Flusskreuzfahrt Frankreich: Auf der Rhône von Lyon bis zum Mittelmeer

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Lavendel

Flusskreuzfahrt Südfrankreich auf Rhône und Saône, Teil 2

Von Lyon bis zum Meer sind es noch 330 spannende Flusskilometer auf der Rhône: duftender Lavendel, schwarze Stiere, weiße Pferde, ein Maler ohne Ohr, doppelte Päpste, zugemauerte Türen und nicht zu vergessen Napoleon und Coco Chanel.

Gegen Mittag legt unser Schiff in Viviers an. Der Bus wartet schon und wir fahren durch das mittelalterliche Städtchen hinaus ins Lavendel-Land.

 

Das ist der zweite Teil meiner Flusskreuzfahrt in Südfrankreich. Den ersten Teil findest du hier.

 

„Ich beiße rein und hab das Gefühl, ich esse meine Großmutter!“

Lavendel ist vielseitig verwendbar. Es darf experimentiert werden. Was dabei herauskommen kann, siehe oben! Unser einheimischer Führer durch das Lavendelmuseum mag anscheinend Wurst mit Lavendelgeschmack nicht so sehr.

Wer zu dieser Jahreszeit in der Provence ein lilafarbenes Blütenmeer erwartet, wird herb enttäuscht. Die Blüten sind schon lange geerntet, die Büsche ausgedörrt und kahl. Es war sehr heiß und trocken in diesem Sommer. Ja, so ist das mit den Kalenderbildern im Kopf. Die Blütenfotos sind aus meinem Garten 😉

Die Blütezeit hängt von vielen Faktoren ab: Höhenlage, Frühlingsbeginn, Lavendelart. Dazu kommt, dass nach zwei Wochen Blütezeit geschnitten wird. Früher mit der Hand, heute oft mit Maschinen. Die rabiate Behandlung mit der Mähmaschine schadet allerdings den Kräutern, es muss öfters neu angepflanzt werden. Zur Auswahl stehen dabei Echter Lavendel, Speik-Lavendel und die Hybridpflanze aus beiden, der Lavandin. Geschätzt werden neben dem Duft die antiseptischen und antibakteriellen Eigenschaften des Krauts. Das alles und noch viel mehr erfahren wir auch in einer kurzen Filmvorführung im Museum.

Auf dem Hof steht neben allerlei Gerätschaften auch eine alte Maschine zur Herstellung von Lavendelöl mit Hilfe von Wasserdampfdestillation. Man heizt mit ein paar mächtigen Holzscheiten ein und schon rinnt das Öl aus dem Hahn. So schaut es für mich jedenfalls aus. Aber ich glaube, das ist irgendein Trick dabei. Technisch völlig unbedarft, hat mich doch ein Detail beeindruckt: Aus 200 kg echtem Lavendel gewinnt man nur 2 Liter Öl.

Ich habe meinen Lavendel im Garten zwischen die Rosen gepflanzt. Soll angeblich Blattläuse abwehren. Hilft nicht wirklich, schaut aber schön aus. Und jedes Jahr stecke ich ein paar Blüten in die selbstgekochte Pfirsichmarmelade. Das mit der Wurst lass ich lieber.

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Ardeche-Schlucht

Die vielen Kehren und der Gegenverkehr auf der bei Touristen(bussen) beliebten Straße hoch über der Schlucht lassen Siggi und seinen Bus kalt. Die beruhigende Wirkung des Lavendel und/oder jahrelange Praxis?

An einem der Aussichtspunkte steigen wir aus. Handys und Fotoapparate klicken. Der Ausblick ist wirklich fantastisch. Eine natürlich entstandene Bogenbrücke, die Pont d´ Arc, bildet den Anfang einer 32 km langen Reihe von Schluchten. Kalksteinfelsen ragen bis zu 300 m hoch auf. Unten fließt die Ardèche als könne sie kein Wässerchen trüben. Dabei haben ihre Fluten diesen tiefen Canyon gegraben. Allerdings zog sich die Bauzeit etwas länger hin: mehr als 100 Millionen Jahre.

