Georgien – die Sonnenseite des Kaukasus. Teil 1: Tiflis und georgische Heeresstraße
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Teil 1: Tiflis und georgische Heeresstraße
Gastautor Gerald Grahammer schreibt: Als der liebe Gott jedem Volk sein Land zugewiesen hatte, vergaß er die Georgier. So blieb ihm nichts Anderes übrig, als ihnen jenes Plätzchen zu geben, das er eigentlich für sich selbst reserviert hatte: die Gegend auf der Sonnenseite des Kaukasus. – So klingt der liebenswürdige volkstümliche Gründungsmythos dieses Landes.
Doch zurück in die Wirklichkeit, und zwar zu ganz unromantischen, praktischen Erwägungen. Ich gehe davon aus, dass Du als Leser dieses Blogs an einer Individualreise interessiert bist, denn bei Gruppenreisen kannst Du Dir im Extremfall sämtliche Vorüberlegungen sparen und einfach hinterher trotten.
Ist das Land sicher, wird eine der ersten Fragen sein.
Ja, das ist definitiv der Fall. Das bestätigen Internet-Anfragen bei den Außenministerien ebenso wie meine persönliche Erfahrung. In mitteleuropäischen Großstädten muss man ebenso sehr oder wenig auf der Hut sein wie in Tiflis – im ländlichen Raum musst du nur die Autos fürchten. Die typischen Hirtenhunde hingegen sind harmlos.
Reise-Tipps
Aber jetzt kommt Vorsicht auf, wenngleich auf anderen Gebieten. Erstens, EU-Staaten haben keine Sozialversicherungsabkommen für den Krankheitsfall – Privatversicherung abschließen! Ich habe mich für eine kostengünstige und passende Auslandskrankenversicherung des ÖAMTC entschieden.
Vorsicht bei Roamingkosten, sie könnten mehr kosten als die ganze Reise! Auch dagegen bieten die diversen Mobiltelefonanbieter Sonderpakete.
Achtung Bankomatkarten: Deine Mastercard muss für Georgien „freigeschaltet“ werden, sonst gibt’s keine Kohle, pardon: Lari, so heißt die georgische Währung. Bankomaten gibt es in den Städten und in kleineren Tourismusorten. Für eine Tour quer durch das Land musst Du Dich aber mit ausreichend Bargeld versorgen, VISA wird in diesem Bereich nur selten akzeptiert.
Viele kleinen Hotels bzw. Gästehäuser bestehen auf Bargeld! Wechselstuben bieten unterschiedlich günstige Kurse an. Merk dir den Kurs (derzeit ca. 1 € = 2,9 Lari) und falle nicht auf jeden Schwindelkurs herein. Den offiziellen Kurs verwenden die großen Banken, Du bekommst ihn auch gleich nach der Landung am Flughafen.
Für Deine Planung hat sodann die Unterkunft vorrangige Bedeutung. Booking.com* oder Airbnb*? Beides funktioniert in Georgien, mit den Vorteilen und Tücken, die für diese Buchungsplattformen überall bestehen. Die Preise für günstige booking.com-Angebote liegen zwischen 20 – 30 Euro pro Nacht, und sie sind oft kurzfristig noch kündbar. Individualreisende, die ihre Reiseroute während ihrer Tour noch ändern wollen, können das also oft kostenfrei. Airbnb lässt so kurzfristige Stornierungen im allgemeinen nicht zu. Man stellt bei booking.com-Gästehäusern aber fest, dass sie eigentlich auch eher in die Airbnb-Kategorie fallen, denn manchmal sind es einfach Privathäuser, die nur ein Zimmer vermieten. Viele Georgier haben die Vermietung als eine Möglichkeit zum Aufbessern ihres kärglichen Lohns entdeckt.
