Heimat erleben: Radfahren auf dem Brenz-Radweg
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Infobox
Autor: | Wolfgang Brugger |
Reisezeit: | August 2022 |
Art der Reise: | Radtour |
Lesezeit: | 10 Minuten |
Genießertour von der Schwäbischen Alb zur Donau
Urmeere und Flüsse haben unsere Landschaft über für unsere Wahrnehmung gigantische, fast unfassbare Zeiträume: nämlich Jahrmillionen nachhaltig geprägt und geformt. Auf der schwäbischen Alb und im Donautal und natürlich auch hier, an den Ufern der Brenz, haben sie zahlreiche steinerne Zeugen des Wandels geschaffen, unter anderem schroffe Felsformationen und mysteriöse, tiefe Höhlen, die uns heute immer besser dokumentierte Geschichten aus vergangener Zeit unseres Heimatplaneten erzählen können.
Durch die Karstlandschaft der Schwäbischen Alb fließt meistenteils träge, da wenig Gefälle, die Brenz (ja, weiblich) vom „Brenztopf“ bis zur Mündung in die Donau bei Lauingen – und schlussendlich dann ins Schwarze Meer.
Nicht weit weg von der Brenzquelle entspringt der (!) Kocher, doch der wendet sich nicht nach Süden wie die Brenz, sondern nach Norden, wo er über den Neckar und den Rhein in den Atlantik fließt.
Die einen sagen so, die anderen so: Mehr oder weniger soll also die Brenz um die 55 Kilometer lang sein, und der BrenzRadweg, dem wir hier folgen wollen, rund 10 km länger.
Du kannst entweder bei der Quelle oder bei der Mündung mit Deiner Radtour anfangen, oder, wie wir, an einem verkehrsgünstigen Punkt:
Wir packen die Räder (ein Zweirad und ein Dreirad) ins und aufs Auto und fahren damit zur nächstpassenden Bahnstation nach
Sontheim/Brenz
Dort habe ich auf einer Erkundungstour schon ausbaldowert, ob ich mit meinem (Behinderten-) Dreirad überhaupt auf den Bahnsteig komme und wie das geht mit den dort verkehrenden Zügen.
Ganz ausgezeichnet finde ich es, dass mein Zügle auf Gleis 1 abfährt, so dass ich mit dem Dreirad direkt vom Parkplatz auf den Bahnsteig rollen kann. Manchmal fährt der Zug auch auf Gleis 2 ab, doch dann muss man über einen weiter entfernt liegenden Bahnübergang radeln und leicht den Hügel hinauf, von wo es dann auch barrierefrei direkt in den Zug geht.
Auf der Strecke Ulm-Aalen brauchst Du keine Fahrradkarte (danke, das ist schon eine gute Nachricht). Solltest Du Dein PersonenTicket nicht im Internet gelöst haben, sei gewarnt, dass der einzige Fahrkartenautomat auf Bahnsteig 2 aufgestellt ist und Du somit über eine Unterführung vom Bahnhof / Bahnsteig 1 gehen musst. Für Gehbehinderte vielleicht nicht so ganz einfach, besonders, wenn man recht spät dran ist.
Königsbronn
Dahin geht er, der gelbe Flitzer der SWEG (Südwestdeutsche Landesverkehrs-GmbH) und entlässt uns in die Ruhe einer kleinen Gemeinde in einem Tal der Schwäbischen Alb.
Bist Du mit der Geschichte unseres Landes vertraut? Die Statue von Johann Georg Elser mag Dich an den Geschichtsunterricht erinnern. Georg, geboren im nahen Hermaringen (wir kommen mit dem Rad noch durch) wächst hier in Königsbronn mit seinen (Stief-) Geschwistern auf und wird nach Umwegen über den Beruf als Eisendreher zum Schreiner.
Eine längere Geschichte kurz gefasst: Beinahe hätte es unseren ureigenen Diktator namens Adolf Hitler erwischt, doch das Attentat im Bürgerbräukeller war nur ein halbes. Adolf (und seine gleichermaßen ekelhafte Entourage) überlebte und Georg fand am 9. April 1945 im KZ Dachau ein frühes Ende. Wie man zu dem geplanten Anschlag auch stehen mag: Man hätte ihm die wenigen Minuten zum im wahrsten Sinne durchschlagenden Erfolg gegönnt, aber so ging unsere unheilvolle und höchst deprimierende deutsche Geschichte noch weiter und weiter und kostete unzählige Menschenleben.
