Ägypten (1) – Turbulentes Kairo, eiskalter Sinai und spektakuläre Wüstenfahrt [Vintage]

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Ägypten (Teil1) 1983 - Bild copyright Olaf Remmers
  

 

Infobox
Autor:Olaf Remmers
Reisezeit:Anfang März 1983
Art der Reise:Rucksackreise
Lesezeit: 30 Minuten
  

 

Vorbemerkung: Der Text meines Tagebuchs unserer Ägypten-Reise von 1983 wurde fast unverändert übernommen. Lediglich die Rechtschreibung wurde angepasst und auf die Umrechnung in DM (Deutsche Mark, die Älteren werden sich erinnern) wurde weitestgehend verzichtet. Die damals gültige Landeswährung „ägyptisches Pfund“ (E£) wurde beibehalten.

Informationen aus dem Internet über Land und Leute, günstige Hotels oder empfehlenswerte Restaurants gab es damals natürlich noch nicht, geschweige denn Verbindungen zu Freunden oder Familie über What’s App, Polarsteps oder ähnliches, d.h. es handelte sich um eine rein analoge Reise. Mein handgeschriebenes Tagebuch war der einzige Kontakt nach Hause und meine Mutter hat es immer mit der Schreibmaschine abgeschrieben, um die Herausforderungen meiner Handschrift zu kompensieren. Nach Jahrzehnten in einem Leitzordner im Keller konnte ich das wiederentdeckte Tagebuch unlängst problemlos in WORD einscannen und als TXT-Datei dem ReiseFreak’s ReiseMagazin und ReiseBlog zur Verfügung stellen, inklusive über 40 Jahre alter Dias, die trotz teilweise zweifelhafter Qualität in digitalisierter Form Eingang fanden.

 

Auf geht’s nach Ägypten!

Sonntag, 27.2.  Von der schlechten und teuren Jugendherberge in München fahren Ralph und ich am Morgen per Bus und Tram zum Flughafen München-Riem und mit einstündiger Verspätung geht der Flug in der sehr engen Boeing 737 in Richtung Kairo los. Er dauert 3¾ Stunden und in KAIRO empfangen uns 14°C kaltes Wetter mit bedecktem Himmel – das hatten wir nicht erwartet! Mit wenig Aufwand und innerhalb einer halben Stunde bekommen wir die notwendigen Einreisestem­pel und unser Gepäck.

Nach kurzem Fragen finden wir den Bus Nr. 400, der uns für 10 Piaster in fast einstündiger Fahrt durch das schier unbeschreibliche Gewimmel aus Autos, Mopeds, Eselskarren, Bussen etc. zum Midan el-Tahrir bringt, was unser noch fehlender Freund Wolfgang uns empfohlen hatte, der erst am Abend mit einem späteren Flugzeug ankommen soll. Ebenso voll wie die Straßen mit den ständig hupenden, dicht an dicht und kreuz und quer fahrenden Autos ist auch der Bus, wo man ständig hin- und hergeschoben wird, wir aber bald das Busgespräch sind. Dieses insbesondere nachdem Ralph ein Päckchen Knäckebrot verteilt, das wir dabeihaben.

Am Platz „Midan el-Tahrir“ mitten in Kairo [Bild REM]

Dann kommen wir am Midan-el-Tahrir an, einem der vielen großen im Zentrum Kairos gelegenen Plätze. Die Menschen- und Automassen sind unbeschreiblich und desgleichen der Staub und Dreck, der uns erwartungsgemäß empfängt. Um die Fußgänger vor nicht auf Ampeln und Polizisten achten­den Autos wenigstens etwas zu schützen, ist um diesen – wie um viele andere Plätze auch – eine runde Fußgänger­brücke gebaut, von der aus in jede auf den Platz mündende Straße eine Treppe hinabgeht. So kommen wir auch in die uns beschriebene Talaat-Harb-Street und finden mit etwas Hilfe auch unser Hotel „Beausite“ im 5. Stock. Betten (5 Stück in unserem Zimmer) recht gut, Wasser läuft, Klo geht, also akzeptieren wir 2,50 E£ je Person und Nacht. Ein ägyptisches Pfund (E£) ist in 100 Piaster und 1000 Millièmes unterteilt.

Die Talaat-Harb-Street und unser Hotel „Beausite“ irgendwo im 5. Stock [Bild REM]

Nach etwas Waschen stürzen wir uns wieder ins Getümmel und fragen uns zunächst zum nicht weit entfernten Nil durch: Ein riesenbreiter Fluss, nicht sehr dreckig ausse­hend, am Ufer zunächst viele kleine, ärmliche Fischer­boote und dahinter riesige Hochhäuser wie beispielsweise das Nile-Hilton. Wir gehen hinüber zur El-Geziraa Insel, vorbei am Kairo-Turm (Fernseh-Turm mit drehendem Exklusiv-Restaurant) und dem Geziraa-Sportclub und kommen nach einem 1½-Stunden-Marsch wieder zurück zum Midan el-Tahrir. Hier fahren wir dann per Bus die ganze Strecke zurück zum Flughafen Heliopolis, um Wolfgang dort um 20 Uhr in Empfang nehmen zu können. Er hat jedoch fast zwei Stunden Verspätung (wie wir zuvor), und wir stehen uns die Beine in den Bauch, werden jedoch durch die Ankunftstafel entsprechend informiert. Als er dann endlich ankommt, geht’s zurück in die Stadt, wobei wir im Bus noch 3 Stuttgarterinnen kennenlernen und ihnen auch zu einem Hotelzimmer verhelfen.,

Fischerboote auf dem Nil in Kairo [Bild REM]

Montag, 28.2.  Morgens gibt’s in unserem „tollen“ Hotel sogar Frühstück: genügend Brot und Tee, hypersüße, unde­finierbare Marmelade und ca. 1,5 gr. Butter pro Person! So gestärkt, gehen wir zunächst zur Polizei, um uns dort registrieren zu lassen (großes Gebäude direkt am Midan el-Tahrir), um dann die sudanesische Botschaft zu suchen, da wir hier ein Visum für den Sudan zu erhalten hoffen. Bei bereits etwas mehr Sonne als am Vortag – aber trotzdem noch mit Pullover bekleidet – finden wir sie auch recht bald, müssen jedoch unverrichteter Dinge wieder abziehen, da uns ein Empfehlungsschreiben von der deutschen Botschaft fehlt. Dann beginnt unsere Odyssee auf der Suche nach dieser Botschaft, wozu wir ständig in die falsche Richtung ge­schickt werden, da niemand die neue Adresse, der gerade vor einem ¾ Jahr umgezogenen Deutschen Botschaft kennt. Nach vierstündiger (!) Suche fährt uns schließlich ein ägyptischer Geschäftsmann mit seinem amerikanischen Straßenkreuzer dort­hin. In der protzig-modernen, neureich wirkenden Botschaft – alle anderen Länder haben schöne alte Villen angemietet – wird uns das Schreiben für den nächsten Tag versprochen!

Unser sogenanntes Frühstück im „Beausite“ [Bild REM]

Kairo ist ein Abenteuer

Wir gehen weiter durch Kairo an vielen kleinen Geschäften, kleinen Cafés, große Wasserpfeifen rauchenden Männern vorbei, rennen vor Autos über die Straße, essen Falafeln (Teig mit frittiertem Bohnenpüree, Tomaten und Gurken), sehen ärmste Leute, die im Dreck vegetieren, reiche Leute mit großen Mercedes‘, hübsche Mädchen und dicke alte Muttis etc. etc., sprich: Wir lassen alles auf uns wirken. Später nach kurzer Siesta im Hotel geht’s mit bereits „halb-abgefaulten“ Füßen wieder weiter, wobei wir – à la Marokko – noch bei einem Parfüm-Händler zum Tee einge­laden werden und schließlich in einem untypischen, aber gemütlichen Restaurant zu Abend essen, wo wir uns mit den Stuttgarterinnen verabredet haben („Felfella“ zwischen Midan el-Tahrir und Midan-Talaat-Harb).