Die Naturbrücke ist auch beliebter Ausgangspunkt für Kanu- und Kajakfahrten. Im Sommer geht es hier heiß her, in jedem Sinne des Wortes.

Siggi bremst auch für Ziegen

Wer will schon schuld sein am Tod von Napoleon oder Coco Chanel? Die fressen friedlich und niedlich am Straßenrand und sind sich keiner Gefahr bewusst.

Die Ziegengeschichte: Alle Ziegen in dieser Gegend, etwa 100 Tiere, stehen unter Naturschutz. Das war nicht immer so. Nachdem viele Bauernhöfe in dieser rauhen Gegend verlassen wurden, blieben nur verwilderte Ziegen zurück. Sie vermehrten sich und wurden immer mehr zu einer Gefahr für die motorisierten Besucher des Naturparks. Nach einem schweren Motorradunfall wollte man zuerst alle Ziegen abschießen. Es gab wütende Proteste, die Ziegen durften bleiben, wurden gezählt und bekamen alle Namen berühmter Persönlichkeiten.

Unser französischer Reiseführer erzählt gern Geschichten, auch über Habichte, Schmutzgeier und Gefleckte Ginsterkatzen. Diese seltenen Tiere haben ein Riesenrevier im Naturreservat.

Er spricht perfekt Deutsch, aber doch mit der typisch französischen Sprachmelodie und diesen klitzekleinen Grammatikfehlern. Macht er die mit Absicht? Es klingt leicht und locker. Immer so, als ob er uns ganz nebenbei etwas Interessantes erzählen wollte, was ihm gerade eingefallen ist zur Landschaft und seiner Geschichte. O la la! Ich könnte ihm stundenlang zuhören, ganz gleich, worüber er redet. „Wollen Sie ein Chanson hören?“ Er hat eine CD mitgebracht und spielt ein etwas wehmütiges Lied vor über Leute, die aus den Bergdörfern weg in die Stadt ziehen und dort ihr Glück machen wollen: „La Montagne“ von Jean Ferrat, einem Sänger aus der Gegend.

Als wir zurück kommen nach Viviers, liegt unser Schiff im feinsten Abendsonnenschein und legt auch gleich ab, als alle an Bord sind. Jetzt zuerst im Salon einen Tee trinken. Der Kellner sieht mich und zückt schon den Teebeutel.

Piraten!

Beim Abendessen heute habe ich ein Kleiderproblem. Da hängt ja genug Zeug im Schrank, aber ein Piratenkostüm habe ich nicht dabei. Wer denkt an sowas?

19:00 „Piratenschmaus“ steht auf der Agenda und „Um unauffällig zu bleiben, empfehlen wir Piratenkleidung!“
Soll ich meine bunte Bluse nehmen und in Fetzen reißen? Die alten Jeans abschneiden?
Ergänze deine Packliste unbedingt mit folgenden Accessoires:

– Augenklappe
– Säbel
– Halstuch

Streik!

Die Franzosen wollen streiken!! Am Dienstag! Unsere Reiseleitung hat nach dieser Ankündigung den Reiseplan geändert. Wir werden am Sonntag ein ausgiebiges Landprogramm haben und dafür am Montag einen Flusstag. Man will wieder in Lyon sein, bevor die Schleusenwärter streiken. Das ist verständlich. Schade, dass der für Montag vorgesehene Ausflug zur Pont du Gard dran glauben muss. Aber ich wollte ja sowieso nochmal hierher kommen.

Arles

Heute haben wir ein großes Programm. Deshalb gehen wir schon am frühen Vormittag zu Fuß in die Altstadt. Weit ist es nicht. Der Weg ist rechts und links mit hohen Eisengittern verstellt, in der Mitte bleibt ein Gang frei. Außer uns ist da noch niemand.

