Thüringen: Gartenzwerge, Greifvögel, Brunnenkresse und ein Bierrufer
Translation with Google
Autor: | Edeltraud Brugger |
Reisezeit: | März 2023 |
Art der Reise: | Pressereise |
Lesezeit: | 6 Minuten |
Thüringen entdecken: Geheimtipps für unterwegs
Zwergstatt Gräfenroda: Gartenzwerge made in Thüringen
Die einzige Zwergenmanufaktur Deutschlands befindet sich in einem verwinkelten historischen Gebäude mit malerischem Innenhof in Gräfenroda, einem kleinen Ort im Tal der Wilden Gera. Dort werden die Zwerge in historischer Form mit Hand gefertigt. Gründer Philipp Griebel und seine Nachfahren sammelten alte Formen und retteten so Modelle auch aus anderen Manufakturen. Die Mischung des Tons ist ein Geheimnis.
Er wird gewässert und wie Teig durchgeknetet, damit er frei von Luftblasen ist. Die Gipsmodelle müssen immer wieder erneuert werden.
Modelleur*innen entfernen nach der Trocknung Gießnähte und glätten mit Pinsel oder Schwamm. Eine Figur besteht aus mehreren Einzelteilen, die genau angeklebt werden müssen. Da kann so ein Zwerg schon mal aus 20 Teilen zusammengesetzt sein. Bei 1000 Grad wird der Wichtel gebrannt und zuletzt bemalt.
Allein das Gesicht benötigt dabei 10 Maldurchgänge bevor der glänzende wetterfeste Lack aufgetragen wird. Alles Handarbeit, die viel Geduld und Geschick erfordert.
Im Sozialismus wurde die Herstellung der Wichtel zweitweise als unnötig verboten, später jedoch erlaubt für den Export ins bürgerliche kapitalistische Ausland. Unter dem Ladentisch wurde der Gartenzwerg jedoch weiterhin gehandelt und zum kostbaren Tauschobjekt. Nach der Wende gelangte die Firma wieder in die Hände der Alteigentümer, die sich nun gegen Imitate vor allem aus dem asiatischen Raum behaupten mussten.
Seit 2021 bringen die zwei neuen Eigentümerinnen frischen Wind in die Zwergstatt. Eine gläserne Manufaktur, firmeneigener Werksverkauf, ein moderner Webshop, Töpferkurse, und natürlich das Gartenzwergmuseum wollen Besucher erfreuen. Das Museum führt in acht Räumen mit 400 Exponaten durch 140 Jahre Geschichte dieses Handwerks. Nach dem Rundgang kann man zusehen, wie der Zwerg gegossen und gebrannt wird. Kinder und Erwachsene dürfen in speziellen Kursen ihre eigenen Zwerge bemalen. Cafe und Bistro sind in Planung.
Immaterielles Kulturerbe Thüringens
Das Landesverzeichnis von Thüringen hat nun, einschließlich der Gartenzwerge aus Gräfenroda, elf Einträge:
- Brehms Welt – Tiere und Menschen
- Der weihnachtliche Fackelbrand zu Schweina
- Eisenacher Sommergewinn (im bundesweiten Verzeichnis seit 2016)
- Erfurter Brunnenkresse (siehe Kapitel weiter unten)
- Gartenzwerge aus Gräfenroda
- Heiligenstädter Palmsonntagsprozession (im bundesweiten Verzeichnis seit 2016)
- Kindergartenidee nach Friedrich Fröbel
- Lauschaer Christbaumschmuck (im bundesweiten Verzeichnis seit 2021)
- Skatspiel aus Altenburg (im bundesweiten Verzeichnis seit 2016)
- Taubenmarkt in Dermbach
- Thüringer Bratwurstkultur
Die Falknerei am Rennsteig
Lernen Sie Greifvögel und Eulen aus nächster Nähe kennen! Werden Sie selbst zum Falkner und lassen Sie Adler, Uhu, Bussard und Co. auf Ihrer Hand landen! Während einer Flugshow (ca. 1 Stunde) garantieren wir Ihnen hautnahen Kontakt zu unseren Greifvögeln. Sie erfahren Wissenswertes über die Welt der Greifvögel und Eulen sowie über die 4000 Jahre alte Tradition der Falknerei.
Es erwarten Sie: Falken, Bussarde, Adler, Eulen und Geier bei ihren majestätischen Freiflügen in naturbelassener Kulisse. Erleben Sie spektakuläre Jagdflüge mit Falke Jeldo, bestaunen Sie die enorme Flügelspannweite unserer verrückten Gänsegeierdame Merry, lauschen Sie dem lautlosen Flug unserer Eulen Paul und Paula, beobachten Sie Weißkopfseeadler Unak beim Fischen seiner Beute aus dem Wasser und vieles mehr! Unweit von Deutschlands bekanntestem Höhenwanderweg, dem Rennsteig, finden Sie uns zwischen Ruhla und Winterstein, unmittelbar hinter dem Waldgasthaus Ruhlaer Skihütte.
So steht es geschrieben und jetzt sind wir hier. Eine schwarze Wolkenwand schiebt sich unter Donnergrollen heran, als wir vor dem Eingang zur Falknerei stehen. Falknerin Lisa Schubach und ihre Mutter begrüßen uns. Sie erklärt, dass die Vögel bei starkem Regen und Wind nicht fliegen können.