Du musst bei Unterkünften in Georgien ebenso wie in anderen Beziehungen ein Auge zudrücken – aber nicht beide. Wenn etwa ein Vermieter auf die Schnapsidee kommt, um 22 Uhr seine Schwarzarbeiter mit Bohrmaschinen und ähnlichen Krachmachern ihr „Tageswerk“ im renovierungsbedürftigen Gebäude beginnen zu lassen, dann darfst Du um 00.30 h genervt aufstehen und ihnen sagen: Jetzt reicht es, ihr hört auf und ich zahle für diese „Nacht“ nichts. Das akzeptieren sie.
Überhaupt sind die Georgier umgänglich. Man muss bei Taxifahrern ein bisschen aufpassen, sie sind wie überall ein besonderes Völkchen. Ich habe in den meisten meiner Reiseländer bei den „Taxlern“ aber unverschämtere Preismanöver abwimmeln müssen als in Georgien.
Ach ja: einen Reiseführer würde ich Dir dringend empfehlen. In den Buchhandlungen sieht es mager aus mit Reiseliteratur über Georgien. Nebst Reiseblogs (wie jenem, den du gerade liest), empfehle ich dir das topaktuelle Reisebuch* „Georgien“ aus dem Trescher Verlag.
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Tiflis
Foto 02: Tiflis, Blick auf die Festung Narikala
Nach diesen Vorbemerkungen endlich rein ins Land!
Gut, Du bist in Tiflis gelandet – zu einer Unzeit. Scheinbar landen die meisten Flugzeuge spät nachts, weil sie vorher irgendwo eine Zwischenlandung haben, meistens in Kiew. Es sei denn, du fliegst mit Wizz Air sehr billig nach Kutaisi, der zweiten Hauptstadt des Landes.
Das Taxi von Tiflis Flughafen ins Zentrum verlangt mit Nachtzuschlag 30 – 35 Lari (geteilt durch 3 = Euro). Das ist zu verkraften. Du hast ein Hotel reserviert über booking.com* oder ein Zimmer bei Airbnb, so wie ich ich. Vielleicht findest Du den richtigen Eingang in einem komplexen Wohngebäude ohne Hilfe eines netten Nachbarn, der Dir im Pyjama nachts um halb zwei behilflich ist. Und wenn Du Glück hast, liegt der Schlüssel tatsächlich wie versprochen im Früchtekorb im Gang, was Dir der außer Landes befindliche Vermieter versprochen hat. Wenn dort aber kein Schlüssel ist, dann mach es ganz einfach wie ich: Ziehe frustriert ab und stapfe eine Stunde durch die regnerische Altstadt auf der Suche nach einer ad-hoc-Ersatzunterkunft, bis Du Dich endlich einem Taxifahrer anvertraust, der ja immer ein Hotel kennt, in dem Du in den paar verbleibenden Stunden der Nacht unterkommst. Die Rückzahlung des Geldes für die verschlossene Airbnb-Wohnung verweigert mir der Vermieter, aber Airbnb stellt mir großzügigerweise einen Gutschein in der Höhe des beim Buchungsprozess vorausbezahlten Übernachtungspreises aus. Airbnb kann ebenso ideal wie tükisch sein, und im Gegensatz zu booking.com bezahlst du das Geld wie gesagt im Voraus.
Nach diesem ernüchternden Einstieg ins Land am Kaukasus geht es am nächsten Morgen ins Getümmel der Millionenstadt Tiflis. Für einen Touristen kann eine Stadt noch so groß sein, ihn interessiert in Tiflis noch mehr denn anderswo eigentlich nur die Altstadt, die sich Obere und Untere Kala entlang des Flusses Mtkvari nennt . Nebenbei bemerkt: Gib es gleich auf, manche georgische Ortsbezeichnungen richtig auszusprechen zu wollen – Du schaffst es nicht. Lesen kannst du sowieso nichts, was in den seltsamen 33 georgischen Buchstaben geschrieben ist, aber viele Beschriftungen mittlerweile auch in unserer lateinischen Schrift hinzugefügt.