Mitten durch das Areal des Klosters führt der Schienenstrang nach Aalen und von dort aus in die weite Welt. Aber sobald der Zug weg ist, umgibt Dich das Schweigen eines kleinen Ortes, wo Du durch zahlreiche Schilder und Tafeln über die Historie von Denkmälern und Gebäuden informiert wirst.
Langsam lassen wir uns Richtung Brenzquelle, hier „BrenzTopf“ genannt, treiben.
Kloster Königsbronn: fons regis – Quell des Königs
Der habsburgische König Albrecht I. stiftete im Jahr 1303 das Zisterzienserkloster. Politische Zerwürfnisse brachten die Stiftung immer wieder in finanzielle Schwierigkeiten. Zur Konsolidierung der Lage trugen die Schenkungen und Privilegien durch Kaiser Karl IV. bei.
Die Mönche erhielten 1361 das Mühlenregal (Recht zum Betrieb von Mühlen) und leiteten daraus das Recht zum Abbau von Eisenerz ab. Über die folgenden Jahrhunderte hinweg unterlag das Kloster dem Schutz (Patronat) verschiedener Herrschaften. In die Streitigkeiten dieser weltlichen Herren war das Kloster immer wieder verwickelt und musste damit auch erheblich darunter leiden. Mitte des 16. Jahrhunderts führte die Eisenverhüttung zur wirtschaftlichen Blüte.
Klosterkirche
Das einst prächtige Münster wurde 1552 während der Reformationskriege zerstört. Am alten Standort sind noch Mauerreste erhalten. Die heutige ,Klosterkirche stammt aus dem Jahr 1565. Sie wurde nach der Reformation als protestantische Kirche errichtet und zwischen 1700 und 1720 zur barocken Saalkirche umgestaltet. Aus dieser Zeit stammen auch die Empore, die stuckierte Fachdecke und der Dachstuhl. An der Nordseite lag der Friedhof.
Epitaphien-Zeugnisse einer vergangenen Grabkultur
Entlang der Klostermauer, in und an der Kirche findest Du zahlreiche Gedenktafeln aus Gusseisen. Eine weitere Gedenkstätte kann auf dem Itzelberger Friedhof besucht werden.
Es lohnt sich, die Inschriften zu überfliegen. Eine davon:
Hier ruhen die entseelten Gebeine einer zärtlich geliebten Gattin und unvergesslichen Freundin… welche mit seltenen Vorzügen des Geistes und Leibes auch vorzügliche Tugend in sich vereinigte.
Weiter rollen wir der Brenzquelle entgegen, die in nur wenigen Minuten erreicht ist.
Ursprung der Brenz: Brenztopf
Naturdenkmal und Industriedenkmal in einem, das ist die Anlage rund um den Brenztopf, mit zahlreichen Info-Tafeln.
Nachhaltige Energiegewinnung am Brenztopf: Die Wasserkraft des Quelltopfes wurde mit Hilfe einer Francisturbine der Firma Voith (wir werden in Heidenheim noch eine Zeit lang am Gelände der weltbekannten Firma vorbei fahren) nutzbar gemacht.
Der erzeugte Strom wurde mittels Kabel vom Turbinenhaus über den sogenannten „kleinen Eifelturm“, einem Eisengerüst auf dem Schmiedefelsen, dann über die Dächer des Dorfes zum „Langen Haus“ im Kloster und von dort weiter zur neuen Produktionsstätte mit Walzendreherei am Pfeffer geleitet. Die Stromleitungslänge betrug in etwa 500 m und lieferte eine Stromleistung von ungefähr 30 kW.
Die von der Fa. Voith Hydro sanierte Turbine ist heutzutage für eine Wassermenge von 1500 l/s ausgelegt, erreicht bei dieser Schüttung den maximalen Wirkungsgrad von 47 kW und kann so laufend betrieben werden.
Johann Georg Blezinger widmete eine der Schmucktafeln am Wasserkasten Carl Herzog zu Württemberg:
Der grosse Kenner und Beschüzer der Wissenschaften und Künste hat auch hier durch diesen Eisernen Wasserbau im Jahr 1772 ein immer wehrendes Denckmahl stiften lassen, an einem Werck, das Teuschland zum ersten mahl bewundert und auf die spaethe Nachwelt dauren wird. O! möchte doch unsers gnädigsten Herzog Carls Leben sich alsdann erst endigen, wann diese Quelle vertrocknet und dieser eiserne Wasserbau in Staub verwandelt seyn wird.
