Neuseeland: Wandern auf dem Fernwanderweg Te Araroa
Translation with GoogleEin Übersichtsbericht von Gast- und Buchautorin Melanie Bertsch.
Der Beginn einer langen Wanderung
„Da! Ich kann das Schild sehen!“.
Wir erreichen den offiziellen Startpunkt des Te Araroa.
„Ja! Ich sehe es“, rufe ich und drehe mich zu Henning – meinem Mann – um, der hinter mir geht. Er grinst schon wieder von Ohr zu Ohr. Ich bin aufgedreht wie ein Kind an seinem Geburtstag. Wenn das Gewicht meines Rucksacks nicht so ungewohnt schwer wäre, ich hätte wohl einen Luftsprung gemacht, um überschüssige Energie loszuwerden. Es geht endlich los. Ich drehe mich wieder zu dem Schild und blinzle in die Sonne, die eher an eine deutsche Wintersonne erinnert als an neuseeländischen Hochsommer im Januar.
Die Luft riecht frisch nach Meeresbrise. Von dem Pfosten, der den südlichsten Punkt Neuseelands markiert, sehe ich nur die Umrisse und gelb leuchtende Wegweiser daran.
Es ist merkwürdig dieses „Monument“ wahrhaftig vor mir zu sehen, und nicht wie während der monatelangen Planung, unzählige Male auf Videos und Bildern. In meiner Vorstellung war dieser Ort belebt gewesen. Und magisch. Es hatte nur ein Ort mit besonderer Stimmung sein können, schließlich war es der auserkorene Startpunkt unserer fünf Monate langen Wanderung. Doch hier ist niemand. Es gibt ein Hotelrestaurant. Es ist geschlossen. Die Straße endet in einer Sackgasse. Außer dem geschlossenen Restaurant gibt es nur dieses Schild.
Hoffentlich ist das kein böses Omen. Unser Fußmarsch in die „Freiheit“ beginnt ausgerechnet in einer Sackgasse. Ich behalte meine Gedanken lieber für mich.
Wir nähern uns andächtig, als würden wir eine Kirche betreten, in der man kein Geräusch machen soll.
Es ist eine weiße Metallstange mit einem Dutzend gelber Pfeile, die zu verschiedenen Metropolen der Welt zeigen. Da steht zum Beispiel „London 18.958 km“ oder „New York 15.008 km“. Sogar Sydney ist 2.000 Kilometer Luftlinie entfernt. Mir wird (mal wieder) klar, wie weit Neuseeland vom Rest der Welt entfernt ist und dass wir uns wahrhaftig auf der anderen Seite der Weltkugel befinden – von Deutschland aus gesehen.
Ich beobachte, wie Henning die Kamera auf einer Bank aufstellt und ausrichtet. Crazy, denke ich als die Kamera mit dem Selbstauslöser die erste Serie Bilder von uns schießt. Es ist ja keiner hier, den wir hätten bitten können, von uns Bilder zu machen. Die Kamera dokumentiert, wie wir hier stehen. Am Ende der Welt, am Ende der Südinsel von Neuseeland. Um zu wandern. Ja, um VIEL zu laufen, nämlich durch ganz NEUSEELAND!
Unser Wanderziel – Cape Reinga, auf der entgegengesetzten Seite von Neuseeland – ist laut dem gelben Schild 1.401 Kilometer Luftlinie entfernt. Laufen werden wir über 3.000 Kilometer, um dort anzukommen.
Wie ist es wohl am letzten Wandertag einer monatelangen Wanderung? Ist man traurig oder ist man froh? Hat man Schmerzen oder fühlt man sich wohl?
Bild 2: Start auf der Bluff Halbinsel
Ich werde es hoffentlich am eigenen Leib herausfinden können.
Über den Fernwanderweg Te Araroa
Der Te Araroa („Der lange Weg”) ist der junge Fernwanderweg Neuseelands, der erst Ende 2011 offiziell eröffnet wurde. Der Trail ist eine Mischung aus etablierten Wanderwegen, neu angelegten Pfaden und Straßenabschnitte entlang von Highways oder Landstraßen. Er verläuft in Nord-Süd-Richtung 3.000 Kilometer über beide Inseln – von Cape Reinga, dem nördlichsten Punkt der Nordinsel bis zum Sterling Point in Bluff, ganz im Süden der Südinsel.
Die Laufrichtung von Nord nach Süd (= southbound) ist die häufiger gewählte. Wir sind 2017 northbound gelaufen und können dies sehr empfehlen, wenn man die Einsamkeit und weniger überlaufene Wanderwege begrüßt.