Foto 03: Freiheitsplatz mit dem Hl. Georg
Dein Ausgangspunkt beim Stadtspaziergang könnte der Freiheitsplatz sein – für Touristen als Freedom oder Liberty Square bezeichnet, denn mit Tavisuplebis Moedani kann niemand etwas anfangen. Dort findest Du wirklich unübersehbar den vergoldeten Heiligen Georg, den Drachentöter und Landespatron. Es versteht sich von selbst, dass an seiner Stelle vorher eine übergroße Lenin-Statue stand. Die politische Richtungsänderung erkennt man auch daran, dass sich das „Haus der EU und NATO“ am Hauptplatz befindet, wohin das Land strebt.
Hier am Platz muss ich Dich auf einen Tourismus-Informationspavillon aufmerksam machen. Dort findest Du all jene Unterlagen (Karten, Prospekte), die Du ansonsten vergeblich suchst, und die netten Damen geben Dir Informationen und präzise Auskünfte, wie Du Dich in der Stadt und im Land von einem Ort zum anderen bewegen kannst. Das ist nämlich gar nicht so einfach für Individualreisende.
Vom Freiheitsplatz aus kannst Du der Flaniermeile Rustaveli folgen. Der Reiseführer beschreibt dir alle wichtigen Gebäude und deren Geschichte. Auf ein einziges dieser Gebäude will ich Dich aufmerksam machen: auf das Georgische Nationalmuseum. Wenn Du nur ein klein wenig Interesse an der mehrtausendjährigen Geschichte des Landes hast, dann schau rein! Im Keller sind Kunstwerke religiöser Art sowie Juwelen und fantastischer Goldschmuck zu sehen. In Georgien liegt das antike Land Kolchis, in dem die griechische Argonautensage spielt – Goldenes Vlies etc., sagt Dir das etwas? Im obersten Stockwerk wird die Geschichte der sowjetischen Okkupation erzählt und illustriert – ein Ausstellungsmotiv, das Du auch in den Museen der baltischen Staaten findest, nicht zur Freude der ehemaligen Machthaber und deren Nachfolger.
Beim Freiheitsplatz um die Ecke steht das Staatliche Kunstmuseum mit einer weiteren Schatzkammer im Erdgeschoss. Mehr an Kunst und Reichtümern wirst du nirgendwo im Land antreffen, die beiden Museen sind in unmittelbarer Nähe. Für weitere Erkundigungen außerhalb der Altstadt bietet sich auch die Metro mit einer Station am Freiheitsplatz an, von der Du im Internet kaum einen Streckenplan auftreiben wirst. Dafür hilft dir eigens auf Touristen geschultes Personal beim Erwerb der Tickets. Man sieht auch daran: Das Land ist in touristischer Aufbruchsstimmung. Die Metro verkehrt übrigens so tief unter der Oberfläche wie nirgendwo, weil sie die Sowjets auch als Luftschutzkeller für den Atomkrieg geplant haben, und sie fährt in einem Affentempo in zwei Linien durch ihre Tunnels.
Foto 04: Touristenhilfe für die Metro
Das wirkliche Leben in der Altstadt spielt sich nicht im Rustaveli-Prospekt ab, sondern in weniger „opulenten“ Straßenzügen. Geh also zurück zum Freiheitsplatz und lenke Deine Schritte in die Kote-Abkhazi-Straße. Sie zieht sich durch die ganze Altstadt und Du landest in ihrer Fortsetzung beim Gorgasali-Platz, bei der Brücke mit Blick auf das Reiterstandbild. Doch dazwischen eröffnet sich Dir die Welt des authentischen Tiflis.
Foto 05: König Wachtang (Wolfshaupt) Gorgasali über dem Fluss
Die erwähnte Kote-Abkhazi-Straße ist voller Leben, genau wie die Erekli II. – Straße, eine kleine Genussstraße mit Restaurants, die in der warmen Jahreszeit Tische in die enge Fußgängerstraße stellen. Hier kannst du die berühmte georgische Küche und ihren Wein kosten, wenngleich etwas teurer als anderswo.