Die Angestellten der vielen kleinen Restaurants und Bistros stellen gerade Tische und Stühle raus. Händler bauen Stände auf. Eine Gruppe junger „Aficionados“ (Stierkampfbegeisterte) ist scheinbar auch früh aufgestanden und übt lautstark in einem Cafe die Schlachtrufe und -gesänge für den Stierkampf. Die kriegen keinen Ton mehr raus heute Abend, wenn die so weitermachen.

„La Féria du riz“, das beliebte Volksfest zur Reisernte, findet jedes Jahr im September statt. Straßenfeste, Stiertreiben und Stierkämpfe locken Tausende Einheimische und Touristen in die Stadt.

Nur für Fahrräder!

 

Wir sind an den Stufen zum Amphitheater angekommen. Wegen solcher Prachtbauten wurde Arles damals „Gallula Roma“, das kleine gallische Rom, genannt.

Im Jahr 90 n. Chr. erbaut, war es nach dem Kolosseum das zweitgrößte Theater der damaligen Welt. Durch 60 große Eingangstore strömten 20.000 Besucher in die Arena um Gladiatorenkämpfe und Pferderennen zu sehen.

Viel später, im Mittelalter, dachte man anscheinend praktisch. Was tun mit dem alten Gemäuer mitten in der Stadt? In die 60 Rundbogen wurden Häuser gebaut und oben Wachtürme errichtet. Aus der Arena war eine Festung geworden.

Im 19. Jh. war diese Art Wohnungsbau anscheinend aus der Mode gekommen. Die Häuser wurden entfernt und die Arena kam wieder zum Vorschein.

Seitdem wird sie benutzt für Konzerte, Folklore und …Stierkämpfe.

Ich kann die Faszination nicht nachvollziehen, die bei dieser Konfrontation zwischen Mensch und Stier entstehen soll. Stierkampf ist in Frankreich eigentlich verboten, aber einige südfranzösische Städte haben Ausnahmegenehmigungen erhalten.

Unsere Stadtführerin erklärt, dass es beim „Course camarguaise“, einer besonderen Art des Stierkampfes, unblutig zugeht. Dem Stier werden in der Arena nach bestimmten Regeln von weißgekleideten Kämpfern bunte Trophäen von der Stirn und den Hörnern geholt. Das mag der Stier gar nicht. Wenn es ihm gelingt, 15 Minuten seine Trophäen zu verteidigen, darf er als gefeierter Sieger den Kampfplatz verlassen. Auch die Verlierer kehren zurück auf die Weide. Fans bestimmter Stiere besuchen ihre Stars dort und in Zeitungen wird immer wieder über ihr Befinden berichtet.

Aber es finden hier auch die „corridas“ statt, spanische Kämpfe, bei denen der Stier die Arena nur tot verlässt. Und was vorher war, ist auch nicht schön.

Auf Vincent van Goghs Bild „Die Arena in Arles“ nehmen die Zuschauer den größten Raum ein. Der Stier ist in dem gleißenden Sonnenlicht kaum zu erkennen. Der Aufenthalt in Arles war die produktivste Schaffenssphase des Künstlers: 300 Werke in 15 Monaten. Das Licht des Südens hat ihn angezogen. Er wollte hier bleiben und lud seinen Freund Gauguin ein. Die beiden unterschiedlichen Charaktere kamen nicht gut miteinander aus und irgendwie verlor Vincent bei einem Streit sein Ohrläppchen.

Die Atmosphäre auf dem Place du Forum mit den vielen kleinen Cafes gefiel auch van Gogh. Ein Cafe ist weltberühmt geworden. Der Künstler hat einen phantastischen Sternenhimmel dazugezaubert: „Caféterasse am Abend“. Hier kann man auch am Nachmittag einen Kaffee bestellen. Könnte natürlich etwas teurer werden!