Vor jedem Café rauchen zahlreiche Männer stundenlang ihre Wasserpfeifen (gab es 1983 in Deutschland nirgendwo) [Bild REM]

Hier irgendwo am Straßenrand essen wir etwas – und alles bekommt uns gut! [Bild REM]

Dienstag, 1.3.  Am Morgen müssen wir wieder zum Mogama, wo wir uns am Tag zuvor schon registrieren ließen, um eine Erweiterung unseres Visums zu erreichen, das eine Wiedereinreise vom Sudan nach Ägypten erlauben soll; dieses klappt recht problemlos. Nach ewigem Gefrage finden wir dann heraus, welcher Bus zum Kairoer Bazar fährt, und kommen mit diesem total überfüllten Bus auch wirklich beim Bazar und der Al-Azhar-Moschee an. Letztere besuchen wir zuerst. Sie ist die drittälteste Moschee Kairos, genau 1000 Jahre alt und beherbergt noch heute die wichtigste islamische Universität mit 20.000 Studen­ten. Wir betreten zunächst den Innenhof, der bereits ziemlich überfüllt ist und kommen dann – nach dem Aus­ziehen der Schuhe – in die eigentliche Moschee, die aber leider gerade renoviert wird. Dennoch können wir alles betrachten, u.a. auch die auf den Teppichen um ihren Dozenten sitzenden Studenten, die diesem andächtig zuhören. Der Raum ist riesengroß – ca. 10.000 m² – ganz mit Teppichen ausgelegt, mit wertvollen Holzschnitzereien geschmückt und durch viele Lampen – ehemals mit Öl – beleuchtet. Hinterher begeben wir uns noch illegalerweise aufs Dach, um ein paar Fotos von oben zu machen.

Eingang zur berühmten al-Azhar Moschee in Kairo [Bild REM]

Da wir dann zur Deutschen Botschaft müssen, haben wir leider keine Zeit mehr, um zum Basar zugehen. Ewig suchen und fragen wir nach unserem Bus, womit wir aber kein Glück haben, so laufen wir dann mindestens 6 km quer durch Kairo bis zur Geziraa-Insel zur Botschaft, wo wir unser Empfehlungsschreiben gleich bekommen. Weiter wollen wir zur sudanesischen Botschaft, die natürlich in einem anderen Stadtviertel liegt und leider keine Sprechzeit hat, als wir dort ankommen. So müssen wir unverrichteter Dinge wieder abziehen und demzufolge noch einen weiteren Tag in Kairo bleiben.

Am Spätnachmittag – gerade wieder im Hotel – kriegen wir sehr netten Besuch von zwei Australierinnen, die auch bei uns übernachten. Mit ihnen gehen wir dann in eine „Koscherie“ zum Essen. Dieses ist ein hyperbilliges Lokal, es gibt für 11 Piaster Reis, Nudeln und Linsen gemischt, die Löffel und Teller etwas benutzt vom Vorgänger, aber sehr wohl­schmeckend. Es gibt nur dieses Gericht, so dass man nur zu sagen braucht, wie viele Teller man möchte. Dann gehen wir früh schlafen, um am nächsten Tag rechtzeitig auf der suda­nesischen Botschaft sein zu können.

Innenhof der al-Azhar Moschee [Bild REM]

Minarett der al-Azhar Moschee [Bild REM]

Bekommen wir noch unser Visum zur Weiterreise in den Sudan?

Mittwoch, 2.3. Die Aktion bei der Botschaft gestaltet sich natürlich erwartungsgemäß sehr schwierig, aber Ralph in seiner optimistischen Art meint, alles hinkriegen zu können. Wir treffen zwei andere Deutsche, die schon drei Wochen auf das Visum warten, stellen aber trotzdem unsere Anträge und werden dann zum Konsul vorgelassen, nachdem Ralph alle be­quatscht hat. Dieser sagt aber, er könne für uns nichts beschleunigen und wir müssten abwarten. Ralph verlangt dann aber, zum Botschafter vorgelassen zu werden, was natürlich nicht klappt. Dabei lernen wir eine Deutsche – Gaby – kennen, die auch ein Visum haben will. Ich schlage vor, den Antrag normal abzugeben und abzuwarten, um ihn dann nach einer Woche zurückzuziehen oder das Visum in Empfang zu nehmen. Ralph behauptet aber steif und fest, er würde den deutschen Konsul einschalten, und der würde uns sofort ein Visum besorgen. Da Gaby ihn auch noch unterstützt, fahren wir per Taxi wieder zur Deutschen Botschaft, die natürlich heute keinen Sprechtag hat. Ralph überredet aber als Polizist seinen BGS-Kollegen, der gerade Dienst hat, uns doch vorzulassen. Während Gaby und ich geschlagene zwei Stunden in einem Lokal warten, spricht Ralph mit dem Konsul, der verspricht, sich einzusetzen, allerdings erst am nächsten Tag, da er am Nachmittag nicht da sei. So gibt Ralph unsere Pässe ab, obwohl wir abgemacht haben, es nur zu versuchen, wenn es nicht noch einen Tag dauert, damit wir nicht einen weiteren Tag verlieren. So sind wir also unsere Pässe los – sprich: wir können nicht weiterfahren – und haben das Versprechen des Konsuls, er setze sich für uns ein, aber welchen Einfluss hat er schon auf die sudanesische Botschaft? So sind Wolfgang und ich entsprechend sauer über Ralphs Eigenmächtigkeit, zumal sie unserer Ansicht nach wenig Hoffnung auf Erfolg hat und uns noch wieder einen Tag kostet.

So beschließen wir dann – inzwischen wieder im Hotel – per Taxi. wieder zur Botschaft zu fahren, um unsere Pässe wieder abzuholen, auf die geplante Weiterreise in den Sudan zu verzichten und noch heute verabredungsgemäß nach Suez zu fahren. Ralph ist zwar zunächst sauer, sieht aber dann seinen etwas über­mäßig positiven Glauben in die Fähigkeiten der deutschen Bürokratie doch ein, so dass wir dann per Bus von Kairo in Richtung Suez fahren.

Abfahrt in Richtung Suez [Bild REM]

Moderne Pyramide zu Ehren des 1981 erschossenen Friedensnobelpreisträgers und ägyptischen Staatspräsidenten Anwar as-Sadat  [Bild REM]

Auf der Fahrt mit dem recht neuen, aber vollen Bus kommen wir auch an der Stelle in Kairo vorbei, wo der ägyptische Präsident Sadat 1981 (vor 2 Jahren) erschossen wurde, und wo jetzt sein Grab mit einer kleinen Pyramide steht. Die Fahrt geht durch die Wüste, und es ist nicht viel zu sehen. Bereits im Dunkeln kommen wir in SUEZ an und lassen uns nach ewiger Fragerei nach dem Bus zum Katharinenkloster von einem Jungen zu einem Hotel führen. Nach unseren Erkundigungen bei den wenig Englisch sprechenden Leuten – Lesen der Fahrpläne ist ja unmöglich, da alles auf Arabisch geschrieben ist – fährt der Bus angeblich um 6 Uhr morgens ab. Wir gehen ins nahegelegene Basarviertel, um etwas zu essen und werden von vielen Interessierten bestaunt und bedient. Wir decken uns noch mit Verpflegung ein, da wir nicht wissen, ob es beim einsam, mitten auf der Sinai-Halbinsel gelegenen, griechisch-ortho­doxen Kloster St. Katharina überhaupt etwas zu essen zu kaufen gibt. Dann gehen Wolfgang und ich frühzeitig schlafen während Ralph sich abends um 10 Uhr im Dunkeln noch partout den Hafen von Suez ansehen will.

Der Suezkanal und die Halbinsel Sinai

Donnerstag, 3.3.  Früh um 5 Uhr klingelt der Wecker und wir wollen möglichst schnell das Hotel verlassen, um auch im Bus mitgenommen zu werden. Erstes Hindernis ist der Nachtwächter, der gerade vor der verschlossenen Tür dabei ist zu beten, wie es nach muslimischer Art üblich ist, also gedulden wir uns fast 10 Minuten. Danach will er uns aber auch nicht so gehen lassen, so dass wir ihm ein kleines Bakschisch geben, was aber auch nicht zu reichen scheint, so dass wir dann rabiat die Tür öffnen müssen, um das Hotel verlassen zu können. Am Busbahnhof stellt sich dann heraus, dass der Bus doch nicht um 6 Uhr, sondern erst um 7:20 Uhr fährt, so können wir wenigstens frühstücken.