Bleib bitte nicht auf dem ausgetretenen Touristenpfad, sondern biege gelegentlich in die Seitenstraßen ab. Dort präsentiert sich die Stadt in ihrer morbiden Schönheit. Zum Wesen von Tiflis gehört ihr besonderer Baustil. Die typischen Häuser, leider großteils noch nicht renoviert und daher auf den ersten Blick schäbig, haben reich verzierte Holzbalkone, wie man sie sonst nirgends findet. Das Land und ihre Hauptstadt könnte man auch als „Balkonien“ bezeichnen. Dazu kommt eine gewisse Anlehnung an den russischen Klassizismus. Zusammen mit dem Pflanzenbewuchs in den Innenhöfen erinnert das alles an Italien. Georgien war zu Sowjetzeiten das südländische Paradies für jene, die sich einen privilegierten Inlandsurlaub leisten konnten.
Foto 06: Renovierungsbedürftig: die charakteristischen Häuser der Altstadt
Foto 07: „Balkonien“
Foto 08: Modernes Tiflis
Dein Weg führt dich an der Sioni-Kathedrale vorbei, benannt nach dem Berg Zion in Jerusalem, eine der heiligsten Stätten der georgischen Kirche. Öfter zerstört und wieder aufgebaut, beherbergt sie heute als wichtigste Reliquien den Schädel des Apostels Thomas und das Weinrebenkreuz der Heiligen Nino, jener den Aposteln gleichgesetzten Frau aus Syrien, die das Christentum ins Land brachte. Die Kirchentüre ist offen, und hier darf man außerhalb einer Messe fotografieren.
Foto 09: Sioni-Kathedrale
An dieser Stelle möchte ich den Bericht über die Hauptstadt beenden, zumal ich aus Zeitgründen auch nicht alles sehen konnte. Da fehlt beispielsweise die Festung Narikala, auf die eine Gondelbahn vom Rike-Platz hinaufführt, oder der Mtatsminda, der „Heilige Berg“ sowie die 2004 erbaute neue Sameba-Kathedrale, die größte orthodoxe Kathedrale der Welt. Doch jetzt raus aus der Hauptstadt!
Georgische Heeresstraße
Unter der georgischen Heeresstraße versteht man jene Verkehrsverbindung, die von Tiflis Richtung Norden in die Berge und letztlich nach Russland führt. Die Römer haben dort schon „Wache“ gehalten und die Dichter Puschkin oder Tolstoi haben sie bereist und bereimt, voll des Erstaunens über diese abenteuerliche Verbindung über den Kaukasus.
Wie kommst man dorthin? Ich habe ein Taxi genommen, obwohl eine Marshrutka nur einen Bruchteil dessen kostet. Was eine Marshrutka ist, habe ich Dir noch nicht erklärt. Vom deutschen Wort „Marschroute“ haben die Russen die Marshrutka abgeleitet und für Mini-Busse verwendet. Die Georgier haben den Ausdruck übernommen.
Für 10 Lari (ca. 3 Euro) kommst Du 140 km bis nach Kasbegi (bzw. Stepantsminda, wie es heute wieder heißt). Die Marshrutki (Mehrzahl) starten vom Didube-Platz in Tiflis (das ist auch eine Metrostation). Nach der genauen Abfahrtsstelle musst Du Dich durchfragen. Die Kleinbusse fahren immer dann, wenn sie halbwegs voll sind, es kann Dir also passieren, dass du noch eine Stunde warten musst. So weit, so gut, aber einen entscheidenden Nachteil hat diese Art von Billigsttransport: Du kannst nicht aussteigen, auch nur für ein schnelles Foto zwischendurch. In der 3-stündigen Fahrt macht die Marshrutka eine Toilettenpause, wenn’s gut geht, und du kannst beim Gasthaus schnell etwas trinken. Ich habe mich anders entschieden und ein Taxi gekapert. Für ca. 150 Lari (also etwa 50 Euro) habe ich mir den Luxus gegönnt, immer dann stehen zu bleiben, wann ich es will. Das hat sich rentiert, sonst wäre ich an allen Sehenswürdigkeiten vorbeigefahren.