Herausforderungen
Der Te Araroa ist nichts für Ungeübte: Wetter, Terrain und wilde Natur machen das Wandern zum „tramping“. So nennen die Neuseeländer das wildere Wandern, das häufig mit Klettern, Weg suchen, sich durch Dornen schieben, über Matsch rutschen und Gewässer durchqueren verbunden ist.
Bild 4: Kilometerweit ist der Bach der Trail
Die neuseeländische Landschaft ist sehr schön und abwechslungsreich, aber zum Teil auch sehr ausgesetzt und alpin. Wanderstöcke und Trittsicherheit sind in meinen Augen ein Muss, ebenso wie ein nicht mehr als 15kg schwerer Rucksack. Mit mehr Gepäck sind die Strapazen sonst schwer zu genießen.
Bild 5: neuseeländischer Farnwald
Das Wetter kann schnell und unvorhergesehen umschlagen und du solltest von Hochsommer bis Minusgrade für alle Wetterlagen gerüstet sein und dich auf viel Regen und nasse Füße einstellen. Den Touristen wird in Neuseeland immer erzählt, dass es an einem Tag alle 4 Jahreszeiten gleichzeitig geben kann – und das ist vollkommen ernst zu nehmen und stimmt.
Auch auf schwierige Bach- und Flussüberquerungen solltest du dich gut vorbereiten. Es gibt zwar viele schöne Hängebrücken, aber auch genauso viele naturbelassene Gewässer. Reißende Flüsse nach Regenfällen sind eine der Haupttodesursachen in der Wildnis Neuseelands.
Gute Planung, Kenntnisse über deine Ausrüstung und etwas Erfahrung im Umgang mit Karte und GPS sind von Vorteil.
Von A nach B kommen
Der Te Araroa ist mal mehr, mal weniger gut markiert und kann an einem Stück gelaufen werden. Allerdings muss man bei einer Länge von 3.000 Kilometer natürlich auch mal duschen und einkaufen und Wäsche waschen. Wie bereits oben erwähnt sind manche Streckenabschnitte sehr ausgesetzt und fern jeder Zivilisation. Nur selten kommt der Te Araroa an vernünftigen Einkaufsmöglichkeiten vorbei (Südinsel) und oft muss man den Trail verlassen, um in die nächste Ortschaft zu kommen. Diese liegt aber meist mehrere Kilometer weit entfernt, so dass du ums Trampen nicht herumkommst. In Neuseeland kann man sehr gut Trampen – vorausgesetzt es kommt überhaupt ein Auto.
Bild 6: unendliche Weiten
Vorteile
Neuseeland besitzt ein tolles Berghütten-Netz, die mit einem Backcountry Hut Pass benutzt werden können. Sie haben weder Strom noch Service, aber ein Dach und vier Wände und eine Wasserquelle sowie ein Kompostklo. Neuseeland bietet die unglaublichsten Landschaften von atemberaubender Schönheit, jede Menge Abwechslung, die Gastfreundschaft der Kiwis (= Neuseeländer) und das gute Gefühl, dass es keine gefährlichen oder giftigen Tiere gibt und Neuseeland eines der sichersten Länder der Welt, ist was Kriminalität angeht.
Bild 7: Zelt und Backcountry Hut
Weitere Informationen
Auf meinem Blog www.zuhauseimwald.blogspot.com habe ich 2014 und 2017 (zusammen mit meinem Mann) Wandertagebuch geführt und ausführliche Tipps und Tricks zum Thema Weitwandern und über die dazugehörige Ausrüstung geschrieben.
Außerdem ist im Dezember 2020 mein Buch* „Wanderbares Neuseeland. 3.000 Kilometer zu Fuß auf dem Te Araroa“ erschienen.
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Über die Autorin
Melanie Bertsch, geboren 1988, hat Zahnmedizin in Heidelberg studiert. Nach dem fordernden und kräfteraubenden Studium, beschloss sie sich – zusammen mit ihrem Freund (heute Mann), eine Auszeit zu nehmen. 2.000 Kilometer zu Fuß entlang der Ostküste der USA (auf dem Appalachian Trail) später, ließ die beiden die Leidenschaft fürs Weitwandern nie wieder los. Und so folgte 2017 die zweite halbjährigen Fernwanderung, diesmal durch Neuseeland. Die Erlebnisse dieser Reise hat sie in ihrem Buch verarbeitet. Heute lebt sie – inzwischen mit ihren beiden Kindern und Mann – in Esslingen am Neckar und arbeitet als Zahnärztin.
Titelbild: Foto von Sébastien Goldberg auf Unsplash
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