Paradies gibt’s nicht – eine Abrechnung

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Titelbild Paradies gibts nicht
  

 

Infobox
GastAutor:Wolfgang Godai
Reisezeit:Diverse Jahre und Jahreszeiten
Art der Reise:Recherchereisen / Pressereisen
Lesezeit: 21 Minuten
  

Kurz und bündig

Der Beitrag ist ein kritischer Reisebericht, der die Realität hinter den oft beschönigten Darstellungen von Urlaubsparadiesen aufdeckt. Der Autor möchte mit sarkastischem und humorvollem Ton die Kehrseite des Reisens beleuchten und die Leser aufrütteln, nicht mehr den Werbeversprechen zu vertrauen.

Der Autor beschreibt detailliert die Unannehmlichkeiten und Enttäuschungen, die er auf verschiedenen Reisen erlebt hat – angefangen von überteuerten und schlecht organisierten Reiseveranstaltern über laute Musik, Mücken, schlechte Hotels bis hin zu Krankheiten und Naturgewalten. Er zeigt auf, dass die vermeintlichen „Paradiese“ oft alles andere als paradiesisch sind.

Mit seiner schonungslosen und unterhaltsamen Schilderung spricht der Autor erfahrene Reisende an, die die Schattenseiten des Reisens kennen und zu schätzen wissen, wenn jemand den Finger in die Wunde legt. Er richtet sich an ein Publikum, das für Reiseberichte jenseits der üblichen Werbefloskeln offen ist und Spaß an einer gehörigen Portion Zynismus und Ironie hat.

Paradies gibt’s nicht! Bitte kapiert das endlich!

Das wahrscheinlich meist verwendete Wort in diversen Reisekatalogen und Reiseberichten, ob Print, Online oder im Fernsehen, ist ein Fake.

Die laut zahllosen Ranglisten schönsten Strände der Welt – und somit gern als Paradiese tituliert – verdienen diese Bezeichnung höchstens wegen ihrer Optik. Auf den Fotos oder Videos sieht man nämlich nicht die Schwärme von Moskitos und Sandflies, die jeden längeren Aufenthalt zur Hölle und zum Gesundheitsrisiko machen. Man sieht nicht, dass oft nicht einmal simples Schwimmen möglich ist, weil Tropenstrände gern zu seicht sind und bei Ebbe nur noch aus scharfen Korallen, Felsen und Algen bestehen. Man sieht die lebensgefährlichen Quallen nicht, die an immer mehr Stränden der Welt das Baden zum Hochrisiko machen. Und man sieht nicht die Anzahl der Lautsprecher, die von jeder Bar-Theke oder Palme baumeln und den Badegast mit Reggae, Gangsta-Rap oder Schlager in Discolautstärke nonstop von frühmorgens bis spätabends zum Tinnitus oder zur Flucht treiben.

Yichang, chinesische Kinder trainieren früh

Yichang, chinesische Kinder trainieren früh

Keine Frage, nach dem Ende der Corona-Krise boomt der Tourismus wie nie zuvor, wir haben ja einiges nachzuholen. Reisen ist für die meisten von uns eine extrem erstrebenswerte Tätigkeit. Strand, Sonne, Party, Flirts, Kulinarik, Naturerlebnisse, Sport, Abenteuer – das alles klingt verführerisch, und es wird unmittelbar mit Reisen assoziiert. Einfach, weil da alles einfacher ist als im harten Alltag, weil wir uns gehen lassen können, weil wir keine Verpflichtungen haben. Klingt super. Und dass wir nachher Familie, Freunden und BürokollegInnen von unserem Erlebten erzählen können, möglichst ein bisschen schöngefärbt, ist überhaupt das Nonplusultra. Damit erzeugen wir Neid und Sehnsucht, das tut dem Ego so richtig gut.

Similan Islands, Koh Miang mit Chinesen

Similan Islands, Koh Miang mit Chinesen

Dass wir genau damit nicht nur unsere Zuhörer, sondern auch uns selbst belügen, ist uns meist gar nicht bewusst. Wir erinnern uns nämlich nach verdammt kurzer Zeit nur noch an die paar schönen Momente der Reise, das entspannte Liegen unterm Sonnenschirm, die herrliche Meeresfrüchteplatte im schnuckligen Restaurant, den grandiosen Ausblick von der Hotelterrasse, die Stille und die Leuchtfarben der Natur in den Bergen oder in der Wüste.

Die Realität unserer Gefühle in Echtzeit sieht ganz anders aus. Abreise- und Kofferpackstress bis kurz vorm Nervenzusammenbruch. Chaos und Anstellen am Flughafen und dann stundenlang wie Legehennen in Käfigen qualvoll eingepfercht (und kaum besser ernährt) auf Erlösung warten.

Warnzettel, den mir die böseste KLM-Stewardess aller Zeiten gab, weil ich mich über die eisige AC beschwerte (ein Wort noch, und sie hätten eine Zwischenlandung am nächsten Flughafen gemacht)

Warnzettel, den mir die böseste KLM-Stewardess aller Zeiten gab, weil ich mich über die eisige AC beschwerte (ein Wort noch, und sie hätten eine Zwischenlandung am nächsten Flughafen gemacht)

Oder auf der Autobahn im Stau stehen bzw. auf rustikalen Landstraßen ferner Länder feststellen, dass das Navi originelle Ideen hat. Die größte Ernüchterung sind dann meistens die Hotelzimmer, die im Katalog oder im Internet so ganz anderes ausgesehen haben (auf den meisten Websites sieht man auf Außenfotos nicht, wo die Bar und das Restaurant mit Live-Musik gelegen sind – eh klar). Nächtlicher Hip-Hop-Tumult oder Verkehrslärm rundherum, zentral gesteuerte Tiefkühl-Klimaanlagen, Moskito- und Fliegenschwärme im Schlafzimmer und Hotelbüffets für Vorstadt-Gourmands oder chinesische Geschmäcker machen den Aufenthalt zur Quelle permanenten Ärgers. Schlaflose Nächte und leichte bis mittelschwere Erkrankungen gehören zumindest beim Urlaub im Süden genauso dazu wie kaum erträgliche Mitfahrende auf einer Gruppenreise.