Mtskheta
Den ersten Stopp machst Du 15 km nach Tiflis, denn an der alten Hauptstadt Mtskheta (Zungenbrecher mit dem georgischen ch) solltest du nicht ungestraft vorbei rasen. Ihre Kirchen stehen unter UNESCO-Weltkulturerbe, und für archäologisch Interessierte gibt es ein Museum. Schon die Lage der Stadt am Zusammenfluss der Flüsse Mtkvari und des Aragvi ist eine Augenweide, die Du am besten bei der Kirche zum Heiligen Kreuz – Jvari – genießen kannst. Vor der Einfahrt in die Stadt biegt eine kleine Bergstraße zur unübersehbar beschilderten so bedeutsamen frühgeorgischen Kirche ab.
Lies im Reiseführer die religiösen und geschichtlichen Hintergründe und ihre künstlerisch-architektonische Symbolik nach. Im Blog ist dafür kein Platz. Du darfst sie auch respektvoll betreten, wenn ein Gottesdienst im Gange ist. In einer orthodoxen Kirche darf man mittendrin leise kommen und wieder gehen, was für Touristen ohnehin nicht vermeidbar ist – in einer dreiviertel Stunde endet die Messe nicht. Zum weiteren Verständnis georgisch-orthodoxer Kirchen scheinen mir an dieser Stelle ein paar allgemeine Bemerkungen unerlässlich.
Foto 10: Mtskheta, Blick von der Jvari-Kirche
Wenn man in Europa von alten Kirchen spricht, dann meint man mittelalterliche Dome. In Georgien und Armenien darf man zum Alter unserer ältesten Kirchen aber oft noch ein paar Jahrhunderte draufschlagen. Die beiden Länder gelten nämlich als die ältesten christlichen Staaten der Welt. Mit der Erklärung des Christentums zur Staatsreligion im Jahr 337 war das georgische Kleinkönigreich Iberien (Ostgeorgien) dem Römischen Reich, von dem diese Fürstentümer schon abhängig waren, um ein paar Jahrzehnte zuvorgekommen. Die georgische Kirche entwickelte sich schnell zu einer autonomen orthodoxen Landeskirche mit einem Katholikos als Oberhaupt. Ihre Geschichte ist untrennbar mit jener Georgiens verbunden. Georgier zu sein bedeutete Christ zu sein in einer Welt von bald aufstrebenden islamischen Mächten. Großmächte wie jene der Araber, Perser und Osmanen umlagerten die armenisch-georgische christliche Insel, dazu die Mongolen. Der Kampf ums Überleben zieht sich wie ein blutroter Faden durch ihre Geschichte. Die georgische Kirche ist reich an Märtyrern aus mehr als 1700 Jahren Kirchengeschichte, ihrer wird heute noch in vielen Anbetungsstätten und an zahlreichen Feiertagen im Kirchenjahr gedacht. Auf die islamische Bedrohung folgte die grausame kommunistische Verfolgung. Das alles prägt die Menschen noch heute und ist eine Erklärung für ihre Anhänglichkeit zu ihrer Kirche, abgesehen von wahrer Volksfrömmigkeit, wie man sie in weiten Teilen Europas kaum noch findet.
Das Land ist mit einem unglaublichen Reichtum an sakralen Bauten gesegnet. Rein äußerlich kommen die Kirchen dem westlichen Besucher vielleicht alle recht ähnlich vor. Trotz einer langen kirchenbaulichen Entwicklung herrschte aber eine die Jahrhunderte überdauernde sakrale Formenstrenge vor, die eben den Eindruck der Gleichförmigkeit entstehen lässt. Auch im Inneren kommen georgisch-orthodoxe Kirchen aufgrund der herrschenden Asketik bezüglich Ornamentik und künstlerischer Gestaltung nicht an katholische Kirchen, insbesondere des Barockzeitalters, heran. Beeindruckend ist aber ihre Ikonenmalerei. Ikonen sind Heiligenbilder, die die Gläubigen zu Gott weisen sollen. Kirchenbesucher bekreuzigen sich vor ihnen, küssen sie mitunter sogar und verehren sie. Sie besitzen einen höheren spirituellen Wert als kirchliche Wandmalereien. Obwohl an eine Formensprache gebunden, weisen sie eine große künstlerische Vielfalt auf. Dieses Grundverständnis ist wohl nötig, um diese sakralen Prachtwerke entsprechend würdigen zu können.