Im wunderschön bepflanzten „Garten des Hospitals“ ist nicht zu übersehen, wer hier das Blütenmeer gemalt hat.

Auf dem Rückweg kommen wir wieder an den Eisengittern vorbei. Jetzt klebt eine Menschenmenge daran. Ich erkenne gerade noch, wie ein junger Stier panisch durch die Gasse rennt, vorbei an aufgeregt schreienden Zuschauern. Junge Männer wollen Eindruck schinden, zwängen sich durch die Gitter und jagen ihm hinterher.

Als wir aus den engen Gassen der Altstadt herauskommen, erwartet uns ein heftiger, kalter Sturmwind am Flussufer. Wir dürfen Herrn Mistral kennenlernen. „Maestrale“ nennen ihn die Einheimischen, Herrscher oder Meister. Der trockene Fallwind kann die Temperatur schon mal um 10 Grad senken und Orkanstärke erreichen. Dann werden die dicken hölzernen Fensterläden zugeklappt, die im Sommer auch die Hitze abhalten. Aber heute will er sich nur mal kurz vorstellen. Ich ziehe frierend die Kapuze über den Kopf und halte meine Tasche fest. Schnell an Bord, bevor wir von der Kaimauer geweht werden .

Kurz aufs Zimmer, ein heißer Tee im Salon, dann geht es weiter: ein Ausflug in die Camargue. Drei Stunden später wird das Schiff ohne uns ablegen und nach Avignon weiterfahren. Man hätte sich natürlich auch an Deck den Mistral um die Nase wehen lassen können, aber die Neugier…

Die Camargue: Weiße Pferde, rosa Flamingos und schwarze Stiere

Die Landschaft zwischen den Mündungsarmen der Rhône ist weit und flach, durchzogen von vielen Seen und Kanälen. Schilf, Salzkraut, Bockshornklee, davon ernähren sich auch die Stiere auf der Farm, die wir besuchen.

Begrüßt werden wir zu Pferde vom Ehepaar Arnaud. Wir dürfen uns auf Leiterwagen setzen und werden mit dem Traktor zu den Weiden gefahren.

Ich setze mich auf den mit den duftenden Strohballen. Die Rinder leben das ganze Jahr über im Freien. Das Stroh ist anscheinend wirklich vom feinsten, einige Kühe folgen dem Wagen unbeirrt und sobald er hält, fressen sie uns die Sitzplätze unterm Hintern weg.

Währenddessen zeigen die wettergegerbten Gardians, die Cowboys der Camargue, wie sie einzelne Tiere oder die ganze Herde geschickt aus dem Sattel heraus lenken können. Die Rinder sind eine wendige, widerstandsfähige Rasse, die fast wild das ganze Jahr über draußen in der Natur leben.

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Mit einem Augenzwinkern hat Monsieur Arnaud seine jetzige Gattin eingefangen und auf seine Farm gelockt. Sie wollte damals nur ihren Urlaub in der Camargue verbringen. Das ist ihre Antwort auf unsere Frage, wie sie als Kölnerin hierher kommt. „Der Liebe wegen!“ Inzwischen ist sie begeisterte Stierzüchterin. Die Tochter hilft auch schon im Betrieb mit. Wir sitzen in dem rustikalen Restaurant auf dem Hof und lassen uns mit Rindergulasch und anderen Spezialitäten der Region verwöhnen.

Am Meer

Irgendwann geht  es nicht mehr weiter südlich, Siggi lässt uns aussteigen,  wir sind in „Saintes-Maries-de-la-Mer. Hier hat Vincent van Gogh  die „Fischerboote am Strand von Saintes-Maries“ gemalt. Ein paar Schritte sind es zur Wallfahrtskirche. Das Gotteshaus sieht mit seinem robusten Turm, den Zinnen und Schießscharten recht wehrhaft aus. Galt es doch, Angriffe von Piraten und anderen Eindringlingen abzuhalten. Gegen Gebühr darf man den Turm besteigen, die Aussicht soll grandios sein. Manchmal bin ich richtig unsportlich. Ich bleibe unten.