Einer der Müllstrände auf den Komoren

Einer der Müllstrände auf den Komoren

Guide Tours Bangladesch: Wo war die Leistung?

Da man Rundreisen durch Bangladesch, ein schwieriges, aber auch spannendes Land im Jahr 2010 bei keinem österreichischen Reisebüro buchen kann, wende ich mich direkt an die größte Agentur des Landes, Guide Tours in der Hauptstadt Dhaka. Auf deren Homepage findet man jedenfalls eine riesige Auswahl an Touren.

Es spießt sich aber von Anfang an. In den nicht weniger als eineinhalb Jahren vom Erstkontakt bis zur Abreise im Dezember 2010 ist es nicht möglich, von der Agentur einen genauen Ablauf, also ein Itinerary, zu erhalten, detaillierte Preise zu erfahren, Infos über die Hotels, die Route, die Sehenswürdigkeiten zu bekommen. Mehr als einhundert Emails bleiben ohne klare Antworten, ebenso wie teure Telefonate. Recht flott war Guide Tours hingegen mit einer Rechnung, die ich bitte möglichst rasch bezahlen solle, schon ein Jahr vor Abreise. Selbst nachdem ich den geforderten Betrag, ohne inhaltliche Details, überwiesen habe, erhalte ich keinen ganz klaren Reiseplan. Dafür stellt sich am Ende heraus, dass Guide Tours an Touristen wie mir fantastisch verdient. Mangels Konkurrenz verrechnen die in einem der ärmsten und billigsten Entwicklungsländer der Welt Preise wie in der Karibik.

Im letztgültigen Itinerary stehen dann interessante Dinge. Etwa dass kein einziger Transfer inkludiert ist, etwa vom Flughafen zum Hotel oder zu Bahnhöfen. Als ich urgiere, wird mir nur mitgeteilt, dass ich für alle Transfers, sowohl im 25-Millionen-Moloch Dhaka, als auch sonst im Land, selbst zuständig sei. Ich solle mit Linienbussen fahren. In einem Land, dessen Schrift ich nicht lesen kann, dessen Sprache ich nicht spreche. Mit einem so chaotischen Bussystem und Verkehr, dass nicht einmal die Einheimischen immer wissen, wann sie wie wohin kommen. Meine Frage, wie ein Fremder das vor Ort organisieren soll, bleibt natürlich unbeantwortet.

Dafür finde ich glücklicherweise noch rechtzeitig vor der Abreise heraus, dass das Abfahrtsdatum für eine fünftägige Schiffsreise durch die Sundarbans, dem größten Mangrovenwald der Erde mit den Daten auf der Website der Agentur nicht übereinstimmt. Und dass ich mein Visum schon vor der Anreise benötige. Laut Guide Tours hätte ich es bei der Ankunft am Flughafen erhalten. Absoluter Blödsinn.

Die Transfers, die ich dann bei Guide Tours zwangsläufig dazu buche, sind um ein Vielfaches teurer als der ortsübliche Preis, wie sich bald herausstellt. Die Abzocke beginnt. Für 25 Euro werde ich vom Flughafen zum Hotel im Bezirk Gulshan geführt, das Hotel hätte für einen Privattransfer 5 Euro verrechnet, wie sich herausstellt. Centerpoint, so der Name meiner ersten Unterkunft, ist übrigens ein grindiger Schuppen in einer Sackgasse, unter meinem Zimmer bellt ein Hund die ganze Nacht, ohne Pause.

Wenigstens der Portier ist ehrlich und bestellt für mich einen Privattransfer zum Bahnhof am nächsten Morgen um 5 Euro. Guide Tours hätte 35 Euro verrechnet, und mich zwei Stunden zu früh dorthin gebracht. Im Zug nach Chittagong hätte ich dann ein 1.-Klasse-Abteil mit AC bekommen sollen, das existiert gar nicht. Am Endbahnhof soll ich wieder abgeholt werden -kein Fahrer weit und breit. Glücklicherweise hatte ich zuvor nach zahlreichen Urgenz-Mails seine Handynummer erfahren, einer der wenigen englisch sprechenden Einheimischen ruft ihn für mich an. Es stellt sich heraus, dass er auf einem anderen Bahnhof auf mich wartet.

Die Tour durch das Bergland bis zur Küste stellt sich dann als krasse Fehlplanung heraus. Statt einer einfachen und logischen Rundfahrt müssen wir zweimal auf der jeweils gleichen Strecke hin und retour, womit ein voller Tag für unnötige Kilometer draufgeht und natürlich für Besichtigungen fehlt. Auch der Fahrer versteht das nicht, er müsse sich aber an die Anweisungen der Agentur halten. Eine ganztägige Bootsreise auf einem See buche ich dann um ein paar Euro bei Locals, was eine gute Idee ist. Guide Tours hätte dafür ungefähr das Zwanzigfache gecasht.

Zugebaggertes „Strandhotel“

Als ich in Cox´s Bazar am Golf von Bengalen ankomme – bei der Stadt beginnt ein weltberühmter, 120 Kilometer langer Sandstrand -, freue ich mich über ein paar Tage Beach Feeling und Erholung von den Strapazen. Mein Gesicht friert aber ein, als ich das von Guide Tours gebuchte „Strandhotel“ mit dem hochtrabenden Namen „Sea Crown“ sehe. Ein alter, kaputter Kasten, umgeben von drei (!) Riesenbaustellen mit Kränen, Baggern usw., der Staub legt sich wie ein Vorhang vor die Fenster. Und der Strand? Besteht aus Felsen und Baustellenschutt, darüber sind Sandsäcke zum Schutz vor den Wellen aufgeschichtet.