Als goldene Zeiten ihrer Geschichte sehen die Georgier jene kurzen Intermezzos, in denen es ihren Königen gelang, staatliche und religiöse Selbständigkeit zu erhalten bzw. erkämpfen. Über König Wachtang Gorgasali und Davit den Erbauer wird der geschichtlich interessierte Besucher immer wieder stolpern. Auch die georgisch-orthodoxe Kirche kannte ein goldenes Zeitalter, das mit dem Einfall der Mongolen endete. Im selbständigen Georgien von heute ist die Kirche wiederauferstanden und erlebt eine neue Blüte.
Foto 11: Sveti Tskhoveli
Zurück nach Mtskheta. Nebst der Jvari-Kirche am Berg ist die „Stadtpfarrkirche“ – so würde man hierzulande sagen – ein Muss. Sveti Tskhoveli, auf Deutsch „lebensspendender Stamm“, was mit der Legende zusammenhängt, ist eine Wallfahrtskirche und eines der wichtigsten Gotteshäuser des Landes. Du darfst drinnen fotografieren, wenn wie gesagt keine Messe stattfindet.
Weiter geht die Fahrt auf der Heeresstraße. Eigentlich beginnt sie erst nach Mtskheta, es geht langsam aufwärts. Die nächste Sehenswürdigkeit ist die Festung Ananuri, malerisch an einem Stausee gelegen. Auch dazu kopiere ich keinen Reiseführer, aber ein Foto sollte Dich auf den Geschmack bringen.
Foto 12: Festung Ananuri
Über die Bergstraßen des Landes existieren beängstigende Fotos und Videos im Netz. Für die georgische Heeresstraße gelten sie definitiv nicht. Sie ist in gutem Zustand für Mensch und Tier. Da sich die lieben Wiederkäufer bei meiner Fahrt ausgerechnet auf einer Brücke niederlassen und keinerlei Anstalten machen, ihre Verdauungstätigkeit zu verlagern, muss mein Taxifahrer Slalom fahren. Je weiter man vordringt, desto höher werden die Berge und desto beeindruckender das Panorama. Die Straße schlängelt sich beim Wintersportort Gudauri hinauf zum Kreuzpass auf 2400 m. Dort nütze ich die Aussichtsplattform des pompösen, 1983 errichteten Denkmals der mittlerweile brüchig gewordenen georgisch-russischen Freundschaft.
Foto 13: Kühe auf der Brücke
Foto 14: Spektakuläre Aussichten am Kreuzpass
Foto 15: Denkmal der „georgisch-russischen Freundschaft“
Und schließlich liegt es vor Dir: Dein Etappenziel Kasbegi / Stepantsminda. Die Straße hat beim Kreuzpass seinen höchsten Punkt und somit den Kaukasus-Hauptkamm überschritten, der Weg zur russischen Grenze führt abwärts. Auf 1700 m liegt mit Kasbegi das Zentrum der Region und der Ausgangspunkt für viele Exkursionen. Hier bekommst Du alles: Restaurants, Bergführer, Bankomaten, ein paar Läden und vor allem eine stattliche Anzahl an guten Gästehäusern und sogar einigen teuren Hotels, wenn Dir danach gelüstet.
