Bregenzer Festspiele. Der Freischütz im Bodensee: auf den letzten Drücker
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Auf den letzten Drücker
Zwei Jahre steht eine Produktion der Bregenzer Festspiele in der Regel auf dem Programm, doch letztes Jahr haben wir es aus gesundheitlichen Gründen nicht geschafft. So reisen wir vom Donautal zur vor-vorletzten, restlos ausverkauften Aufführung der Oper von Carl Maria von Weber nach Bregenz, um wirklich keine Oper der letzten 11 Jahre zu verpassen.
Eine Version, die nicht ganz nah am Original ist, aber nicht ganz so weit weg wie das kürzlich besuchte Musical: Seele für Seele – Freischütz im Festspielhaus Neuschwanstein.
Sollte bis Sonntagabend keine Wetterabsage erfolgen, werden die Oper „Der Freischütz“ in 27 Vorstellungen 180.687 Menschen erlebt haben (inklusive Generalprobe und Young People’s Night; zwei Wetterabsagen). Das entspricht einer Auslastung von 97 Prozent.

In zwei Saisonen hat die Inszenierung von Der Freischütz 2024 /25 auf der Seebühne damit insgesamt rund 374.000 Menschen erreicht. Großen Zuspruch fanden auch die Seebühnenführungen und die Einführungsvorträge zum Spiel auf dem See, an denen insgesamt rund 37.300 Personen teilgenommen haben werden.
Regisseur Philipp Stölzl verantwortet(e) nicht nur die Regie, sondern auch Bühnenbild und Lichtdesign. Seine Inszenierung versetzt die Zuschauer in eine gruselig-poetische Welt direkt am Bodenseeufer, die durch eine kahle Winterlandschaft mit halb versunkenen Häusern, Baumgerippen und Pferdeskeletten geprägt ist. Diese Umgebung schafft eine einmalige Atmosphäre, die den romantischen Schauermärchen-Charakter der Oper aufgreift und intensiviert.

Der Freischütz 2025 – Moritz von Treuenfels (Samiel) und Oliver Zwarg (Kaspar), © Bregenzer Festspiele (Daniel Ammann)
Im Zentrum der Geschichte stehen der Amtsschreiber Max und die Erbförstertochter Agathe. Um Agathe heiraten zu dürfen, muss sich Max beim Probeschuss beweisen. Seine Unsicherheit macht ihn angreifbar für die argwöhnische Dorfgesellschaft und treibt ihn dazu, die Hilfe des zwielichtigen Jägers Kaspar anzunehmen. Kaspar bietet Max magische Freikugeln an, die mit dunklen Mächten verbunden sind.
In der düsteren Wolfsschlucht, die in der Inszenierung als apokalyptischer Ort voller Bedrohung erscheint, wird ein Ritual vollzogen, das am Ende fast Agathe das Leben kostet. Die Macht des Bösen wird jedoch gebrochen und Max und Agathe finden zueinander.

Der Freischütz – © Bregenzer Festspiele Anja Koehler – Irina Simmes (Agathe), Katharina Ruckgaber (Ännchen) und Moritz von Treuenfels (Samiel)
Die Bühne nimmt das Publikum eng mit ins Geschehen: Die musikalische Umsetzung wird von spektakulären Lichteffekten und einem albtraumhaften Bühnenbild begleitet, wodurch die emotionale Intensität noch verstärkt wird. Kostüme und Requisiten unterstreichen die kalte und angespannte Stimmung. Besonders hervorzuheben ist die Betonung der inneren Konflikte von Max sowie die Machtverhältnisse innerhalb der Dorfgesellschaft und die Rolle des Bösen, die Stölzl mit visueller Stärke inszeniert.
Der Freischütz in der „etwas anderen“ Inszenierung der Bregenzer Festspiele
Im Unterschied zu herkömmlichen Aufführungen, die das Geschehen in einer eher romantisch-deutschen Dorflandschaft mit klassischen Waldkulissen und traditionellen Kostümen ansiedeln, besticht die Bregenzer Produktion durch ihre surreale und bildgewaltige Interpretation. Die Wolfsschlucht wird nicht nur als Wald, sondern als apokalyptischer Raum erfahrbar. So verschiebt sich die Gewichtung: Die Bregenzer Variante legt den Fokus stärker auf Grusel, Schauder und Faszination.
Das Publikum erfährt die Oper dadurch nicht nur als romantisches Märchen, sondern als packend inszenierte Schauergeschichte, die durch innovative Bühnenkonzepte und stilistische Mittel ihre poetische und emotionale Tiefe entfaltet.

Der Freischütz – © Bregenzer Festspiele – Daniel Ammann
De gustibus (non) est disputandum
„De gustibus (non) est disputandum“ ist ein lateinisches Sprichwort, das „Über Geschmack lässt sich nicht streiten“ bedeutet. Es drückt die Idee aus, dass Geschmäcker subjektiv sind und es daher keinen Sinn hat, über sie zu diskutieren oder zu streiten.
Daher überlasse ich es den Musikpäpsten, über die Aufführung 2024/25 in Bregenz sich zu freuen, sich zu mokieren oder diese auch abzulehnen – oder gar zu feiern.
Aus unserer Perspektive ist der Klamauk- und Humor-orientierte „Freischütz“, und damit spreche ich wohl für die Zuschauer, die sich rund um meinen Sitzplatz bestens unterhalten fühlten, gelungen. Dazu gehört natürlich auch die Figur des ulkig-dämonischen Teufels, der sich schon mächtig als Erzähler und Presenter in den Vordergrund drängt, aber auch die spritzigen Einfälle der Text-Regie („Schätzelein“), die das in der landläufigen Opernversion dargestellte düstere Geschehen ins humorige verkehren und immer wieder zu Lachern Anlass geben.

Der Freischütz – © Bregenzer Festspiele – Anja Koehler
Humor und grandiose Einfälle
Nicht zu vergessen die grandiosen Einfälle der Bühnenbildner und der Ton-Regie, die uns immer wieder – wie auch bei den Aufführungen des letzten Jahrzehnts – ins (manchmal ungläubige) Staunen brachten.
Wie wir es bloß schaffen, immer zur heißesten Zeit an den Bodensee zu fahren, der an manchen Stellen (selbst gemessen) um die 31° Wassertemperatur zeigt? Wir sind mit allem zufrieden: mit der Aufführung, mit dem Wetter (ohne Gewitter und bis zum Ende der Vorstellung war keine Jacke nötig) und der gesamten Organisation.
Was nicht unbedingt sein müsste: Für den weit vom Einlass entfernten Parkplatz, wo sich abreisende Badende und anreisende Opern-Fans den Parkplatz im handshake-Verfahren überlassen, fast 8 Euro zu verlangen. Das kennen und lieben wir anders. Wenn schon überzogene Ticket-Preise, warum nicht einmal an ein Parkhaus denken, damit wirklich genügend Parkplätze ohne langwierigen Parkplatz-Such-Verkehr zur Verfügung stehen.
La Traviata
Vorverkauf für La traviata startet am 29. September. Als erste Seebühnen-Neuproduktion unter Lilli Paasikivi ist in den Sommern 2026 und 2027 erstmals La traviata zu sehen. Giuseppe Verdis berühmtes Werk eröffnet am 22. Juli 2026 die 80. Bregenzer Festspiele. Wir freuen uns darauf!
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Bregenzer Festspiele: der Seebühnen-Knigge
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Offenlegung: Danke für den „Freischütz“, zu dem wir ein Ticket bekamen!