Wir kriegen sehr gute Plätze im Bus, und es geht in Richtung Suez-Kanal los, zu dem wir zunächst parallel Richtung Norden fahren, ohne ihn zu sehen. Sehen tun wir jedoch die Schornsteine und Aufbauten scheinbar durch die Wüste fahrender Schiffe. Dann geht’s rechts ab und durch einen langen Tunnel unter dem Kanal hindurch, so daß wir enttäuscht sind, ihn immer noch nicht sehen zu können. Eine halbe Stunde später verlassen wir aber plötzlich die einigermaßen asphaltierte Straße und fahren über eine Piste zu einem Camp, das tatsächlich direkt am SUEZ-KANAL liegt! Dann kommt ein großer Frachter nach dem anderen vorbei und fährt durch das sehr saubere Wasser des über 200 m breiten Kanals; das ist schon ein toller Eindruck mitten in dieser Einöde das blaue Wasser mit den riesigen Schiffen! Aus uns unerfindlichen Gründen bleiben wir dort über eine Stunde und fahren dann Richtung Süden, meist entlang des Gulf of Suez auf der Sinai-Halbinsel.

Ein riesiger Frachter im Suez-Kanal [Bild REM]

Zur rechten Seite liegt also der Golf, dahinter verschwommen die Berge, auf der anderen Seite zunächst nur Geröll und dann die Berge den SINAI, die bis zu 3000 m aufsteigen. So fahren wir zwei Stunden, sehen Bohrinseln im Golf und Ölpumpstationen an Land, sowie große Öltanks à la Wilhelms­haven, die allerdings teilweise kaputt sind – offensichtlich von den Israelis zerbombt. Dann kommen wir zu dem Abzweig, von dem aus es ins Innere des Sinai – also zum Katharinen-Kloster – geht. Hier steigen wir aus dem Bus, um in einen anderen umzusteigen. Mit uns steigen noch fünf weitere Mitfahrende aus, so dass schließlich acht Leute an der Ecke stehen. Es ist sehr heiß und die Sonne sticht ziemlich. Glücklicher­weise ist vor einer Bude, bei der es Tee und Cola gibt, wenigstens ein Strohdach, das Schatten spendet. Hier warten wir mit den vielen anderen – die meisten Deutsche – drei Stunden auf den Bus, in der Hoffnung, dass dieser nicht zu voll ist, um uns mitzunehmen, denn andernfalls ständen wir dort und könnten nirgends übernachten, da es hier – abgesehen von der Bude – rein gar nichts gibt. Dann kommt endlich der Bus, und es ist wirklich Platz genug. Wir haben noch zwei Stunden Fahrt entlang des Wadi Feirân vor uns, die durch eine grandiose Berglandschaft führt. Die vegetationslosen Berge schimmern in allen Farben von gelb und rot bis braun und schwarz, je nach Sonneneinstrahlung und Mineralgehalt. Oft werden sie auch durch diagonale Adern andersfarbigen Gesteins durchzogen, was dem Ganzen noch einen besonderen Reiz gibt. Wir kommen auch durch eine eng mit Palmen bepflanzte Oase und sehen überall mehr oder weniger gut getarnte Schützen­gräben aus dem Sinai-Krieg, die noch voll funktionsfähig zu sein scheinen.

Dieses Dromedar bietet etwas Abwechselung während unserer drei Stunden Wartezeit auf den Bus in Richtung Katharinenkloster [Bild REM]

Dann erreichen wir ein kleines Dorf in der Nähe des KATHARINENKLOSTERS, das auch die Endstation des Busses ist. Das einzige „Hotel“ ist eine Hütte mit Palmdach, Sandfußboden und Schaumgummimatten, wo man für 1 E£ übernachten kann. Außerdem gibt es draußen ein Waschbecken mit fließend Wasser. Nachdem alle einen Platz haben – immer zu dritt zwei Matratzen – gehen wir in das einzige Lokal des Ortes und essen zu günstigen Preisen: Bohnensuppe, Reis, Kartoffeln, Omelette zu je 25 Piaster und Tee zu 10 Piaster (Einheimische jeweils die Hälfte). Hier treffen wir auch den jungen Ägypter wieder, der schon mit uns zusammen an dem Abzweig gewartet und gesprochen hatte und der hier jemanden besucht. So werden wir sogleich gut in die Dorfgemeinschaft eingeführt, müssen viel von Deutschland erzählen und stellen fest, dass die Leute doch recht viel über Deutschland wissen. Dazu trinken wir einen süßen Tee nach dem anderen.

In einer dieser behelfsmäßigen Behausungen übernachten wir nahe beim Katharinenkloster [Bild REM]

Für den nächsten Morgen verabreden wir uns dann, auf den Berg Moses (vgl. Bibel) zu klettern. Die Temperaturen sind ziemlich niedrig, ca. 5°C, wir sind schließlich 1600 müM. So ziehen wir uns möglichst viel zum Schlafen an und begeben uns in unsere Schlafsäcke.

Vom Katharinenkloster auf den Berg Moses

Freitag, 4.3. Die ersten Leute – u.a. auch Ralph – haben sich bereits morgens um 3 Uhr an den Aufstieg gemacht, um den Sonnenaufgang von oben zu genießen, während wir noch ein paar Stunden in unseren Lagern weiter gefroren und etwas geschlafen haben. Frühstück essen wir in dem Lokal, wo wir uns auch mit unserem ägyptischen Freund verabredet haben. Mit ihm zusammen sowie einem Finnen und einem Österreicher gehen wir zunächst 3 km in der Ebene bis zum Kloster. Dieses ist heute – Freitag – leider geschlossen, da es ja der islamische Feiertag ist und sich in den Klostermauern auch eine Moschee befindet. Aber das wussten wir bereits vorher. Das Kloster ist um das Jahr 500 u.Z. unter Kaiser Justinian erbaut worden und durch einen Schutzbrief Mohammeds seinerzeit vor der Zerstörung bewahrt worden, ist unzerstört geblieben und bis heute ein griech.-orthodoxes Kloster. Wir kommen dann also zum Kloster und sehen schon von weitem die hohen Zypressen der Oase und die trutzigen Mauern.

Der Autor (rechts) vor dem im Hintergrund liegenden Katharinenkloster [Bild REM]

Wir umrunden das Kloster und kommen dann zu dem Serpentinenpfad, der auf den 2285 m hohen Berg Moses führt, an dem Mose von Gott die Zehn Gebote empfangen haben soll. Etwas später ist dann die Verehrung eines Dornbusches am Fuß dieses Berges bezeugt, der mit dem Brennenden Dornbusch, in dem Gott sich Mose offenbarte, identifiziert wurde. Das Dornbusch-Heiligtum befindet sich auf dem Klostergelände.

Es ist immer noch recht kalt, aber die Sonne kommt glücklicherweise ab und zu durch. Wir gelangen immer weiter hinauf, haben einen herrlichen Blick auf das Kloster, die umgebende Hochebene und die anderen umliegenden Berge. Die letzten 300 Höhenmeter überrunden wir mittels in den Fels geschlagener und aufgeschichteter Steine und kommen dann bei eisiger Kälte (überall ist Eis auf den Felsen) und einem fürchter­lichen Sturm zu der auf dem Gipfel gelegenen, geschlossenen Kapelle und der geöffneten Moschee, wo wir viele andere wiedertreffen und uns ausruhen. Nachdem wir die Aussicht auf die immer wieder hinter Wolken verschwindenden aber dennoch beeindruckenden Berge und Täler genossen haben, machen wir uns an den Abstieg und kommen am Ende der Stufen zu einer ehemaligen Einsiedelei, die an einem kleinen Teich liegt.

Über diese aufgeschichteten Steine gelangen wir in eisiger Kälte zum Berg Moses [Bild REM]

Blick auf die ehemaligen Einsiedelei [Bild REM]

Durch einen Zufall finden wir – rechts vor einer Sperrmauer – die Stufen, die weiter ganz bis nach unten zum Kloster führen und die alle anderen vergebens suchten. Wir kommen bei dem steilen Abstieg durch zwei Tore, an dem die Pilger früher gewisse Gebete und Pflichten durchzuführen hatten, sowie zur Marien-Kapelle. Außerdem hat man einen eindrucksvollen Ausblick auf die Berge und Felsen, die durch Erosion und andere Wettereinflüsse die bizarrsten Formen haben, so dass wir ganz begeistert sind. Schließlich haben wir noch einen tollen Ausblick auf das Kloster und kommen dann bald wieder unten an.

Welcher deutsche Professor ist den Ägyptern geläufig?