Wir verlassen Königsbronn auf dem Weg an den Itzelberger See. Wirklich nett und bei feuchterem Wetter ein willkommener Platz zur Rast: Die „Meisterbrücke“ – eine gedeckte Brücke.
Itzelberger See
Heidenheim an der Brenz
Leider muss man hier durch. Manche mögen ja größere Städte mit möglichst vielen Menschen. Ich nicht. Schließlich kenne ich HDH, so das Autokennzeichen der Kreisstadt, durch meinen Besuch der Berufsschule hier, und so verlasse ich die Stadt auf dem einigermaßen gut, aber nicht ausgezeichnet ausgeschilderten Radweg schnellstmöglich, wobei das dicke Ende, also wo wir die Stadt verlassen, durch ein längeres Industriegebiet (Voith, Hartmann usw) und nahtlos durch starke Bebauung nach Mergelstetten führt, wo ein riesiger Steinbruch zeigt, dass hier wohl schon seit langer Zeit Geld mit Kalk gemacht wird.
Endlich wieder Natur – so soll es für uns sein. Die Brenz ist etwas breiter geworden und nicht nur wir Radfahrer und Wanderer, sondern auch Bootfahrer freuen sich am Anfang von Herbrechtingen an der Wassertretanlage nach Kneippscher Manier und am etwas improvisierten Kajak- und Kanu-Einsetzplatz an der Brücke, wo es durch die malerische Landschaft geht:
Eselsburger Tal
Ohne Schafe keine Wacholderheiden: Rund ein Viertel des Naturschutzgebietes wird von Wacholderheiden eingenommen. Der Raum Giengen/Herbrechtingen war früher ein Zentrum der Schafzucht auf der Ostalb; die kargen Hänge des Eselsburger Tals werden schon seit Jahrhunderten als Schafweide genutzt.
Durch den Tritt und Biss der Tiere entwickelte sich eine besondere Pflanzengemeinschaft. Prägend sind Pflanzen, die nicht abgefressen werden, weil sie dornig oder stachelig sind (Wacholder, Silberdistel), bitter schmecken (Enzianarten) oder giftig sind (Zypressen-Wolfsmilch). Bereits im März blüht hier die Küchenschelle in großer Zahl. Im Lauf des Jahres kommen noch mehr schutzbedürftige Pflanzen wie Frühlingsenzian, Kleine Traubenhyazinthe, verschiedene Orchideen, Deutscher Enzian und Silberdistel zur Blüte.
Über Herbrechtingen, Giengen und Hermaringen (letzteres der Geburtsort des Menschen, der um ein Haar unseren Diktator in die Hölle geschickt hätte) erreichen wir in gemächlicher Fahrt die Einmündung der Hürbe.
Hürbe-Mündung – Wo der Fluss kurven darf
Flüssen durch Begradigung ihren natürlichen Lauf zu nehmen, war vielfach ein Irrweg der Vergangenheit. Mehr als acht Millionen Euro hat das Land Baden-Württemberg daher in die Renaturierung der Brenz investiert. An der Hürbemündung zwischen Hermaringen und Sontheim-Brenz, war eine der ersten Stellen, an denen Bagger neuen Lebensraum schufen.
Wenige Jahre nach Abschluss der Arbeiten zeigte sich bereits der Erfolg: Der neu mäandernde Fluss mit seinen Ruhebereichen, Flachwasserzonen, Steilufern und Kiesbänken ist Heimat vieler Tier- und Pflanzenarten geworden. Mit großer Begeisterung nahm auch der Mensch den erneuerten Flussabschnitt als Freizeitoase an.
Brenz an der Brenz
Burg und Schloss Brenz – ehemals Wohnsitz alter Adelsgeschlechter
Das heutige Schloss ließ 1672 die Herzogenwitwe Juliane von Oldenburg und Delmenhorst zusammen mit ihrem Sohn, dem Herzog Friedrich Ferdinand, Nebenlinie Württemberg-Weiltingen, im Renaissancestil erbauen.