Aber o je, was für ein Rummel! Die Reliquien der Heiligen Marien ziehen viele Besucher an. Die Legende aus dem 13. Jh. spricht von Verwandten der Gottesmutter, die mit dem Schiff aus dem Heiligen Land hier gestrandet sein sollen. Pilger, Neugierige, Ungläubige, Handleserinnen drängeln sich vor und in der Kirche.

Nix für mich! Ich fliehe vorbei an Souvenirläden, Pizzerias und Eisdielen zum Strand.  Das blaue Meer glitzert in der Nachmittagssonne. Vincents Fischerboote suche ich aber vergeblich. Wahrscheinlich lohnt es sich nicht mehr, zum Fischen raus zu fahren. Man lebt vom Tourismus. Hier draußen gefällt es mir schon besser. Ich könnte  stundenlang auf den Steinen sitzen und aufs Wasser schauen.

 

Avignon

Wegen des Streiks ist heute nach dem Abendessen nicht ein Weinchen im Salon angesagt, sondern ein nächtlicher Rundgang durch Avignon. Die junge französische Stadtführerin hat in Tübingen studiert und hüpft beschwingt vor uns her, obwohl sie gerade eine andere Gruppe begleitet hat und es schon acht Uhr abends ist. Nach ein paar Schritten stehen wir vor der Brücke.

Es wird schon dunkel. Wenn ich mich am Laternenmast anlehne und den Atem anhalte, könnte das Foto noch was werden. Das imposante Bauwerk überspannte beide Arme der Rhône und die Flussinsel. Von den 22 Pfeilern sind nur noch vier erhalten. Eine hohe Flutwelle wurde der Brücke 1668 zum Verhängnis. Sie endet mitten im Fluss.  Vielstimmig ertönt von unserer Gruppe das Kinderlied: „Sur le Pont d´ Avignon“. Ja, unsere Stadtführerin weiß, was sich gehört.

Sie weiß auch, wie sie eine Gruppe Touristen möglichst schnell über eine vielbefahrene Straße mit Zebrastreifen bringt. „Jetzt lächeln, die Autofahrer anschauen und immer lächeln!“ Und sie geht mit gutem Beispiel voran, winkt freundlich in die Autos und geht ohne zu zögern über die Straße. Wir folgen lächelnd. Der Zebrastreifen ist für Franzosen eine „Kann-Bestimmung“. Sie können anhalten, wenn sie wollen. So wurde uns gesagt. Aber wer kann einer hübschen, lächelnden jungen Dame über die Füße fahren? So würde sie auch ohne Zebrastreifen über jede Straße kommen. In Frankreich jedenfalls!

Madame führt uns durch das abendlich beleuchtete Avignon zum Papstpalast und erklärt uns dessen umfangreiche, verzwickte Geschichte. Aufgrund der Machtkämpfe in Rom entschloss sich Papst Clemens V., lieber in Avignon zu bleiben. Ihm taten es sechs weitere Päpste und fünf Gegenpäpste gleich. Die genauen Zahlen und Hintergründe hat sie alle im Kopf. Von außen sieht der Palast wie eine Festung aus, innen wie ein Schloss.

Aber rein können wir heute nicht mehr, zu spät, geschlossen. Mein Kollege ist traurig, darauf hatte er sich gefreut! Mir genügt der phantastische Anblick der erleuchteten Front. Und was für eine Atmosphäre hier draußen: Weintrinker in den Bistros, Gitarrenspieler auf dem Steinboden, Tramper auf ihren Rucksäcken…

Ungern verlasse ich den Platz. Schade, dass man immer weiter muss, wenn es irgendwo schön ist. Ich müsste auch nicht, das Schiff liegt gleich nebenan am Kai. Aber ich finde ja allein nicht zurück. Keine Orientierung! Meist dem Gatten blindlings hinterher gelaufen.  Aber mit der Gruppe entdecke ich noch mehr schöne Plätze der Altstadt, alle stimmungsvoll beleuchtet.