Zurück im Dorf, essen wir zunächst einmal etwas in dem Lokal, um dann Tagebuch zu schreiben, denn an ‚Rausgehen ist gar nicht zu denken, da es bei der Kälte inzwischen sogar ange­fangen hat, leicht zu schneien! Aber nach kurzer Zeit sitzen bereits einige Ägypter an meinem Tisch, um mich zu unterhalten und zeigen sich recht interessiert an Deutschland, von dem sie – wie die meisten anderen auch – total begeistert sind; wegen Industrie, Maschinen, Geld, Fußball etc. Dann fragen sie mich ewig nach einem berühmten deutschen Professor für „public information„, und ob ich den kenne, aber mir fällt keiner ein. Schließlich schreiben sie den Namen: jetah, aber ich komme wirklich nicht darauf, was mir sehr leidtut. Schließlich sagen sie, er sei „so ähnlich wie Shakespeare„, jetzt weiß ich’s: Goethe!! Den Abend verbringen wir wieder in der Kneipe und haben viel Spaß mit den Einheimischen bis wir schließlich in einem Schneesturm nach Hause gehen, uns dabei waschen und schließlich frierend einzuschlafen versuchen. Vorher jedoch kommen noch zwei UNO-Offiziere – einer aus Schweden, einer aus Kanada – die auf einem nahgelegenen Flughafen stationiert sind (als einzige) und bei einer Kontrollfahrt zufällig bei uns vorbei­kommen. Sie laden uns zu einer warmen Dusche und Whisky ein, was wir frierend und dicht an dicht in unseren Schlafsäcken liegend, jedoch dankend ablehnen, angesichts dessen, dass wir bereits um fünf Uhr wieder aufstehen müssen.

Das Hochtal mit dem Katharinenkloster [Bild REM]

Sonnabend, 5.3. Auf einem vor dem „Haus“ stehenden Auto liegt Schnee, und es ist eiskalt als wir aufstehen, nachdem ich wegen Kälte mindestens jede Stunde aufgewacht bin, so fällt uns der Abschied doch nicht schwer, obwohl wir gerne noch länger bleiben würden, da einerseits die Landschaft so beeindruckend und andererseits die Leute so nett sind. So startet unser Bus pünktlich um 6 Uhr, und der von uns als „Mundschenk“ bezeichnete Junge liefert während der Fahrt frischen, heißen Tee. Eine Busbesatzung besteht nämlich immer aus drei Personen: Fahrer, Schaffner und „Mundschenk“. Der Himmel ist sehr bedeckt, die Bergspitzen sind nicht zu sehen, so dass wir uns dann entscheiden, doch nicht auf Sinai Richtung Süden weiterzufahren, sondern nach Kairo zurück und dann das Niltal entlang in der Hoffnung, dort besseres Wetter zu haben. Nach gut zwei Stunden Fahrt sind wir wieder an dem Abzweig, doch 10 min. vorher kommt die Sonne durch und spontan entschließen wir uns, doch Richtung Süden nach SHARM EL-SHEIK zu fahren. Wir steigen aus und müssen dann gut 4 Stunden auf den Bus aus Kairo warten, der uns nach Sharm el-Sheikh bringen soll. Es sind wieder recht viele Leute da, so dass einige Erfahrungen ausgetauscht werden können, denn ohne diese käme man hier nie zu brauchbaren Informationen. [Und Internet gab’s bekanntlich 1983 noch nicht!] Nach einiger Zeit fängt es sogar an zu regnen – in der Wüste Sinai! Das zwei Tage zuvor als Sonnenschutz dienende Dach, dient nunmehr als Regenschutz.

Weitere vier Stunden Wartezeit an dem uns gut bekannten Abzweig auf den Bus von Kairo nach Sharm el-Sheikh [Bild REM]

Glücklicherweise sind die zahlreichen Schützengräben außer Funktion – hoffentlich bleibt das noch lange so! [Bild REM]

Dann kommt tatsächlich der Bus, in dem wir glücklicherweise alle Platz finden und der entlang des dunkelblauen Golfes von Suez weiterfährt. Wir kommen durch die Oase Tour, fahren wieder entlang zahlreicher Schützengräben und vieler improvisierter Militärcamps, die aus Zelten und Wellblechhütten bestehen und alle scharf bewacht sind. Die Landschaft besteht wieder aus Geröllwüste und dahinter steil aufsteigenden Bergen, die in roten und gelben Farben glänzen, aber gänzlich vegetationslos sind. Immer wieder ist die Straße mit Tonnen abgesperrt, um die Autos kontrollieren zu können, aber die Militärposten. winken uns durch. Teilweise ist die Straße ganz gesprengt, dann geht es daneben auf festgefahrener Piste weiter. Schließlich kommen wir durch die ehemalige ägyptisch-israelische Grenze, die einige Jahre von Nord nach Süd quer durch Sinai ging, aber jetzt gegenstandslos ist und sind dann im ehemals israelischen Teil und auch gleich in Sharm el-Sheikh, an der Südspitze der Halbinsel Sinai. Die Jugendherberge liegt gegenüber der Bushaltestelle. Sie ist ein recht modernes Gebäude (von den Israelis gebaut), aber mittlerweile ganz vergammelt. Ralph und ich kriegen jedenfalls ein Bett für 2 E£ (ziemlich teuer, Hotel in Kairo 2,50 E£), jedoch Wolfgang nicht, da er keinen JH-Ausweis hat. Er muss am Strand schlafen, was insofern schlecht ist, als es ziemlich stürmt und der Sturm in der Nacht noch stark zunehmen wird.

Sharm el-Sheikh war bis vor Kurzem noch israelisch!

Endlich können wir wieder duschen und ich wasche Wäsche, die bei Sturm und Sonne innerhalb ½ Stunde trocknet. Der gesamte Ort Sharm el-Sheikh besteht nur aus modernen Häusern, die hier alle während der israelischen Besetzung gebaut worden sind. 1967–1982 war die Siedlung nach dem Sechstagekrieg nämlich von Israel besetzt und ist seit Kurzem wieder in ägyptischer Hand; leider ist aber schon jetzt alles ziemlich heruntergekommen und verdreckt, da nichts mehr repariert und saubergemacht wird. Kaputte Fensterscheiben werden beispielsweise mit Lumpen zugestopft oder durch Bretter ersetzt. Die größte Zahl der Häuser steht sogar leer und verkommt natür­lich auch. Viel genutzt werden hingegen die ehemaligen Militärbaracken. Zu erklären ist dieses folgendermaßen: Entsprechend der Bedingungen im Camp-David-Abkommen vom 17. September 1978 zur Friedenssicherung im Nahen Osten hat der ägyptische Staat dem israelischen Staat alle Gebäude bezahlt, die während der israelischen Besatzungszeit im Sinai ent­standen sind. Ägypten will diese nun an seine Bürger weiterverkaufen, für die die (israelischen) Preise aber unerschwinglich sind, so steht alles leer und vergammelt! Schade drum.

Im Zentrum von Sharm el-Sheikh [Bild REM]

Wir gehen jedenfalls abends mit 10 Mann hoch – alles JH-Gäste – gut und preiswert essen – sicherlich viel billiger als zur israelischen Zeit – und dann Tee trinken. Nach deutschem Vorbild schließt die Jugendherberge um 22 Uhr, so dass wir dann wieder zurücksein müssen (und auch sind).

Sonntag, 6.3.  Bereits ab 5 Uhr morgens ist Krach in der Jugendherberge, da um 6 Uhr der erste Bus zum nahen Eilat (Israel) abfährt, so dass wir auch früh aufstehen. Übrigens ist dieses überhaupt ein gesunder Urlaub: Wir gehen selten nach 22 Uhr ins Bett, stehen selten nach 6 Uhr auf und es gibt keinerlei Alkohol. Zum Frühstück holen wir uns das obligatorische Fladenbrot – wenn man sich nicht bescheißen lässt – 1 Piaster = 2,3 Pfg. pro Stück, wobei man allerdings immer eine durch fünf teilbare Anzahl nehmen muss, da es kaum 1 Piaster-Stücke gibt – und es gibt heißes Wasser in der modern eingerichteten  aber total verdreckten Küche (made in Israel). Dann wollen wir einkaufen in einem der beiden Supermärkte, es ist zwar Sonntag, aber hier ist ja freitags Feiertag; jedoch weiß keiner, wann der Supermarkt öffnet, wie sich noch herausstellen wird, lohnt es sich sowieso nicht.