Cox´s Bazar, Seacrown Hotel mit STRAND

Cox´s Bazar, Seacrown Hotel mit STRAND

Dass ich sofort storniere, versteht die Agentur natürlich nicht. Die Suche nach einem anderen Hotel ist frustrierend, Guide Tours hat mein Itinerary nämlich so geplant, dass ich exakt am Nationalfeiertag am Lieblingsziel von zig Millionen Einheimischer bin. Dementsprechend ausgebucht sind alle Hotels. Als mein Fahrer endlich eines findet, muss ich das selbst bezahlen, das Geld sollte ich nie zurückbekommen. Erst am Tag danach finde ich endlich ein tatsächliches Strandhotel, das auch halbwegs erträglich ist. Für die Suche will der Fahrer der Agentur natürlich einen irrwitzigen Preis verrechnen. Meine Telefonate mit Guide Tours in Dhaka werden weniger, denn die einzige Antwort auf alles, was ich vorbringe, lautet: Das ist so!

Endlich komme ich zurück nach Dhaka und lasse mich vom wieder überteuerten Fahrer nicht in das grausige Hotel aus der ersten Nacht führen, sondern direkt ins Hauptquartier von Guide Tours, um an Ort und Stelle persönlich einmal richtig auf den Tisch zu hauen. Ein frommer Wunsch. Die anwesenden Damen wissen angeblich von nichts, wollen weder mich noch meine Buchungen kennen. Als ich auch für Bangla-Verhältnisse richtig laut werde, bequemt sich eine schlecht gelaunte Lady aus ihrem Zimmer zu mir und meint, das Hotel in Cox’s Bazar sei doch super, und nein, natürlich kriege ich das Geld für die stornierten Nächte dort nicht zurück.

Dass jener Sachbearbeiter, der für mein Itinerary verantwortlich ist, nicht anwesend ist, daran bin ich selbst schuld. Ich habe ihm nämlich mehrere SMS geschickt, um welche Zeit ich ihn besuchen komme. Zugegeben: ein sehr naiver Fehler. Immerhin: ich erhalte ein neues Itinerary, die Weiterfahrt in die Sundarbans ist nun an einem anderen Tag, auch Besichtigungen haben sich geändert. Interessant: Wenn ich nicht unerwartet ins Büro gekommen und lästig gewesen wäre, hätte ich das nie erfahren und niemand hätte mich abgeholt. Immerhin kann ich nun auch einen Ausflug zu Otter-Fischern untertags buchen, während es zuvor geheißen hat, das sei nur mit mühsamer nächtlicher Anreise möglich. Falschinformationen von Anfang bis zum Ende.

Für den freien Tag in Dhaka wird mir widerwillig eine Stadtrundfahrt organisiert (natürlich gegen ordentliche Mehrkosten, obwohl dafür etwas anderes, für das ich schon bezahlt habe, ausfällt). Rund die Hälfte der angekündigten Highlights wird erst gar nicht angefahren. Wenigstens schaffe ich es, ein anderes Hotel zu bekommen. Das habe ich mir selbst im Lonely Planet gesucht, damit es nicht wieder eine verliesartige Lärmhölle ist. Die Treffpunkte und Transfers für meine weitere Reise bleiben ungeklärt. Ich werde schon sehen, was passiert, heißt es ungerührt.

Der Slogan der Agentur „Guide Tours“ lautet übrigens:

„With us, you are never a stranger“.

Djibouti: Nacht des Brausens

Wir haben bereits Fotos gegoogelt und glauben daher zu wissen, was auf uns zukommen wird, in dieser Nacht in der Felswüste beim Lac Abbeh an der Grenze zwischen Djibouti und Äthiopien, sprich: im absoluten Niemandsland. Es gibt dort aber noch etwas außer Steinen und Sand: ein Wüstencamp für Abenteurer.
Um diese Nacht einigermaßen zu ertragen, haben wir uns, eine Kleingruppe in zwei Geländefahrzeugen, im Jänner 2017 beim Aufbruch in Djibouti-Stadt rechtzeitig mit Whisky versorgt. Das Land ist zwar streng islamisch, die Hafenstadt mit ihren vielen Militärbasen ausländischer Mächte gibt sich aber offen, weshalb Alkohol erhältlich ist.

Von Djibouti-Stadt geht es in einer mühsamen Tagestour quer durch endlose Wüsten, zunächst über ein bis zum Horizont schnurgerades Asphaltband, später über Pisten, zuletzt dann über eigentlich unbefahrbare Felspfade, wo sich selbst unsere Allradautos in Zeitlupe durchkämpfen müssen. Dann geht sich gerade noch der Sonnenuntergang über den berühmten Felskaminen am Salzsee Lac Abbeh aus, bevor wir unsere Schlafstätten auf einem nahen Hügel beziehen. Hier wurden Szenen aus dem Film „Planet der Affen“ gedreht, was mich nicht wundert.

Es sind Rundzelte aus Bast- oder Strohmatten, die Einrichtung könnte spartanischer nicht sein. Im düsteren Inneren – natürlich gibt es hier keinen Strom – sehe ich eine Liege aus Metallstangen und einem Schnurgeflecht, darüber eine dünne Schaumstoffmatte mit einem ziemlich verlausten, löchrigen Fetzen zum Darunterlegen oder Zudecken, wie auch immer.

Lac Abbeh, Zelte am Abend vor Moskitoterror

Lac Abbeh, Zelte am Abend vor Moskitoterror

Ein kurzes und undichtes Moskitonetz hängt von der Decke. Ich lasse es mitsamt den Spinnennetzen unangetastet, weil es schon kurz nach Sonnenuntergang hier saukalt wird. Die Temperaturgegensätze zwischen Tag und Nacht betragen hier 50 Grad und mehr. Das können auch Stechmücken nicht aushalten.

Egal, um trotz der widrigen Umstände irgendwie schlafen zu können, haben wir ja einschlägige Getränke mit, und ein Camp-Mitarbeiter macht ein warmes Lagerfeuer, auf dem er Ziegenstücke brät. Wider Erwarten werden die sogar weich und köstlich. Dazu ein paar große Schlucke Whisky, die Stimmung ist super. Als die Temperaturen immer frostiger werden und der nötige Einschlafpegel erreicht ist, wackle ich im Licht meiner Taschenlampe zum Zelt. Eingangsmatte runter und voll angezogen auf die harte Pritsche fallen lassen. Ich schlafe rasch ein.