Mein besonderer Dank gilt hier den französischen Arbeitern. Ohne ihre Streikandrohung hätten wir die Stadt nur bei Tag angeschaut und das wäre echt schade gewesen.

Montag – Flusstag

Heute fährt das Schiff ganz schnell und ohne Unterbrechung nach Lyon. Mir soll´s recht sein, endlich Zeit zum Ausruhen. Erst mal hol ich mir einen feinen Tee, setz mich auf die Fensterbank in meinem Zimmer und schau einfach nur zu, wie die Landschaft vorüberzieht. Das wollte ich schon lange. So, dann ist es Zeit zum Mittagessen.

Und da passiert es wieder!

Wir sind gerade bei der Vorspeise. Draußen waren eben noch Schafe auf grüner Wiese am Grasen, jetzt ist die Sonne verschwunden und eine graue Wand schiebt sich von unten her direkt vor das Fenster. Die Außenwelt wird ausgeblendet und es geht nur noch abwärts, ganz langsam, viele Meter. Wir stecken in einer der vielen Schleusen.
Ein recht unangenehmes Gefühl macht sich im Magen breit, ich krieg leicht Platzangst.

Aber ich weiß, oben an Deck steht der Mann meines Vertrauens, der Kapitän. Ich habe mir das mal angeschaut. Es ist wirklich nicht viel Platz zwischen dem Schiff und den Schleusenwänden. Sieht nach 10 cm aus, mehr nicht. Aber wer kann, der kann. Der Mann am Steuer erzählt, dass seine ganze Familie seit fünf Generationen in der Schifffahrt arbeitet. Da steckt das doch schon in den Genen.

Mit diesem Wissen verspeise ich den Hauptgang und beim Dessert wird es ganz langsam wieder hell vor dem Fenster. Die Sonne scheint und die Schafe grasen immer noch.

Nachmittags kann ich wählen zwischen Sonnenliegen auf dem Deck oder dem Salon. Ich schau mich mal um. In einigen Ecken rauchen die Köpfe über dem Nicko-Scrabble, das heute auf den Tischen liegt. Erfrischende Cocktails sollen ja helfen bei dieser geistigen Schwerarbeit.

Mitglieder der Crew zeigen ganz vorne interessierten Hausfrauen, wie diese phantastischen Tiere aus Handtüchern gefaltet werden, die jeden Abend auf den Betten liegen. An der Bar werden über einem Bierchen die erstaunlich schlechten Fußballergebnisse der Bayern diskutiert oder ein Schwätzchen mit der hübschen Barkeeperin gehalten. Kurz gesagt, es geht familiär zu, gemütlich, wie zu Hause. Um 14:30 Uhr erhebt sich eine Damengruppe schlagartig aus den Sesseln und verlässt geschlossen den Salon. Was ist da passiert? „Sturm der Liebe“, wer eine Folge verpasst, kommt nicht mehr mit. Fernseher sind auf den Zimmern.

Zur Kaffeezeit um 16:00 Uhr sind alle wieder da. Ich geh an Deck, da sind die Bücherleser, in die Ferne Blicker und Schläfer zu Gange. Da lege ich mich dazu und genieße den Fahrtwind.

Lost in Lyon

Am nächsten Morgen sind wir wieder mal in Lyon. Nach dem Frühstück bringt uns der Bus zur Wallfahrtskirche Notre-Dame de Fourvière. Sie thront auf einem Hügel weithin sichtbar über der Stadt.