Ich gehe dann zur Post – die jetzt beim dritten Versuch endlich geöffnet ist – und kaufe schöne Briefmarken. Dann trampe ich, den anderen hinterher, zur 6 km entfernten Na’ama Bay und werde sofort vom ersten Auto mitgenommen. Es ist glücklicherweise nicht mehr so windig wie am Tage zuvor und in der Sonne sogar heiß. So sonnen wir uns mit einigen Leuten, die wir aus der Jugendherberge kennen und leihen uns dann beim Tauchclub Schnorchel, Maske und Flossen, um zu schnorcheln. Mittels eines Ägypters finden wir eine gute Stelle, wo man oberhalb eines Korallenriffs sehr gut schnorcheln kann, um dabei tausende bunte, große und kleinere Fische zu be­obachten – es ist wirklich ganz toll. Zunächst muß man sich daran gewöhnen, nur mit dem Mund zu atmen, aber dann geht es sehr gut und lohnt sich auf alle Fälle. Es gibt hier zwar auch Haie, aber die kommen angeblich nicht so nahe an die Korallenriffe heran, und das stimmt ja anscheinend auch.

In der Na’ama Bay haben wir erstmals die Gelegenheit zum Schnorcheln [Bild REM]

Später kochen wir am Strand Erbsen­suppe, da man kaum etwas Anderes kaufen kann. Es sind zwar diverse Häuser vorhanden, die ursprünglich als Restaurants gebaut wurden, sie sind jedoch größtenteils unbenutzt und total ver­fallen. Wir sind uns nur nicht einig darüber, ob diese ehemaligen israelischen Orte nicht genutzt werden, weil die Touristen aus diesem militärisch brisanten Gebiet ferngehalten werden sollen, oder ob es nur Unfähigkeit, verbunden mit ägyptischem Phlegma ist.

Blick auf das dunkelblaue „Rote Meer“ [Bild REM]

Als es zu kalt wird, trampen wir zurück in die „Stadt“ und finden dann dort den Supermarkt sogar offen vor. Dieses setzt dann allem den Gipfel auf: Es handelt sich um einen vollständig eingerichteten Supermarkt, dessen ganzes Angebot aus folgendem besteht: Karottenmarmelade, Corned-Beef, Dosenfisch, Zucker, Nudeln und Reis, dieses überall kreuz und quer verteilt, dazwischen zertretener Reis und Zucker sowie volle und leere Kartons, über die man klettern muss: einfach chaotisch! So kriegen wir aber wenigstens Fleisch und Fisch für den nächsten Tag. Ich möchte nur wissen, wovon die Menschen hier leben, denn hungern tut hier anscheinend keiner.

Per Luxusbus zurück nach Kairo

Montag, 7.3. Mit dem 7-Uhr-Bus geht es zurück nach Kairo. Es handelt sich um einen Super-Luxus-Bus mit Schlafsesseln, Klimaanlage und Stereoanlage, so dass wir die achtstündige Fahrt bis an den Stadtrand von Kairo gut überstehen. Ich sitze ganz vorne und kann so sehr gut die tollen Autofahrkünste der Ägypter beobachten. Der Bus hat eine zusätzliche druckluftbetriebene Hupe, die der Fahrer ca. 200 m bevor er ein Auto überholen will bis nach Beendigung des Überholvorgangs permanent ertönen lässt: Ein Höllenspektakel! Dieses macht er gar nicht selten, da die Busse die schnellsten Fahrzeuge sind und deshalb ständig überholen. Das Hupen ist notwendig, da die anderen Autos völlig unmotiviert und ohne zu blinken plötzlich nach links fahren; so haben wir kurz vor Kairo auch fast einen Unfall, den der Fahrer nur durch eine Vollbremsung vermeiden kann.

Dieser schöne Bus bringt uns zurück von Sharm el-Sheikh bis an den Stadtrand von Kairo [Bild REM]

Am Stadtrand von Kairo werden wir aus dem Bus herausgeschmissen und wissen gar nicht, wo wir uns befinden. Schließlich fährt uns – d.h. zusätzlich noch zwei Österreicher aus dem Bus – ein Mann, den wir nach dem Weg gefragt haben, mindestens 20 Minuten lang bis zu einem Bahnhof, von wo wir per Zug ins uns bekannte Zentrum weiterfahren. Als wir uns bedanken, sagt er nur, er wolle sich dafür revanchieren, dass ihn einmal ein Mädchen quer durch Hannover gelotst hatte, als er nichts finden konnte und kein Englisch sprach. Die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Menschen hier ist doch immer wieder beeindruckend! Jeder – hat er auch noch so geringe Englischkenntnisse – versucht zu helfen, man braucht nur auf der Straße stehen zu bleiben, schon fragt einer: „Can I help you?“ In Deutschland mögen die Meisten ja noch nicht einmal nach 9 Jahren Englisch in der Schule den Leuten sagen, wie es um die nächste Ecke geht.

Wir kommen also zu diesem Bahnhof und müssen durch ein Loch in der Wand klettern und dann über die Schienen auf den Bahnsteig. An dem Loch gibt es gerade einen Stau, weil ein verletzter Soldat hindurchgetragen wird und hinterher noch ein Gefangener in Handschellen. Auf dem Bahnhof kommen verschiedene Vorortzüge an, die ebenso wie die Busse – die wir aus diesem Grunde nicht mit unserem Gepäck benutzen können und wollen – so furchtbar überfüllt sind, dass die Leute aus den Fenstern hängen, auf Trittbrettern stehen und sogar außen auf der Lok sitzen. Wir kommen aber zum Glück in einen Waggon hinein, wo uns gleich jemand sein Schulbuch „Deutsch 2000“ zeigt, mit dem er angefangen hat, Deutsch zu lernen. Am Hauptbahnhof angekommen, trennen Wolfgang und ich uns von Ralph und den Österreichern, da Ralph sein Flugticket umtauschen will, um noch 3 Wochen nach Israel zu fahren, während wir die Fahrkarten für die Strecke Kairo – Assyut kaufen wollen. In Ägypten sind nämlich für Züge Platzreservierungen vorgeschrieben und die Karten müssen mindestens einen Tag vorher gekauft werden, sofern dann noch Platz ist. Es gibt 1. Klasse, 2. Klasse mit oder ohne air-condition und 3. Klasse. Letztere ist angeblich indiskutabel, so dass wir Karten für 2. Klasse ohne air-condition haben wollen, da dann die Fenster zu öffnen sind. Zunächst gibt es angeb­lich gar keine Karten mehr (beim vierten Schalter, bei dem wir fragen) und schließlich nur welche 2. Klasse mit air-condition, die wir nehmen. Wir zahlen für die rund 400 km 2,85 E£, was angeblich bereits die Studentenermäßigung beinhaltet.

Auch die Lok bietet Sitzplätze (aber nicht für uns)! [Bild REM]

Von diesem Bahnhof aus suchen – und finden – wir unseren Weg zurück ins Zentrum von Kairo [Bild REM]

Vom Bahnhof aus geht’s per pedes quer durch Kairo, wo wir uns jetzt schon einigermaßen auskennen, bis zu unserem Hotel in der Talaat-Harb-Street. Hier treffen wir auch Ralph und die Österreicher wieder, die aber immer noch mit ihren Tickets ‚rumtricksen und es letztlich aufgeben werden von hier nach Israel zu kommen. Nach Einkauf von Verpflegung für die Fahrt des nächsten Tages können wir früh schlafen gehen. Übrigens haben wir auf dem Bahnhof auch eine englisch-sprachige, ägyptische Tageszeitung gefunden, aus der hervorgeht, dass bei den gestrigen Bundestagswahlen die CDU wohl 49% erreicht hat und es noch fraglich ist, ob sie wieder mit der FDP koaliert, mal weitersehen! [Das wird dann später der Beginn von Helmut Kohls 16jähriger Regierungszeit werden!]

Mit dem Zug durch das Niltal nach Assyut

Dienstag, 8.3.  Um 7 Uhr geht unser Zug bereits ab, und wir sind sicherheitshalber schon eine halbe Stunde früher da. Am Bahnhof ist wieder super viel los, und wir beschließen, später noch einmal extra hierher zu kommen, um hier ein paar Fotos zu machen. Die Reisenden sitzen und liegen – bekleidet mit langen Dschellabas und abenteuerlichen Kopfumwicklungen – überall herum. Dazwischen diverse Verkäufer mit Sandwichs, Cola, Eiern, Zigaretten etc. etc., die alles auf der Schulter bzw. dem Kopf tragen. Weiterhin sehr viele Soldaten in Uniform und natürlich die sich selbst, sehr wichtig findenden Bahnbediensteten, die alles in ihrer Macht Stehende tun, um das Durcheinander noch zu verschlimmern. Wir finden dann unseren Waggon gar nicht so einfach, da alles nur arabisch beschriftet ist, und man weist uns unsere reservierten Plätze an. Der Zug ist wirklich eine Überraschung: Großraum-Luxuswaggons à la Inter-City, pikobello sauber, frische Luft, funktionsfähige Jalousien, heile Sitze, der Fußboden ist zum Schutz noch mit Sackleinen ausgelegt; alle Plätze sind nur einmal besetzt – mit anderen Worten: völlig unägyptisch. Trotzdem sind die Leute nett und gewohnt kontaktfreudig, so dass sich bald einige Gespräche ergeben.