Aber wir haben Zeit, stellen uns in einem Holzhäuschen unter und nach einem kurzen, heftigen Schauer beruhigt sich das Wetter. Es kann losgehen. Und es ist wirklich beeindruckend, was wir zu sehen bekommen. So nah habe ich Greifvögel noch nie gesehen. Mutige Zuschauer lassen sie auf ihrem Arm landen, natürlich mit einem dicken Lederhandschuh geschützt vor den mächtigen Krallen.
Familie Schubach und ihre Falknerei sind berühmt. Das WDR hat eine mehrteilige Reihe gedreht über die Familie und ihre „Falknerei am Rennsteig“. In der Mediathek zu sehen (Link unten).
Die Kunst der Falknerei ist mindestens 3.500 Jahre alt. Der „Zwischenstaatliche Ausschuss zum Immateriellen Kulturerbe“ hat am 1. Dezember 2016 in Addis Abeba die Falknerei in Deutschland in die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
Erfurter Brunnenkresse
Hoher Staatsbesuch in Berlin. Im Kofferraum des Privatautos aus Erfurt wird ein kostbares Gemüse für die Küche transportiert: frische Brunnenkresse direkt aus der Klinge der Familie Fischer.
Die Fischers betreiben den Anbau von Brunnenkresse in der fünften Generation. Das Wintergemüse gehört zur Familie der Kreuzblütengewächse und schmeckt ein bisschen wie Rettich. Geerntet wird in den Monaten mit r, also von September bis April. Sie wächst in der Klinge, einem künstlich angelegten Wasserlauf mit zügig durchfließendem Wasser, das ganzjährig eine Temperatur von ca 11 Grad haben muss. Daraus holt sich die Pflanze wertvolle Mineralien, die ihren Geschmack ausmachen.
Ralf Fischer zeigt uns an seiner historischen Anlage, wie die Kresse geerntet wird. Über die schwankenden, schmalen Holzbohlen balanciert er in die hintere Ecke, kniet sich nieder und schneidet mit einem scharfen Messer Kressebüschel ab. Ich gebe nach wenigen Schritten auf den nassen, schaukelnden Brettern auf. Die Becken sind zwar nicht tief, aber von oben sind wir schon nass, es regnet heute.
Dafür dürfen wir das frische Superfood aus Erfurt aus seinem Korb probieren. Es schmeckt würzig und ein wenig scharf und steckt voller Vitamine, Eisen, Phosphor, Jod und Calcium. Senföle hemmen das Wachstum von Bakterien und Viren.
Kaiser Napoleon Bonaparte war bei seinem Aufenthalt 1808 begeistert von dem Kraut mit den Superkräften. Er nahm zwei Erfurter Gärtner mit nach Versailles und ließ dort die Kresse anbauen. In den 60er Jahren wurden in Erfurt auf rund 20.000 qm 40 Tonnen Kresse geerntet.Nach der Verstaatlichung ließ das Interesse nach, viele Klingen wurden zugeschüttet und liegen zum Teil bis heute brach. Ralf Fischer erzählt, wie er sich und seinen Eltern nach der Rückübertragung einen Traum erfüllte und die Wasserläufe wieder belebte. Inzwischen schneidet er sechs bis acht Kilo pro Woche für Stammkunden und Restaurants in der Region. Und natürlich für Besucher, die immer willkommen sind. Die können dann auch das kleine Brunnenkresse-Museum mit Familiengeschichte bestaunen.
Brauhaus Arnstadt: Thüringer Spezialitäten mit Bierrufer
Arnstadt im Herzen Thüringens, das denke ich an Johann Sebastian Bach. Wie auch bei dem kleinen Ort mit dem seltsamen Namen Ohrdruf, durch den wir gefahren sind.
Wir übernachten im Hotelpark Stadtbrauerei Arnstadt. Das historische Gebäude zählt zu den vielen wertvollen Baudenkmälern der Stadt. Am Abend sitzen wir in der Braustube mit Blick auf die Sudkessel. Thüringer Spezialitäten und handgebraute Biere werden angeboten. Am Sonntag ist Kloßtag.
Heute Abend erscheint ein elegant gekleideter Herr im historischen Kostüm, stellt sich vor als Bierrufer und erzählt aus der Arnstädter Biergeschichte.
Viele Handelsreisende auf der Frankenstraße machten hier Rast für eine Nacht und stellten ihre Pferde unter. Aus dem Jahre 1617 stammt das älteste Dokument für Hefe-Weizenbier Brauer in Arnstadt und das älteste Reinheitsgebot für Bier gab es nicht etwa in Bayern, sondern 1434 in Thüringen. Na sowas!Aufgabe des Bierrufers war es, bekannt zu geben, wer gerade im Ort Bier gebraut hat und wo es das frische Nass zu holen gab. Wieder etwas dazu gelernt! Da schmeckt doch das Kellerbier gleich noch besser. Und das hat ein wenig mehr Alkohol und konnte so etwas länger im Keller gelagert werden. Der Bierrufer weiß eben Bescheid.
Handwerkliches Bierbrauen steht im Bundesweiten Verzeichnis Immaterielles Kulturerbe.
Interessante und weiterführende Links
Mediathek: Rund 20 Filme über die Falknerei ermöglichen tiefere Eindrücke
Bundesweites Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes | Deutsche UNESCO-Kommission
Übernachtung
Übernachtung im Hotelpark Stadtbrauerei Arnstadt*
Literatur
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