 

Die Lieblingskirche der Lyoner hat es in ihrer langen Geschichte von einer kleinen Marienkapelle zur Basilika minor gebracht. Eine goldene Marienfigur strahlt von einem der Türme. Ob vor einer Pest-Epedemie oder vor der preußischen Besatzung, die Gebete der Bürger wurden jedesmal erhört und ihre Wünsche gingen in Erfüllung. Kein Wunder, dass es an Gold und kostbaren Materialien im Innenraum nicht fehlt. Und der ist sehenswert! Das Licht fällt durch die bunten Fenster und lässt die goldenen Verzierungen an der Decke leuchten.

Draußen auf der Terasse kann man an guten Tagen die schneebedeckten Alpen sehen. Das glauben wir mal, heute ist es etwas dunstig.  Aber der Blick über Lyon ist trotzdem herrlich.

Wieder unten hält der Bus am Ufer der Saône und wir spazieren durch verwinkelte, enge Gassen der Altstadt.  Unsere Stadtführerin kennt die Zugänge zu den Traboules. Diese verborgenen Gänge und Passagen verbinden Straßen und Häuserblöcke miteinander. Man geht durch Innenhöfe, Treppenhäuser und Hausflure, sieht alles ziemlich privat aus. Deshalb sind auch nur einige Traboules für Touristen zugänglich.

 

 

Dann entlässt sie uns mitten in der Altstadt, eine halbe Stunde Freizeit. Kein Problem, der Bus steht ja gleich um die Ecke. Prima, ich gehe mit einem Kollegen los. Wir kaufen Geschenke ein, Brioches, frisch gebacken und liebevoll verpackt.

Dann zieht uns ein bunter Markt an der Flusspromenade der Saône an. Zwischen den Platanen endlose Stände mit Obst, Gemüse, Wurst, Käse, Blumen. Lyoner Hausfrauen mit großen Einkaufskörben probieren verschiedene Oliven und diskutieren eifrig miteinander, bevor sie sich für eine Sorte entscheiden. Ich bin in meinem Element.  Wir probieren Wurst und Käse. In meiner Tasche landen drei riesige Artischocken. Die sahen einfach zu schön aus. Der Markt zieht sich hin.

Aber die halbe Stunde dürfte allmählich vorbei sein. Ich habe selbstverständlich keine Ahnung, wo unser Bus steht, aber in weiser Voraussicht einen Mann dabei. Und von dem erwarte ich jetzt Richtungsanweisungen.

O je, der ist auch ratlos. Gibt es das, ein männliches Wesen ohne Orientierungssinn? Hätte ich nicht gedacht. Mein Bauchgefühl führt mich über eine Brücke zu einem Cafe. Da ist dieser Baum mit den komischen länglichen Früchten. Gegenüber müsste unser Bus stehen. Tut er aber nicht. Der sei schon weg, meint ein anderer Busfahrer. Jetzt haben wir den Salat!

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Trambahn gibt es hier keine, die Taxis sind heute rar (Streik?). Also zu Fuß: wohin? wie weit? Den angebotenen Stadtplan haben wir an der Rezeption gelassen. Nacheinander fragen wir die Bedienung eines Bistros, einen schon vergebenen Taxifahrer, den Verkäufer eines Gemüseladens, einen Jungbanker zwischen zwei Telefonaten und eine ältere Dame mit Rollator nach dem Weg zur Rhône. Sie sind sehr hilfsbereit und schicken uns jeweils eine Straße weiter. Mehr verstehen wir und sie nicht. Und siehe da, nach fast einer Stunde stehen wir am Ufer. Unser Schiff ist nicht in Sicht, aber ich kann die hohen Lichttürme des Schwimmbades erkennen. Das ist unsere Richtung.

Der Bus hat 10 min auf uns gewartet. Das habe ich befürchtet und es ist mir sehr peinlich. Die sportliche Betätigung hat aber gut getan und wir haben viel von der Stadt gesehen.