Kurz nach Mitternacht schrecke ich auf. Gibt es einen Sturm? Ich höre ein eigenartiges Brausen immer näher kommen. Als ich die Ursache entdecke, ist es zu spät. Myriaden von Moskitos entern mein Zelt, stechen in Mund, Nase, Ohren, einfach überall hin, wo sie Haut und Blut riechen. Das Ganze passiert innerhalb weniger Sekunden. Panisch öffne ich den Knoten des viel zu kleinen Moskitonetzes und lasse es über mich fallen. Dann werfe ich noch ein Handtuch über mein Gesicht, denn natürlich sind die winzigen Bestien auch innerhalb des Netzes.

Völlig zerschlagen und zerstochen stehe ich am nächsten Morgen beim ersten Sonnenschein auf, geschlafen habe ich kaum. Von Moskitos keine Spur mehr. Warum die zu Millionen mitten in der Felswüste ausschließlich mitten in der Nacht über ein Dutzend Reisende herfallen, kann mir niemand erklären. Ebenso wenig, wie die Blutsauger bei Temperaturen knapp über der Frostgrenze überleben können.

Guyana: Hunde oder Einbrecher

Georgetown, die Hauptstadt Guyanas, hat wie die meisten südamerikanischen Städte einen speziellen Ruf, was die Kriminalität betrifft. Ich übernachte während einer Kleingruppenreise in der optisch hübschen, zentralen Cara Lodge. Mein Zimmer in der ersten Nacht liegt wie die meisten rund um den abschließbaren Innenhof, also eigentlich ein Vorteil. Eigentlich.

Da es nur Fenster mit winzigen Öffnungen gibt, braucht man in der nächtlichen Hitze AC, und die bläst hier unverstellbar direkt aufs Bett, eine Tortur, die ich weltweit schätzen gelernt habe. Um meine Antibiotikavorräte für die mir noch bevorstehende lange Reise zu schützen, schalte ich also ab und schwitze. Aber von Schlaf kann ohnehin keine Rede sein.

Kurz vor unserem Aufenthalt wurde die Bar im Innenhof eröffnet, wo sich die Stadt-Society seither nachts besäuft, man hört das Gebrüll die ganze Zeit. Es geht aber noch schlimmer: Zwei Hunde vom Nachbargrundstück, die 24 Stunden lang so laut bellen und heulen, dass auch Ohropax kaum helfen. Laut Rezeption, der im Prinzip sowieso alles egal ist, war das „schon immer so, die Besitzerin des Nachbargrundstücks und damit auch der Hunde sei eine alte, komische Frau“. Und da könne man nichts machen. Gäste, die schlafen wollen? Wurscht.

Einige Tage später kommen wir wieder in den Genuss einer Nacht in der Cara Lodge. Diesmal will ich schlau sein und entscheide mich für eines der wenigen Zimmer, die zur Straße rausgehen. Vor dem Verkehrslärm schützen Ohropax bei geschlossenem Fenster besser als vor Partys und Hunde im Innenhof, und auch die AC ist etwas humaner. Gegen Mitternacht wache ich trotzdem auf, weil jemand versucht, meine Zimmertür aufzubrechen. Der Kriminelle dürfte aber ziemlich betrunken sein, weil er dafür so lang braucht, dass der Hotelwächter den Lärm sogar in diesem entlegenen Teil des Gebäudes wahrnimmt und ihn mit lauten Schreien vertreibt.

Das Restaurant im Hotel war übrigens trotz völlig desinteressierten Personals das Beste während der ganzen Reise. Der Koch dürfte aufgrund der allnächtlichen Musik gut drauf sein.

Dschungelunterkunft im Süden, mit Vogelspinne (nicht das Hotel in meinem Bericht)

Dschungelunterkunft im Süden, mit Vogelspinne (nicht das Hotel in meinem Bericht)

Jamaika: Urlaubsfeeling Komasaufen

Ich komme im März 2014 spätabends in meinem 4-Stern-AI-Hotel in Ocho Rios an, das Karibik-Flair empfängt mich schon am Vorplatz: Disco-Gedröhne, dass der Boden vibriert. Der Rezeptionist will mich mitten im Zentrum des Irrsinns, also im Haupthaus, unterbringen, nach heftigem Protest bekomme ich dann doch ein Zimmer in einem entfernteren Trakt.

Das Zimmer selbst wäre ja, wie meist in großen, teuren Karibik-Hotels, ganz ausgezeichnet. Viel Platz, schön möbliert, Balkon, Aussicht zum Strand. Meinem ersten Eindruck zufolge scheint sich das Hotel auch besonders um Menschen mit Behinderung zu bemühen – den ganzen Tag fährt das Personal mit Rollstühlen durch die Gegend. Eine Fehleinschätzung. Mit den Rollstühlen werden Volltrunkene in ihre Zimmer geführt, die schon zum Frühstück zu viele Rum-Mixgetränke eingeworfen haben. Oder vielleicht schon davor im Zimmer: Über der Mini-Bar hängen nämlich im Stil einer großen Bar je eine Literflasche Rum, Wodka und Whisky, unter die man nur sein Glas halten muss. All inklusive.

Drum geht´s schon am frühen Morgen munter zu. Noch bevor die ersten Amis grölen und Lautsprecher eingeschaltet werden, weckt die Putzkolonne alle Gäste auf. Allein der Lärm ihrer Fahrzeuge dringt durch Ohropax direkt ins Nervensystem. Die guten Geister können sich natürlich auch untereinander nur brüllend unterhalten, und zwar ununterbrochen. Ab 6 Uhr früh.

Zwangsbeschallung ist das Motto für den ganzen Tag, egal, wo man sich im Ressort aufhält. Aus den Beach Bars dröhnt vom Morgen bis zum frühen Abend Reggae, Hip-Hop und – besonders beliebt – Gangsta-Rap, mit Bässen, die alle Häuser erzittern lassen. Es gibt kein Entkommen, Lautsprecher und Live-Bands sind sowohl am Strand als auch im Poolbereich lückenlos verteilt. Dazu kommen bereits ab dem Vormittag Brüllexzesse des Barpersonals und jener volltrunkener Amis und Kanadier, die noch nicht im Rollstuhl abtransportiert wurden. Im Zimmer bleiben nützt nichts, Fenster und Wände sind natürlich nicht schallisoliert.