Der West- und Nordbau weisen Bauelemente einer früheren Burg auf. Das Renaissanceschloss sich um einen zweiseitig bereicherten Innenhof. Die drei Flügel des Schlosses gruppieren sich um einen zweiseitig mit hölzernen Arkadengängen reizvoll bereicherten Innenhof. Die zweigeschossigen Holzgalerien bilden einen sogenannten Arkadenhof. Dem Schlosstor vorgelagert der Zwinger mit Wall und Eckbastionen, einst gesichert durch eine Zugbrücke.
Der Schlosskomplex selbst wird über schmucke Treppentürme erschlossen. Zahlreiche Details wie alte Türblätter, Beschläge, Bodenbeläge und Schnitzereien zeichnen das Schloss im Stil der Renaissance aus. Im Inneren sind Räume noch im Original gestaltet.
Galluskirche Brenz
Die Galluskirche in Brenz ist ein Kleinod aus spätromanischer Zeit. Die Kirche repräsentiert in beispielhafter Weise den Baustil einer spätromanischen Säulenbasilika. Seit ihrer Fertigstellung am Anfang des 13. Jahrhunderts hat sie die Zeit fast unverändert überdauert.
Die Staufer, ein wichtiges Geschlecht, regierten in dieser Epoche in Schwaben und schufen viele wichtige Baudenkmäler, wie die Burgen Hellenstein (Heidenheim) und Katzenstein (zwischen Neresheim und Dischingen, hoch über dem Egautal, einem weiteren Zufluss der Donau). Die Staufer (früher gelegentlich auch Hohenstaufen genannt) waren ein schwäbisches Adelsgeschlecht, das im 12. und 13. Jahrhundert mehrere schwäbische Herzöge und römisch-deutsche Könige und Kaiser hervorbrachte.
Der Name „Staufer“ leitet sich von der Burg Hohenstaufen auf dem am Nordrand der Schwäbischen Alb bei Göppingen gelegenen Berg Hohenstaufen ab. Die bedeutendsten Herrscher aus dem Adelsgeschlecht der Staufer waren Friedrich I. (Barbarossa) und Friedrich II.
Kirchenführungen und Besichtigung durch Reisegruppen sind nach Voranmeldung möglich.
Gleich danach sind wir wieder zurück am Bahnhof in Sontheim an der Brenz. Gut so, denn der Akku meines Dreirades ist knapp an am Ende seiner Leistungsfähigkeit angelangt. Wenn Du möchtest, fährst Du noch ein paar Kilometer weiter die Brenz entlang, bis zur Mündung, oder darüber hinaus. In Lauingen erwartet Dich eine malerische Altstadt mit einem wundervollen Blick vom „Schimmelturm“. Im gleich daneben liegenden „Auwaldsee“ kannst Du Dich erfrischen (Dusche, Umkleidekabinen, Imbiss mit Biergarten), wenige Flusskilometer stromab dann Dillingen, „die Perle des schwäbischen Barocks“ mit zahlreichen Baudenkmälern und sehenswerten Kirchen.
Und da sind wir nun, an der
Mündung der Brenz in die Donau
Stets begleitet haben uns die ganze Strecke von Königsbronn bis hierher, hinter Faimingen (Ortsteil von Lauingen) erklärende und informative Tafeln wie diese hier:
Interessante Infos und weiter führende Links
Streckenlänge von Quelle bis zur Mündung: rund 65 km, eher ein wenig mehr. Wir haben vom Bahnhof Königsbronn bis zum Bahnhof Sontheim/Brenz an die 50 km abgefahren, mit dem ein oder anderen „Schlenker“ wegen der ungenügenden bzw. mehrdeutigen Beschilderung. Merke: Nicht alles, was ein Schild und weiß ist und mit grüner Farbe und einem Fahrrad und Pfeil bemalt, gilt auch Deiner Route, die Du vorhast. Viele (Fahrrad-) Wege führen durchs Ländle. Wenn schon „Brenzradweg“, dann sollte, wie angekündigt, das blaue Symbol die Strecke durchgehend kennzeichnen.
Wenn erstens ein oder zweitens mehrere Schilder fehlen, fährt man leicht in die Irre. Und die (unten) downloadbare Route mag Dir vielleicht auf Deinem Smartphone helfen, aber mit der tatsächlichen Beschilderung ist sie nicht unbedingt deckungsgleich.
Brenztopf – in Königsbronn
Brenz-Radweg – Von der Quelle zur Donau – Heidenheimer Brenzregion
Brenztalradweg – bei fahrrad-tour.de/