Mein Taxifahrer liefert mich ab und kehrt nach Tiflis zurück. Das geht sich am gleichen Tag noch aus. Ich bleibe zwei Nächte in Kasbegi, möchte aber sofort nach meiner Ankunft zum Wahrzeichen des Landes: zur Tsminda Sameba (Dreifaltigkeitskirche) am Fuße des zweithöchsten Berges des Landes. Dazu muss ich in ein Allrad-Taxi umsteigen, das auf dem mehr als abenteuerlichen Weg (von Straße kann man nicht sprechen) ohnehin zusammenbricht, worauf ich den Weg zu Fuß fortsetze. Die gesamte Wanderzeit zur Kirche läge bei vielleicht 1,5 – 2 Stunden, mir verbleiben nur noch 20 Minuten zu Fuß. Dafür werde ich mit einem Anblick Wolken zeigt sich der 5033 m hohe Kasbek.
Foto 16: Die Kirche Tsminda Sameba am Fuße des Kasbek
Foto 17: Der Kasbek, 5033 m hoch
Der Kasbek ist oft in Wolken gehüllt. Ihn besteigen zu wollen, dafür müsstest Du ein Profi-Kletterer sein, aber es wäre möglich, als normal Sterblicher zum Fuß seines Gletschers zu wandern. Mir fehlt die Zeit dazu leider. Am nächsten Morgen zeigt er sich unverhüllt. Schon nächstes Jahr wird die Rumpelpiste hinauf zur Kirche Geschichte sein, es wird eine bequeme Anfahrtsstraße gebaut. Den Abstieg kannst du ohnehin zu Fuß bewältigen.
Foto 18: Kasbek mit der Kirche im Morgenlicht
Ein neuer Tag, neue Pläne. An diesem noch verbleibenden Tag im Hochgebirge geht sich noch eine Exkursion nach Juta aus. Diese Mini-Gemeinde liegt in einem Seitental und ist in ca. 40 Minuten erreichbar. Ich warte am Bus- und Taxistandort im Zentrum und schließe mich des günstigeren Preises willen mit 2 anderen Leuten zur Fahrgemeinschaft zusammen. Auf in die „Dolomiten“! So wird mir diese Bergkette beschrieben, weil man mir eine Vorstellung dieser Wandertour geben will. Ich habe mich schon längst dafür entschieden und bereue es nicht.
Foto 19: Auf dem Weg nach Juta
Foto 20: Die „Dolomiten“ und ihre Bewohner
Foto 21: Tsdo
Das Dörfchen Tsdo, ein menschliches Adlernest, liegt Richtung russische Grenze. Im Winter ist es fast leer, weil man hier komplett von der Außenwelt abgeschieden ist. Die Leute verlagern ihren Lebensmittelpunkt an solchen Plätzen zunehmend in die Stadt und kommen nur im Sommer zurück.
Am nächsten Tag fahre ich mit einem geländefähigen Mitsubishi-Allradtaxi für 7 Insassen zurück nach Tiflis. Den ersten Teil meiner Reise habe ich mit unvergesslichen landschaftlichen und menschlichen Erlebnissen hinter mir.
Der 2. Teil folgt.
Reiseliteratur Georgien
40 Tage Georgien (DuMont Reiseabenteuer): Unterwegs von Tiflis bis ans Schwarze Meer*
„Italien des Ostens“, „Balkon Europas“. Seit ihrer Unabhängigkeit 1991 hat sich die Kaukasus-Republik Georgien viele Namen gemacht. Doch welches Land verbirgt sich hinter den Etiketten? Und welche verborgenen Reize hält es für den aufgeschlossenen Reisenden aus dem Westen bereit? Constanze John erkundet Georgien von seiner Hauptstadt Tiflis aus in alle Himmelsrichtungen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder auch mal zu Fuß. Sie reist zu Klöstern und Kathedralen, sucht das Gespräch mit alteingesessenen Einheimischen und einer Schulklasse in Tbilisi. Und auch die kleine Stadt Gori spart John auf ihrer Reise nicht aus, den Geburtsort Stalins. Eine Reise auf der Suche nach der Seele Georgiens.
Weitere Bücher / Reiseführer*
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Rundreise Georgien mit Djoser*
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