Service ist nicht existent, wie meist in der Karibik. Hauptaufgabe des Personals ist, die fast durchwegs schwerst adipösen Nordamerikaner ununterbrochen mit fettem und süßem Junkfood sowie bunten Rum-Cocktails bei Laune zu halten, dann ist alles gut. Will man der Rezeption Fragen stellen, Probleme melden oder nach Ausflügen und Transfers erkundigen, löst man in der Regel Verwirrung und darauf folgendes eisiges Schweigen aus. Die reden dann einfach nicht mehr mit dir!

Elfenbeinküste, Liberia und Sierra Leone: Schlimmer geht’s nicht mehr

2010 ist es dann soweit. Ich buche bei Ivory Tours eine Rundreise durch die damals nicht ganz unkomplizierten westafrikanischen Länder Elfenbeinküste, Liberia und Sierra Leone. Warum ich trotz meiner bösen Erfahrungen nochmals gebucht habe? Erstens wegen des versprochenen Rabatts und zweitens, weil der Ivory-Chef bei dieser Reise persönlich als Reiseleiter mitfährt. Da sollte ja dann nichts passieren, wenn der westafrikaerfahrene Organisator selbst mit dabei ist. Eine totale Fehleinschätzung, denn das Gegenteil tritt ein, in einem unvorstellbaren Ausmaß. Hier das Tagebuch meiner schlimmsten Reisetortur.

Es ist dunkel bei der Ankunft in Abidjan, der Hauptstadt der Elfenbeinküste, und es bleibt auch dunkel. Denn wir werden in ein Hotel in den Ort Grand Bassam am Strand geführt, und dort ist der Strom ausgefallen. Abendessen gibt es zwar, aber kein Licht in den Zimmern und keine Klimaanlage, die Dusche ist kalt. Unsere Kleingruppe besteht vorerst aus einem älteren Ehepaar, einem jungen Reisefreak, alle aus Deutschland, dem Ivory-Mann und mir. Noch bleiben wir entspannt, ist halt Afrika, da kann schon mal was nicht klappen.

Visa-Abzocke

Die geplante Stadtrundfahrt durch Abidjan am nächsten Morgen fällt allerdings schon aus, da wir zur Botschaft Liberias fahren müssen. Denn obwohl die drei Deutschen Ivory Tours schon Monate davor ihre Pässe gegeben hatten, um alle Visa zu besorgen, bekamen sie diese in letzter Sekunde zurück, aber ohne Liberia-Visum. Warum, das schnallen wir schnell: in Abidjan bekommt Ivory die Visa um einen Bruchteil des Geldes, das dafür im Vorhinein kassiert wurde. Wir müssen halt stundenlang warten, weil natürlich auch der eine oder andere Beamte eine kleine Anerkennung dafür erwartet.

Mit Fahrer, einheimischem Reiseführer und einem alten Kleinbus mit kaputter Ausstattung und ohne Klimaanlage, geht es dann in der Mittagshitze endlich gegen Norden, nach Yamoussoukro (die künstliche Hauptstadt mit einer überdimensionalen Nachbildung des Petersdoms mitten in der Steppe, absolut irre). Verzögerungen gibt es nur wegen Straßensperren im Viertelstundentakt. Beamte in Uniform oder Zivil wollen Geld dafür, dass wir weiter fahren dürfen. Doch wenn es ums Geld geht, und nur dann, wird unser Ivory-Führer aktiv. Darum dauert es manchmal ewig, weil er ewig feilscht und wartet, bis wir gratis oder für einen Dollar durchkommen. Ansonsten verbringt er die langen Autofahrten dösend und schlafend am Beifahrersitz, mit den Füßen am Armaturenbrett. Reiseleitung? Einfach nicht vorhanden.

Interessant ist auch die Verpflegung. Es gibt eine Art Frühstück und Abendessen (das aber auch schon mal ausfällt, die Gründe folgen). Zu Mittag gibt es eine Woche lang das Gleiche: Der Ivory-Chef hat aus Bayern Schinken, Wurst und Käse mitgebracht, alles wird in einer ungekühlten Box transportiert. Daraus macht er uns Sandwiches, das Brot kaufen wir in Dörfern dazu. Warum ich erst am vierten Tag schweren Brechdurchfall bekomme, ist mir ein Rätsel. Sonst gibt es nur Bananen und Wasser, sofern der Reiseleiter erlaubt, dass wir an Straßenständen stehenbleiben dürfen. Für die Sandwiches kassiert er übrigens zusätzlich von jedem Mitreisenden 60 Euro, eine Mezzie.

Kurz vor der Ankunft in Yamoussoukro erwähnt er beiläufig, dass das laut Programm gebuchte Viersternehotel leider ausgebucht sei, stattdessen wird es ein ziemlich muffiger Kasten. Diese Leier hören wir noch mehrmals auf dieser Reise. Wir fragen nach und erfahren von unseren afrikanischen Begleitern, dass die Hotels definitiv nicht ausgebucht sind. Ich vergaß zu erwähnen: die Reise kostet mehr als 4000 Euro, auch weil die schönen Unterkünfte so teuer seien, so Ivory Tours.

Am nächsten Tag geht es in den 2010 noch von Rebellen kontrollierten Norden des Landes, nach Korhogo. Es ist kurz vor den ersten Wahlen nach Bürgerkrieg und Teilung des Landes, die Stimmung entsprechend explosiv. Die Straßen werden schlechter, die Straßensperren mulmiger. Immerhin: wir dürfen im gebuchten Hotel übernachten, wo es zwar unglaublich laut ist und die Dusche kalt, aber sonst erträglich.