Es gibt Verpflegung im Zug und bei fliegenden Händlern davor [Bild REM]

Wir kommen zunächst durch die staubigen Vororte Kairos und dann fahren wir durch die grüne, blühende Oase des Niltals. Überall stehen Palmen, unterhalb sind verschiedenste Früchte angepflanzt und z.T. schon geerntet, dazwischen laufen überall Ziegen herum und eine Art Büffel ist angebunden, dazwischen arbeiten die Menschen, meist knieend oder hockend, um zu säen oder zu ernten. Wir fahren die ganze Zeit an einem breiten Bewässerungskanal entlang, an dem zahlreiche Wasser­schöpfräder angebracht sind, um die Bewässerung sicherzustellen. Immer wieder kommen wir durch kleinere und größere Ortschaften und sehen Menschen, die im Kanal ihre Wäsche oder sich selbst waschen. Schade, dass man nicht einmal kurz aussteigen, alles in Ruhe anschauen und dann wieder weiterfahren kann.

Eine Mutter und ihre Kinder auf dem Bahnsteig [Bild REM]

Im Zug wird zunächst Frühstück, dann Mittagessen und ständig Tee serviert, wofür die Preise auch recht günstig sind. So kommen wir nach fünf Stunden Fahrt in ASSYUT an, und es tut uns fast leid, schon aussteigen zu müssen. Kaum sind wir aus dem Zug heraus, schon geht der Trubel wieder los, und wir sind „voll drin“. Vor dem Bahnhof Autos, Kaleschen, Eselskarren, Fahrradfahrer, Verkäufer, Garküchen etc. etc. und natürlich alles total überfüllt mit Menschen; wirklich ein extremer Gegensatz zum Zug! Von Assyut aus wollen wir per Bus zur 200 km weit entfernten, in der Wüste gelegenen Oase El Charga fahren. Nur müssen wir herausbekommen, wie! Zig Leute sprechen uns an wegen Taxi und Mini-Taxi und Collecting-Taxi und Kalesche und Bus usw. Andere wollen uns zum Hotel bringen oder zu einem Restaurant, also: Chaos pur!

Alternative Verkehrsmittel vor dem Bahnhof in Assyut [Bild REM]

In Assyut [Bild REM]

U.a. spricht uns einer mit Pfeife an, der uns noch öfter auffallen wird. Er will uns überreden, nicht nur bis zur Oase El-Charga, sondern weiter bis zur Oase Dakhla zu fahren, wofür er uns die schwer erhältlichen Tickets be­sorgen will und wir in seinen Laden mitkommen sollen. Die Dakhla-Oase wird uns auch noch von anderer Seite empfohlen und soll eine heiße Quelle von 42°C haben, während El-Charga angeblich nicht so schön sei. Ralph ist gleich begeistert, während wir recht skeptisch sind. So versuchen wir zunächst „den mit der Pfeife“ loszuwerden und gehen dann zu einer der zahlreichen Garküchen am Straßenrand, um Falafeln zu essen und werden zusammen mit Tee für weniger als DM 3,– satt. Dann schauen wir uns noch etwas um und entscheiden uns, mit dem Bus um 15 Uhr zunächst nach El-Charga zu fahren und, falls es uns dort nicht gefallen sollte, von dort aus weiter nach Dakhla zu fahren.

Bei diesem netten Wirt genießen wir wieder einmal die allgegenwärtigen Falafeln; das sind frittierte Bratlinge aus zerkleinerten Dicken Bohnen oder Kichererbsen mit Kräutern und Gewürzen [Bild REM]

Abenteuer pur auf der Busfahrt zur Oase El-Charga

Wir kommen zur Busstation und der Bus – der letzte an diesem Tag – ist schon total überfüllt. So kriegen wir nur noch Stehplätze, die sich jedoch später zu halben Sitzplätzen entwickeln, da die Leute in ihrer Freundlichkeit immer so weit zusammenrücken, dass man zu dritt auf einer Zweierbank sitzt; so bringe ich auch noch eine halbe Pobacke unter und mache gleichzeitig statisches Armmuskeltraining. So starten wir auf die 200 km weite Fahrt zur Oase westlich des Nils.

Wir kommen ziemlich schnell in das Wüstengebiet und soweit das Auge reicht, ist nichts als Sand, Geröll und nicht sehr hohe Berge zu sehen. Dennoch hat auch diese Landschaft ihre Schönheiten, denn je nach Lichteinfall und Schatten wechseln die Felsen ihre Farben, und es sind die tollsten Formationen zu erkennen. Hinzu kommen die herben Reize des nunmehr längst nicht mehr so luxuriösen Busses – ein uralter Mercedes-Modell – der an allen Ecken und Enden knarrt, bei dem einige Fenster durch Bretter ersetzt sind, der nicht mehr überall Polster hat und der zentimeterdick mit Müll (Papier, Dosen, Orangenschalen, Kippen) bedeckt ist. Trotzdem, oder gerade deswegen, macht die Fahrt Spaß, und die Leute sind auch so nett und haben ihren Spaß, offensichtlich nicht zuletzt an uns. Nach zwei Stunden erreichen wir eine mitten im Nichts gelegene Station, wo jeder seine Dschellaba hebend, seinen Sch… in der Wüste ablegt, sich mit Wasser – das in porösen Tongefäßen kühl aufbewahrt wird – etwas erfrischt und schließlich – woran wir als einziges partizipieren – ein Glas sehr süßen Tee trinkt.

Wir fahren nach einer halben Stunde weiter und müssen dann über 2 – 3 Serpentinen in einen tiefergelegenen Talkessel, als der Zeitpunkt kommt, zu dem die Sonne beginnt unterzugehen. Ich denke: „Schade, dass wir nicht anhalten können, um ein paar Fotos vom Sonnenuntergang zu machen“ und genau in dem Augenblick beginnt das rechte Hinterrad fürchterlich zu schleifen und wir halten gezwungenermaßen an. Resultat der sofort durchgeführten Diagnose: Bruch der Aufhängung, sprich: keine Weiterfahrt möglich! Zunächst viel Spaß und Hallo, wir machen Bilder, alle kaspern wie üblich herum und freuen sich, dass sie fotografiert werden; und ich kriege auch meine Bilder vom Sonnenuntergang. Aber dann kommt die Ernüchterung, mitten in der Wüste, kaputtes Fahr­zeug, natürlich kein Funk o.ä., wenig Verpflegung und Getränke… wie in einem schlechten Roman.

Unser liegengebliebener Bus im Sonnenuntergang [Bild REM]

Sehr bald wird das Tageslicht verschwinden [Bild REM]

Jetzt beginnt eine lange Wartezeit, und wir haben viel Gelegenheit, die sonst immer so freundlichen und hilfsbereiten Ägypter mal in einer Situation kennenzulernen, die auch für sie außergewöhnlich ist. Auf die Ladefläche des ersten ankommenden Autos springen zunächst einmal alle Soldaten auf, die damit also in Sicherheit wären. Langsam wird es dunkel (ziemlich kurze Dämmerungsphase) und die nächsten Autos haben keinen Platz, jemanden mitzunehmen, es befanden sich ja auch ca. 70 Menschen in unserem Bus. Bei den folgenden, ankommenden Autos steigen zunächst der koptische (christliche) Pfarrer und dann die meisten anderen Männer ein, bis schließlich nur noch Frauen mit Kindern, einige wenige Männer und wir übrigbleiben. Wir harren weiter der Dinge, die da kommen sollen und  machen Marmeladenbrote für die Kinder. Aber es ist doch interessant wie schnell die Männer alle verschwunden sind, ohne sich irgendwie um die Zurückbleibenden zu kümmern. Schließlich nach 3½ Stunden Wartezeit kommt tatsäch­lich ein Ersatzbus, der jedoch in seinem Zustand alles bisher erlebte in den Schatten stellt: Die Bänke liegen fast alle auf dem Boden, eine fehlende Bodenplatte gibt den Blick aufs Getriebe frei, fast alle Fensterscheiben fehlen oder sind durch Bretter ersetzt etc. etc. Trotzdem steigen wir alle ein und düsen los. Über die sehr schlechte, teilweise im Bau befindliche Straße jagt der Fahrer in einer unglaublichen Geschwindigkeit, so dass zwei weitere Fensterscheiben herausfallen und sich keinerlei Gepäck im Netz hält, dafür kommen wir aber nach nur einstündiger Fahrzeit in EL-CHARGA an. Hier bringt uns ein Junge, der sich auch gleich als Kopte zu erkennen gibt, zum „Hotel“, einer von Mücken völlig verseuchten Baracke, in der wir dann endlich zum Schlafen kommen.

