertreter der Bahn und andere Interessengruppen darüber, auch nach dem August ein interessantes Angebot in etwas abgewandelter Form aufrecht zu erhalten.
Wohl wissend, dass wir mit dem 9-€-Ticket lediglich Regional- und S-Bahnen nutzen können, ließen meine bessere Hälfte und ich uns zwischen dem 14. und 16. Juli 2022 auf den Selbstversuch ein, eine längere Strecke zurückzulegen und zig-mal umzusteigen.
Der Erfahrungsbericht
Am Donnerstag, dem 14.07.2022 fuhren wir von Marbach am Neckar nach Sankt Augustin (10 km von Bonn entfernt). Dass ein Zug zum Anfang unserer Reise ausfiel, war zu verschmerzen und vorhersehbar, wenn man einen Tag vor Reiseantritt die Reiseauskunft der Deutschen Bahn beobachtete. Nach einem Wechsel von der S-Bahn zur Regionalbahn in Ludwigsburg kamen wir rechtzeitig um 9 Uhr am Stuttgarter Hauptbahnhof an. Die Strecke von Stuttgart nach Karlsruhe nahm mehr Zeit in Anspruch als im Fahrplan vorgesehen war. Aber auch, wenn wir rechtzeitig in Karlsruhe angekommen wären, hätten wir den Weg von Gleis 9 zu Gleis 102 in 12 Minuten nicht bewältigen können.
Wir änderten spontan unsere Absicht, über Neustadt an der Weinstraße weiter voranzukommen und nahmen anstatt dessen die Regionalbahn nach Schwetzingen. In der an negativen Überraschungen nicht gerade armen Tour ins Rheinland war die Fahrt nach Schwetzingen ein Genuss. Dem Zugführer gelang es nicht nur, Verzögerungen durch bevorzugte entgegenkommende ICEs und eine durch die Zentrale vorgegebene kurzzeitige Verlangsamung der Fahrt vollkommen auszugleichen, sondern er hatte für die Passagiere immer wieder ein paar lockere Sprüche parat. Die anschießende Teilstrecke von Schwetzingen nach Frankfurt war ohne besondere Vorkommnisse.
Umso schlimmer erwischte es uns auf dem Weg zwischen Frankfurt und Koblenz. Ohne irgendeine Erklärung für die Passagiere fuhr der Regionalbahnzug 20 Minuten zu spät ab. Die Verspätung erweiterte sich bis zur Ankunft in Koblenz auf 35 Minuten. 22 Minuten, die für das Umsteigen vorgegeben waren, konnten natürlich nicht eingehalten werden. Wieder einmal mussten unsere Planungen über den Haufen geworfen werden.
Mit erheblichen Verspätungen konnten wir die restlichen zwei Teilstrecken von Koblenz nach Bonn und von Bonn nach Sankt Augustin hinter uns bringen. Gegen 18 Uhr trafen wir schließlich an unserem Zielort ein. Insgesamt waren wir ungefähr 10 Stunden unterwegs. Mit dem Auto hätten wir die Strecke von 320 km in 3 bis 3,5 Stunden geschafft. Auch mit dem ICE wären wir viel schneller unterwegs gewesen. In den Medien wird immer wieder darüber geklagt, dass die Regionalbahnen seit Einführung des 9-€-Tickets übervoll sind. Elke und mir ist es auf dem Hin- aber auch dem Rückweg durchgehend gelungen, einen Sitzplatz zu ergattern. Vermutlich hätte es anders ausgesehen, wenn wir am Freitag oder Sonntag gereist wären.
Gegenüber der Hinfahrt war die Rückfahrt am 16.07.2022 unspektakulär. Wir wählten von Frankfurt aus den Weg über Würzburg, von dort aus die Regionalbahn nach Ludwigsburg, wo wir auf die S-Bahn umstiegen. Lediglich der Zug von Koblenz nach Frankfurt war über alle Maßen ausgelastet. Viele Passagiere mussten stehen. Demgegenüber war die 2-stündige Fahrt von Würzburg nach Ludwigsburg entspannend. Ausreichend Platz im Zug und lange Phasen zwischen den Haltestellen.
Zusammenfassung
Man sollte mit einem guten Nervengerüst ausgestattet sein und viel Geduld mitbringen. Das Smartphone muss man ständig im Blick haben, um Verzögerungen im Auge zu behalten und sich auf Alternativstrecken einstellen zu können.
Titelbild: hpgruesen bei Pixabay