Pérouges

Pérouges heißt das kleine Bergstädtchen, das wir am Nachmittag anschauen. Es liegt 30 km nordöstlich von Lyon und ist eine Touristenattraktion. Die mittelalterlichen Straßen und Häuser wurden aufwendig restauriert. Für historische Filme wurde dieser Ort oft als Kulisse gewählt. „Die drei Musketiere“ kann man sich hier lebhaft vorstellen.

Wir gehen durch das Stadttor, sehr vorsichtig auf dem extremen Kopfsteinpflaster, vorbei an mittelalterlichen Fachwerkhäusern und Wohnhäusern aus der Renaissance zum Platz mit der alten Linde in der Mitte des Ortes. Dort genießen wir die ungewöhnliche Atmosphäre bei einem Kaffee.

 

Aus geöffneten Ladenfenstern duftet es nach dem berühmten Kuchen aus Briocheteig, Zucker und Butter. Mit einem Klecks Sahne lauwarm serviert…

Ein genauerer Blick auf die Steinfassaden und Fenster lohnt sich. Es scheint, als ob man zum Bauen benutzt hätte, was gerade herumlag und greifbar war: große und kleine Steine, Felsbrocken, Teile von anderen Gebäuden, Holzstücke. Als ob ein Lehrling hier ausprobiert hätte, was so alles geht. Aber diese Art zu bauen hatte bestimmt ihre Gründe.

Welchen Sinn hatte es aber, eine Haustür zuzumauern und daneben eine neue herauszuhauen? Das sieht man hier sehr oft. Unsere Stadtführerin weiß auch keine schlüssige Erklärung dafür. Das Geheimnis will der Ort für sich behalten.

Zurück auf dem Schiff finde ich im Zimmer den Plan für den letzten Tag. „Ausschiffung“ steht da und es folgen genaue Anleitungen, wie jeder zu seinem Bus, Taxi, Zug oder Flugzeug kommt. Bis acht Uhr sollte die Kabine geräumt sein, denn am Nachmittag kommen schon die nächsten Passagiere an.

Ich packe den Koffer. Das Abendessen wartet und ein Schwätzchen an der Bar ist auch noch drin. Was für eine erlebnisreiche Woche! Ich bin begeistert von dieser neuen Art zu reisen.

 

PS: Mein Garten erwartet mich total zerzaust von den ersten Herbststürmen. Nach den ersten groben Aufräumungsarbeiten schmore ich die französischen Artischocken. Zum Kaffee gibt es dann Brioche. Très bien!

 

Der erste Teil meiner Flusskreuzfahrt:

Fluss-Kreuzfahrt Frankreich: Auf der Saône von Lyon nach Burgund

 

Weiterführende Links

Alle Teile des Reiseberichts zur Flusskreuzfahrt mit nicko nach Südfrankreich findest Du unter diesem Sammellink

Nicko-FlussKreuzfahrten mit der Bijou du Rhône bei e-hoi buchen*

Rhône Flusskreuzfahrten – Die Reise durch das Herz Frankreichs. Bei e-hoi buchen*

Nicko-Kreuzfahrten bei DERTOUR buchen*

FlussKreuzfahrten bei Weg.de buchen*

Rhône-Express (Lyon-Express)

 


 

Danke an nicko für die Einladung zur Flusskreuzfahrt. Die Kosten für An-/Abreise (Bahn, Flugzeug, Rhone-Express, öffentlicher Nahverkehr) und Getränkepaket an Bord trug ich selbst, der Rest wurde von nicko übernommen. Meine Meinung bleibt – wie immer in ReiseFreak’s ReiseMagazin und ReiseBlog – meine eigene.

 


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Ein Kommentar

  • Kreuzfahrt Lover

    ich kann die Urlaubsluft regelrecht riechen. Toll geschrieben und macht einfach Lust auf mehr.
    Meine Frau und ich planen eine Flusskreuzfahrt und sind nun voller Inspirationen.
    Vielen Dank