Mittwoch 9.3.  Gleich nachdem wir das „Hotel“ verlassen, schnappt uns ein junger Mann und bringt uns – ahnend, dass wir Hunger haben, denn englisch versteht er nichts – zu einer Garküche, wo es Falafeln und Tee gibt. Falafeln sind die ständig an jeder Ecke angebotenen halben Fladenbrote, die mit frittiertem Bohnenpüree (sieht aus wie Frikadellen), Tomaten und Paprika (bei Luxusausführung auch Pommes frites) gefüllt werden und gut und preiswert sättigen. Kosten für’s Frühstück: 55 Piaster. Der Mann besorgt uns auch gleich ein Collecting-Taxi und handelt uns einen guten Preis aus; aber er will nicht einmal Zigaretten zum Dank annehmen. Mit dem Taxi (japanischer Minibus) fahren wir ins Zentrum der El-Charga-Oase, um einen Rundgang durch den kleinen Ort zu machen. Viele Touristen scheinen nicht hierher zu kommen, denn überall stellt sich jemand in Positur, um fotografiert zu werden. Es sind wirklich herrliche Motive, so dass wir allerhand Fotos machen. Es ist erstaunlich, wieviel Wert die Menschen auf Kontakt legen, und man bekommt ein schlechtes Gewissen, wenn man es mit dem Benehmen vieler Deutscher gegenüber Ausländern vergleicht. So werden wir auch in verschiedene Werkstätten gebeten, wo man uns die Arbeiten zeigt und sofort Tee anbietet, jedoch ohne irgendwelche Verkaufsabsichten zu äußern.

Die Hauptstraße der Oase El-Charga [Bild REM]

Sie hat alles im Blick! [Bild REM]

Dattelpalmen, der erste ägyptische Tempel und eine Kopten-Nekropole in der Wüste

Wir kommen dann etwas an den Rand des Ortes, wo die Dattelpalmen-Plantagen (200.000 Stück) beginnen, die den Reichtum des Ortes ausmachen. Sie stehen alle in kleinen „Gärten“, die mit einer niedrigen Lehmmauer mit Gartentörchen eingefasst sind. Wahrscheinlich einerseits, um Eigentum einzugrenzen und andererseits, um die Palmen gut wässern zu können. Die Palmen bieten herrlichen Schatten und es ist toll, sich hier zu bewegen. Etwas weiter sehen wir zahlreiche Wiesen mit Klee und anderen Pflanzen, die von darin hockenden Bauern bearbeitet werden.

Eine wirklich grüne Oase! [Bild REM]

Er reitet mit seinem Esel, um wahrscheinlich Klee zu ernten [Bild REM]

Und wir genießen den Halbschatten unter den Dattelpalmen [Bild REM]

Nach Einkauf von Orangen (viel besser schmeckend, d.h. süß, saftig und nicht zäh, als in Deutschland und für 45 Pfg. je kg) suchen wir uns ein Taxi, das uns zum Amuntempel, nördlich vom Ort El-Charga bringt. Dieses ist ein gut erhaltener Tempel aus der ägyptischen Spätzeit, der z.Zt. restauriert wird. Somit genießen wir also jetzt unseren ersten antiken ägyptischen Tempel – es soll nicht der letzte bleiben! Die Besichtigung „leitet“ ein alter Ägypter, der uns Worte wie „Osiris, king, hieroglyphes“ etc. an den Kopf wirft, den Rest entnehmen wir dem Reiseführer bzw. unserer Phantasie und unserem Wissen. Näher beschreiben möchte ich den Tempel hier nicht, nur so viel, dass man durch vier große Tore hineinkommt, die mit Hieroglyphen und Bildern von Gottheiten geschmückt sind. Im Allerheilig­sten, im Innern des Tempels, sind weitere Zeichnungen zu sehen, sowie die riesigen Säulen, die die Konstruktion statisch sichern.

Eingang zum Amuntempel [Bild REM]

Diesen eher unbekannten Tempel können wir alleine besichtigen – das wird sich im Niltal sehr bald ändern! [Bild REM]

Dann verlassen wir die Oase und gehen gut einen km weit in die unmittelbar beginnende Wüste, wo uns die Sonne fast versengt (man bedenke, es ist noch Winter!). Wir kommen zu den Ruinen der koptischen Nekropole Bagawât. Kopten sind bekanntlich die christlichen, arabischen Einwohner Ägyptens, die sich bereits um 500 n. Chr. von der übrigen christlichen Kirche getrennt haben und noch heute als eine Minorität von ca. 10% im muslimischen Ägypten leben und hier einen schweren Stand haben. Es handelt sich bei der Stadt um z.T. recht zerstörte, z.T. recht gut erhaltene Kuppelbauten für die Bestattung koptischer Toter (Nekropole = Totenstadt), die natürlich nur antike Bedeutung haben. Nach einiger Zeit erscheint ein Kopte, erklärt uns einiges im gleichen Stil wie im Tempel und schließt verschiedene Bauten auf, wo noch Deckenmalereien zu erkennen sind. U. a. zeigt er uns auch eine Mumie, ist jedoch entsetzt, als Ralph sie fotografieren will.

In der koptischen Nekropole Bagawât bei el-Charga [Bild REM]

Am Nachmittag wird es lebhafter in el-Charga [Bild REM]

Wir begeben uns dann an die Hauptstraße in der Hoffnung, nach Assyut mitgenommen zu werden. Nach einer halben Stunde kommt tatschlich ein Bus, der uns ohne Probleme bis Assyut bringt. Wir gehen ins uns empfohlene „Zam-Zam Hotel“ und wollen dann endlich mal wieder Fleisch essen. In dem Lokal treffen wir prompt unseren Freund mit der Pfeife, der uns gleich anbietet, uns Karten für den Zug nach Assuan zu besorgen, die wir vorher vergebens kaufen wollten. Wir wollen uns aber nicht von ihm helfen lassen, weil uns dieser Schiebertyp irgendwie unsympathisch ist. Später versuchen wir nochmals alleine, Karten zu bekommen, aber angeblich sind alle für 1. und 2. Klasse verkauft, so kaufen wir schließlich welche für die sehr abenteuerliche 3. Klasse für je 85 E£, das bedeutet Abfahrt 4 Uhr morgens, 20 Stunden Fahrt für 600 km, möglicherweise kein Sitzplatz, ansonsten nur Holzbank…

Vor dem Bahnhof von Assyut wartet diese Kalesche auf Kunden [Bild REM]

Schon mal Dritter gefahren?

Als ich abends nochmals auf die Straße gehe, treffe ich natürlich wieder auf den Pfeifenmann, und er fragt mich wieder, ob ich nicht mitkommen wolle, er lüde mich zum Essen ein etc. So steige ich dann tatschlich in sein Auto ein und wir fahren ca. 20 km bis zum Haus seiner Großeltern in einem Dorf. Mit dabei sind noch zwei junge Ägypter, von denen der eine perfekt deutsch spricht.