Nacht im Rohbau

Als wir am nächsten Tag von Ausflügen in benachbarte Dörfer zurückkommen, heißt es plötzlich: auschecken. Das Hotel sei kurzfristig von Wahlkämpfern ausgebucht worden, wir müssen uns für die zweite Nacht ein anderes suchen. Eine zweite zivilisierte Unterkunft gibt es hier aber nicht. Der Reiseleiter findet eine Lösung: Weit außerhalb, mitten in der glühenden Savanne, wird gerade ein Hotel errichtet, die ersten Zimmer sind im Rohbau, es gibt Mauern und Dach, sonst fast nichts. Natürlich auch keine Klimaanlage. Da die Sonne bis zum Abend auf die Baracken brennt, wird das Innere zum Hochofen. Die ohnehin schon löchrigen Fenster und die Tür kann man aber abends nicht öffnen, weil es keine Moskitonetze gibt, genauso wenig wie Wasser und Licht. Als wir uns lautstark weigern, hier zu übernachten, stellt jemand einen Kübel kaltes Wasser vom Brunnen in jedes Zimmer und schraubt eine Glühbirne ein. Das Bett besteht aus einer noch original mit Plastikplane überzogenen Matratze, auf Anfrage erhalten wir genau ein Baumwolllaken pro Person. Glücklicherweise haben wir Schnaps eingekauft.

Alles harmlos, denn die echten Probleme sollen erst beginnen. Es geht weiter noch Odienné im Dreiländereck mit Guinea und Mali. Mit halbwegs befahrbaren Straßen ist Schluss, es gibt fast nur noch enge Lehmpisten mit metertiefen (nein, keine Übertreibung!) Schlaglöchern. Der Fahrer unseres nicht geländetauglichen Schrottbusses schafft es dank technischer Kunststücke, dass wir nicht stecken bleiben. Bis nichts mehr geht.

Mitten in der Wildnis stecken dutzende Lkw in den Schlammrinnen fest, kreuz und quer über der Fahrbahn. Als wir ratlos aussteigen, um einen Ausweg durch den Busch zu suchen, fällt gerade ein Lastwagen im Zeitlupentempo auf die Seite. Ein Bagger aus der nächsten Stadt ist zwar schon avisiert, es könne aber Tage dauern, bis die Piste wieder passierbar ist. Nach einer Stunde zuckt unser Fahrer aus, gibt zwischen Gatsch und Busch Vollgas und presst sich schleudernd irgendwie an den schlimmsten Hindernissen und den eingesunkenen Lkw vorbei, leichte Blechschäden inkludiert. Unser Held. Der Reiseleiter ist völlig unbeeindruckt. Dass wir im letzten Monat der Regenzeit unterwegs sind, hat er bei der Planung natürlich gewusst.

Wider Erwarten erreichen wir nachmittags Odienné, bei der Ankunft am Hotel erfahren wir, dass es außer Betrieb und unbewohnbar ist. Mittlerweile regt sich lautstarker Unmut bei Fahrer und einheimischem Reiseleiter, denn auch die haben langsam genug. Wir erfahren, dass sie noch fast kein Geld für ihre Arbeit bekommen haben und sogar ums Benzingeld streiten müssen. Sogar wir strecken es schon vor, weil der Ivory-Chef sagt, dass er kein Bargeld mehr habe. Er vertröstet uns täglich auf die nächste Stadt mit einer Western-Union-Filiale. Trotzdem bleibt nichts übrig, wir müssen die knapp 300 Kilometer Richtung Süden zur Provinzhauptstadt Man bis zum Abend schaffen, sonst droht eine Nacht im Kleinbus. Wie durch ein Wunder erreichen wir Man und ein erträgliches Zweisternhotel.

Am nächsten Tag gibt es Ausflüge zu Dörfern und Tanzvorstellungen. Wir sind mit dem einheimischen Reiseleiter unterwegs, der Ivory-Mann taucht den ganzen Tag nicht auf. Dass wir ihn morgens oft wecken müssen, sind wir gewohnt, jetzt taucht er auch untertags ab, wohl um etwaigen Fragen und Beschwerden zu entgehen. Und Geldforderungen – denn das Benzin für den Tagesausflug müssen wir wieder einmal vorstrecken.

Wir stecken fest

Schlimmer geht´s nicht mehr? Ganz im Gegenteil. Am nächsten Morgen – heute soll es über die Grenze nach Liberia gehen – sind nämlich der Kleinbus und der Fahrer verschwunden. Nach Rücksprache mit Einheimischen hat wohl der Fahrzeugbesitzer in Abidjan seinen Angestellten zurückgeholt, weil er nicht länger auf offene Zahlungen warten wollte.

Der Ivory-Chef wirkt irritiert, marschiert aber dann los, um ein neues Fahrzeug zu besorgen. Er kommt dann mit einem schrottreifen Kleinbus daher. Die Sitzbänke sind desolat, die Abstände so knapp, dass wir die Beine während der langen Fahrten irgendwie zur Seite oder nach oben strecken müssen, eine ältere Mitreisende ist gehbehindert und leidet Höllenqualen. Die Kupplung schreit um Hilfe, Stoßdämpfer sind kaputt, die Reifen ohne Profil. Und ich muss Ivory 150 Euro vorstrecken, weil man angeblich zu wenig Bargeld für die Miete flüssig habe.

Schlimmer geht´s nicht mehr? Aber ja. Nachdem die Kiste offenbar nur eine Konzession als lokales Sammeltaxi hat, sind bei jeder der vielen Kontrollen ein paar Euro fällig, um die Beamten, Stammesführer, wen auch immer, bei guter Laune zu halten. Während einer offiziellen Polizeikontrolle auf dem Weg zur liberianischen Grenze nützt das auch nichts mehr, der Beamte herrscht uns an: „Go back to Abidjan!“. Die Reise scheint vorbei zu sein, denn angeblich hätte Ivory in Abidjan nicht einmal ein Rundreise-Permit für unsere Gruppe gelöst (das hätte ja auch Geld gekostet!). Wie uns der einheimische Reiseleiter versichert, haben er und die Agentur mehrmals erfolglos auf dieses verpflichtende Permit hingewiesen.

Das Chaos ist perfekt, statt westlich nach Liberia biegen wir östlich ab, zur Kleinstadt Daloa, wo wir zwei Nächte und eineinhalb Tage in einer armseligen Unterkunft warten müssen, bis das von der Agentur in Abidjan nun nachgeforderte Permit per Fax eintrifft. Zu sehen gibt es hier überhaupt nichts, es sind zwei verlorene Tage. Wie wir die je aufholen sollen, ist unklar. Letztlich stellt sich heraus, dass wir aus Zeitgründen an nahezu allen weiteren Attraktionen und versprochenen Highlights dieser Reise ohne Stopp vorbeifahren werden.

Schlimmer geht´s nicht mehr? Aber natürlich. Schon die neuerliche Fahrt zur liberianischen Grenze bei extrem feuchter Tropenhitze verlangt uns alles ab. Natürlich hat das Schrottauto keine Klimaanlage, aber auch die Fenster lassen sich nur wenige Zentimeter öffnen. Immer wieder gibt es Platzregen, der durchs undichte Dach dringt und uns alle ordentlich duscht. Das Gepäck am Dach wird so durchnässt, dass wir keine trockenen Kleider mehr haben. Die Fahrt nach Gbarnga in Liberia soll acht Stunden dauern. Unser Ivory-Experte kennt aber einen Abkürzer. Das Drama nimmt seinen Lauf.

Gerettet von der UNO

Der Grenzübergang mitten in der Wildnis klappt überraschenderweise. Es gibt neben dem Abzocken seiner Kunden nur eine Disziplin, bei der unser deutscher Afrika-Führer unschlagbar ist: Beim Feilschen mit diversen Beamten, um mit möglichst wenig Geld diverse bürokratische oder schlicht erfundene Hürden zwecks individueller Entwicklungshilfe zu überwinden. Das kostet aber natürlich viel Zeit, während wir ungeschützt in der Hitze stehen. Dann geht es weiter in den dichten Dschungel, die Pisten werden immer übler, die Schlaglöcher tiefer, Bedingungen, denen unser Schrott-Sammeltaxi nicht gewachsen ist. Im Zeitlupentempo geht es weiter, es wird dunkel. Es regnet in Strömen. Zweimal in dieser Nacht stecken wir mitten im Urwald fest, in einer definitiv brandgefährlichen Region, beide Male haben wir unglaubliches Glück, dass UNO-Trucks zufällig vorbeikommen und uns mit Seilen wieder rausziehen. Völlig lethargisch und mit blauen Flecken übersät erreichen wir nach 18,5 Stunden Qual um 2 Uhr nachts die katholische Missionsstation bei Gbarnga. Es gibt dort nichts zu essen, kein Warmwasser und keine Klimaanlage – letztere wäre ohnehin überflüssig, weil es keinen Strom und damit auch kein Licht gibt.

Wir erreichen am nächsten Tag die liberianische Hauptstadt Monrovia, bettelarm, gefährlich, die Zerstörungen des Bürgerkriegs sind allgegenwärtig. Der Hotel-Schmäh geht in die nächste Runde. Das laut Programm vorgesehene Viersternhotel Mamba Point im Diplomatenviertel mit Pool und Blick aufs Meer soll wieder mal überbucht sein (unsere Recherchen ergeben später: glatte Lüge), das billige Ersatzhotel Palm liegt mitten im Innenstadt-Chaos, schon beim Aussteigen vor dem Eingang werden wir aggressiv belästigt. Dass wir unser Gepäck ohne Verluste hinein retten können, ist reines Glück. Die Zimmer sind muffig, schmutzig und extrem laut.

Der Aufstand

Es reicht, wir formieren uns zum Aufstand. Nageln den Ivory-Chef fest und machen ihm klar, dass wir mit der lebensgefährlichen Schrottkiste keinen Kilometer mehr zurücklegen werden. Entweder er besorgt Allrad-Geländewagen für die Weiterfahrt (laut Buchung wären die von Anfang an vorgesehen gewesen), oder wir vier fliegen von hier aus über Freetown nach Hause. Und nehmen uns dort einen Anwalt. Das wirkt. Am nächsten Tag stehen tatsächlich zwei 4WD-Kombis vor dem Hotel. Wir lassen uns erleichtert in die Sitze fallen und fahren los Richtung Grenze nach Sierra Leone. Am Nachmittag sollen wir die Stadt Kenema erreichen.

Wir kommen genau einen Kilometer weit, dann hat eines der beiden Autos bereits Motorschaden. Spätestens jetzt wird uns klar, dass Ivory wieder die billigsten Karren gemietet hat. Wir sind noch in Monrovia, also sollte der Vermieter ja problemlos Ersatz stellen können. Aus irgendeinem Grund ist das nicht möglich. Wir schauen am Straßenrand zwei Stunden lang Mechanikern zu, bis sie den Kübel wieder fahrtüchtig gemacht haben. Und schon wieder wird die Zeit knapp, zumal wir an der üblen Grenze von teils schwer betrunkenen Polizisten weitere zwei Stunden lang festgehalten werden. Offenbar will unser Führer diesmal keine Maut springen lassen, um das zu beschleunigen. Näheres wissen wir nicht, weil er seine Verhandlungen prinzipiell nur in unserer Abwesenheit führt.

Mit enormer Verspätung fahren wir durch den dichten Urwald Sierra Leones, auch nicht gerade ein Hort der Behaglichkeit. Ich sage nur: Diamantenschmuggel und Landminen, wie schon in Liberia. Als es bereits dunkel ist, verreckt das reparierte Auto endgültig. Lange Beratungen. Schließlich drängen wir uns alle (ein weiterer deutscher Pechvogel stieß erst in Monrovia zur Gruppe) inklusive einheimischem Fahrer und Führer im funktionierenden Fahrzeug zusammen, zwei müssen sich hinten in den Laderaum hocken. Da für Koffer und Rucksäcke kein Platz mehr ist, müssen wir die im kaputten Auto zurücklassen, dessen Fahrer sich im nächtlichen Nirgendwo aufmacht, um das nächste Dorf und dort vielleicht einen Mechaniker zu finden.

Angst und Schmerzen

Wir rumpeln dann weitere sechs Stunden über extrem schlechte Pisten teils im Schritttempo durch die Finsternis, jedes riesige Schlagloch kann unser Schicksal werden. Im engen Innenraum, mit dem Handgepäck am Schoß, stoßen wir uns permanent an der Karosserie und knallen mit den Köpfen ans Dach. Schmerzensschreie sind das einzige Geräusch in diesen Stunden, keiner spricht mehr, vor Angst, vor Erschöpfung. Irgendwann nachts erreichen wir Kenema. Wegen der undichten Benzinleitung stinken wir und unsere Sachen wie nach einer Tankstelle, im Hotel „Sir Milton“ gibt es aber kein Warmwasser. Trotz unseres Zustandes schlafen wir kaum, denn die völlig verschmutzten Zimmer liegen genau zwischen der Hauptstraße mit ihrem Nachtmarkt und dem Innenhof, aus dem eine Disco bis 5 Uhr früh dröhnt.

Die planmäßig nächsten Destinationen Bo und Kono mit den berühmt-berüchtigten Diamantenminen fallen aus Zeitgründen aus, es geht weiter bis zum Endpunkt der Reise, Freetown. Übrigens, der kaputte Geländewagen konnte zu unserer großen Überraschung tatsächlich im Dschungel repariert werden und trifft frühmorgens ein, sogar unser Gepäck ist vollständig, wenn auch völlig benzingetränkt. Gleich nach der Ankunft in Sierra Leones Hauptstadt werden aber beide Fahrzeuge endgültig von der Polizei eingezogen, eines hat nicht mal Nummerntafeln. Ein kleines, aber nicht unwesentliches Detail, das uns im Stress gar nicht aufgefallen ist.

Selbst in der halbwegs modernen Hafenstadt Freetown hat Ivory Tours ein besonders rustikales Hotel für uns gefunden, das „China Town“. Es wird gerade ausgebaut, das heißt, bis spätabends werden wir mit Pressluftbohrern, Hämmern, etc. gequält. Die Klimaanlage funktioniert nicht, der Strom fällt auch dauernd aus. Statt der nicht funktionsfähigen Dusche müssen wir einen Kübel benützen.

Da sich bis zum Heimflug am nächsten Tag Strandaufenthalt und Stadtrundfahrt nicht mehr ausgehen, bestehen wir auf wenigstens einen vorgesehenen Programmpunkt: einen Ausflug in den Regenwald zu einem Schimpansen-Schutzprojekt. Statt der dafür obligaten Allradfahrzeuge mietet Ivory aber einfache Taxis, die sich wieder im Schritttempo über die üblen Pisten quälen. Durch das letzte, schlammigste Teilstück müssen wir zu Fuß waten, um zum Eingang zu kommen. Dort erfahren wir, dass es um diese Zeit gar keine geführten Touren gibt. Schließlich lässt sich ein Ranger sehr missmutig zu einem kurzen Rundgang erweichen. Dass uns manche Schimpansen aufgrund der außerplanmäßigen Störung mit Steinen bewerfen, wundert mich nicht.

Dann schaffen wir es zum Flughafen, viel zu früh werden wir hingeschickt, wir müssen den ganzen Nachmittag in der unklimatisierten Abflughalle schwitzen. Wir sind verdreckt, todmüde, mit Hämatomen übersät, nervlich traumatisiert – aber glücklich. Wir haben Ivory Tours und seinen mitfahrenden Gründer überlebt.

PARADIES GIBT’S NICHT 

Von Wolfgang Godai

Das böseste Buch, das je über Reisen geschrieben wurde.

Reisen ist anstrengend, nervenzerfetzend, macht krank und führt fast immer zu Situationen, die keiner je erleben will. Von Schikanen beim Fliegen, abzockenden Agenturen, Pauschalarrangements mit inkludierter Lebensgefahr bis zu lärmenden und völlig servicebefreiten Hotels – es gibt viele Gründe, die einen Urlaub zur Hölle machen.

Der Weltreisende und langjährige ORF-Redakteur (drei Jahrzehnte nebenberuflich auch als Reisejournalist aktiv) Wolfgang Godai war bisher in 169 Ländern und erzählt über seine schlimmsten und skurrilsten Erfahrungen, mit viel Zynismus, aber auch Augenzwinkern. Denn in den Reiseprospekten oder auf den Fotos, die wir nach dem Urlaub sehnsüchtig betrachten, sieht man nichts von bösartigem Getier zu Luft und zu Wasser, von ganzen Bataillonen übersteuernder Lautsprecher vor dem Hotelzimmer oder von weltweit verbreiteter Zwangsklimatisierung aller öffentlicher Innenräume, die die meisten Mitteleuropäer ohne Antibiotika im Handgepäck binnen weniger Tage ins unbequeme Hotelbett befördert.

Wer dieses Buch liest, denkt bei der Wahl des nächsten Urlaubsziels besonders lang nach. Aber die Leser:innen können auch davon profitieren: Denn sie erfahren, welche Airlines auf welchen Destinationen man eher meiden sollte, welche Reiseveranstalter oder lokale Agenturen mit großer Vorsicht zu genießen sind, wie sie brutaler Abzocke am ehesten entgehen und natürlich besonders viel über die Kriterien für die Auswahl eines Hotels. Die perfekte Unterkunft gibt es ohnehin nicht, außer für Superreiche. Aber der 24-Stunden-Beschallung durch Gangsta-Rap, Reggae- oder Schlagermusik kann man vorbeugen.

Hardcover

Format: 190×240

Seitenzahl: 222, in Farbe, Innenteil mit vielen Fotos

Verlag: Buchschmiede

ISBN: 978-3-99152-275-1

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Corona ist (fast) vergessen, die Menschen stürmen die Reisebüros, alle wollen nur noch weg, endlich nachholen, was in den letzten Jahren kaum oder stark eingeschränkt möglich war:Urlaub bis zum Umfallen. Sonne, Strände, Nightlife oder Entspannen, von allem so viel wie möglich. Für die meisten Menschen das Erstrebenswerteste überhaupt.Die Realität des Reisens ist eine andere, das merkt man aber meist erst, wenn man angekommen ist. Der österreichische Journalist Wolfgang Godai, der privat und beruflich bisher 166… mehr davon hier

 

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Alle Bilder © vom Autor.


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