In dem Haus ist es total dreckig und vergammelt, schlimmer als ich es in der Türkei oder Marokko je erlebt habe. Die Wände sind nur aus Lehm, die Tür wird mit einem Holzpflock zugemacht, es gibt keine Fenster, nur Neonlicht, überall liegen Berge von Wäsche herum … Inzwischen ist es schon 23 Uhr und ich habe ja schon gegessen. Trotzdem gibt es noch eine Mahlzeit: Reis mit Rindfleisch und Tauben sowie diverse Soßen und satt Orangen. Es schmeckt zwar sehr gut, aber der Typ ist mir wirklich unsympathisch. So bleiben wir noch eine ganze Zeit und um 1 Uhr morgens bin ich schließlich wieder im Hotel, mit dem Versprechen, morgen bekämen wir unsere Fahrkarten.

vorne die Moschee und hinten die koptische Kirche – kein seltenes Bild in Ägypten [Bild REM]

Die Moschee in Assyut ist sehr gepflegt und lädt zum Besuch ein [Bild REM]

Donnerstag, 10.3.  Ralph legt mal wieder einen seiner beliebten Langschlaf-Tage ein – für mich unverständlich in dem stickigen, dreckigen Zimmer und dem, was draußen geboten wird – während Wolfgang und ich schon vor dem Frühstück zum Bahnhof gehen, um nach Karten zu fragen. Plötzlich gibt es wieder Tickets 1. Klasse, die uns aber zu teuer sind, und als wir ewig nicht weggehen und immer wieder fragen, kriegen wir tatsächlich Billets für 2. Klasse air-condition, allerdings ohne Reser­vierung, d.h. zunächst nur Stehplätze, aber vielleicht bietet sich etwas Besseres im Zug, mal sehen. Der Zug fährt erst um 12 Uhr, so dass wir in Ruhe frühstücken können, und es gibt sogar hartgekochte Eier, die wir uns an einer Bude besorgen – um dann noch etwas Assyut besichtigen zu können und so das lebhafte Treiben, Handeln und die vielerlei hand­werklichen Tätigkeiten zu beobachten. In einer Polsterei beispielsweise werden Stühle im Stil Louis XV. (!!) mit italienischem Stoff bezogen, was uns bei einem Tee begeistert, wenn auch mit wenig Englisch-Kenntnissen, erklärt wird. Wieder im Hotel, um unsere Rucksäcke zu packen, klopft es: Der Pfeifenmann! Er bringt uns Tickets 2. Klasse mit air-condition, allerdings nur bis Luxor und für den Zug um 17 Uhr, das hieße, wir müssen im Dunkeln fahren und kämen nicht so weit, wie wir wollen. Also lehnen wir zu seiner Enttäuschung dankend ab (es ist uns natürlich ein Vergnügen), kommen aber trotzdem in seinen Laden mit. Dieser ist sehr klein, er versucht kaum, uns etwas aufzuschwätzen und Ralph kauft lediglich eine billige Weste, Wolfgang und ich nichts. Wir können seine geringen Bemühungen am Verkauf nicht ver­stehen, wirklich alles sehr merkwürdig. Sein Hauptgeschäft wird wohl im Bereich Rauschgift sein!

Die Open-Air Metzgereien sind etwas gewöhnungsbedürftig …   [Bild REM]

… und immer stark frequentiert! [Bild REM]

Im Zug bekommen wir vom Schaffner gegen etwas Bakschisch angewiesen, wo wir zunächst auf unseren Rucksäcken sitzen können, aber binnen einer Stunde haben wir jeder einen richtigen Sitzplatz.

Ägyptische Studenten sind nicht auf Rosen gebettet!

Bei der Fahrt von Kairo nach Assyut hatte es bei jeder Station Leute gegeben, die Sandwichs, Brot, Eier, Getränke etc. verkauften – abgesehen von der offiziellen Verpflegung im Zug, wo es für 15 Piaster einen Tee und für 2,50 E£ ein warmes Essen gibt – so dass wir jetzt nichts zu essen dabeihaben, da es einfacher ist, billige Sandwiches nach Bedarf zu kaufen. Aber, wie es das Schicksal will, bei keinem Bahnhof (ca. jede Stunde ein Stopp) wird etwas angeboten. Zweimal bin ich gerade in einer Kneipe als der Zug wieder losfährt und gleich holen mich zwei Ägypter wieder in den Zug, der glücklicherweise nur ganz langsam auf Touren kommt. Beim nächsten Halt steht einer neben mir an der Tür, der auch Geld in der Hand hat, und ich frage ihn, ob er auch etwas zu essen kaufen wolle, nein, er habe genug, könne mir aber etwas abgeben, denn er habe eigentlich viel zu viel. Fünf Minuten später kommt er mit einem großen Paket wieder, das mehrere Fladenbrote mit Eiern und Marmelade belegt, ent­hält und schenkt es uns! Das ist doch wirklich beeindruckend. Ich setze mich dann zu ihm, er fährt 1. Klasse, wo noch aller­hand Plätze frei sind. Es stellt sich heraus, dass er, Wadia, Englischstudent in Assyut ist und gerade seine Eltern besuchen fährt. Er erzählt mir allerhand, u.a. welche Probleme er als Kopte gegenüber der Mehrheit der Moslems habe, z.B. kann er deswegen nicht in billigen Studentenwohnheimen wohnen, welche Korruption in Ägypten herrscht, z.B. Bestechung von Dozenten, um gute Noten zu bekommen, über die Verfilzung von Posten, z.B. der Reichtum von Sadats Bruder, was z.Zt. gerichtlich untersucht wird und vieles andere. Sehr interessant ist seine Schilderung der finanziellen Seite; er erhält pro Monat 45 E£ von seinen Eltern, nichts vom Staat; davon 15 E£ für Wohnung, 15 E£ für Verpflegung (kein Mensa-Essen, weil Kopte) und 15 E£ für Bücher etc.; sein Bruder geht noch zur Schule und erhält 20 E£, das sind 65 E£ für die Kinder (die vier älteren Geschwister sind verheiratet) bei einem Einkommen seines Vaters, der bei der Eisenbahn ist, von 100 E£ je Monat. Seine Familie zählt nach Wadias Aussagen zum Mittel­stand! Man kann sich also leicht vorstellen, wie es bei der sehr großen Anzahl der ärmeren Leute aussieht. Seine eigene oder die durchschnittliche finanzielle Situation einer deutschen Familie damit zu vergleichen, hat man dann schon nicht mehr den Mut.

Wartende Passagiere auf dem Bahnsteig [Bild REM]

So vergeht jedenfalls Stunde um Stunde unserer Fahrt durch das Niltal, bis wir in Luxor fast unseren Ralph verlieren, der schnell eine Zeitung kaufen will und bei Rückkehr nur noch die roten Rücklichter des Zuges sieht. Aber dank der geringen Beschleunigung ägyptischer Lokomotiven holt er ihn noch ein und kann aufspringen, so dass er plötzlich hinter uns steht, während wir beunruhigt an der offenen Tür stehen und ver­suchen, festzustellen, wo er ist. Immer noch in der 1. Klasse sitzend, essen wir dann zunächst einmal, als ein Schaffner kommt und unsere Tickets kontrolliert, aber statt des er­warteten Donnerwetters, immerhin sitzen wir „eine Klasse zu hoch“, sagt er nur, sobald wir mit Essen fertig seien, sollten wie uns in die 2. Klasse setzen; eine Rücksicht, auf die man vermutlich in Deutschland nicht getroffen wäre. In Edfu steigt Wadia dann aus, nicht ohne uns einzuladen, ihn Ende der Woche zu besuchen, was wir auch ernsthaft planen.

Zweieinhalb Stunden später landen wir dann in ASSUAN und machen uns – es ist fast Mitternacht – auf die Suche nach einem Hotel. Wir haben insgesamt fünf Adressen von Hotels, die sich nach langem Suchen aber alle als voll entpuppen. Glücklicherweise ist es trotz der späten Stunde recht warm, so dass wir wenigstens nicht zu frieren brauchen. Dann frage ich einen Mann, der gerade mit Aktenköfferchen – auch in Ägypten ein beliebtes Utensil – über die Straße kommt, nach einem günstigen Hotel, und er führt uns über eine halbe Stunde von Hotel zu Hotel bis wir schließlich ein Zimmer mit Bad für 5 E£ bekommen und froh sind, endlich schlafen zu können.

 

Fortsetzung folgt!

Im nächsten Teil werden wir per Schiff über den Nasser-Stausee bis Abu Simbel und zurück fahren, die Tempelanlagen im Niltal wie Luxor oder Karnak besuchen sowie das Tal der Könige in Theben-West. Auch werden wir den Kopten Wadia in Edfu wiedertreffen, in Hurghada versuchen zu tauchen und schließlich die großartigen Pyramiden in Gizeh erkunden sowie zum Bauchtanz in Kairo gehen – es verspricht also, weiterhin spannend zu sein.

 
 

Vintage

Was ist Vintage?
"In der Mode versteht man unter Vintage ein Kleidungsstück aus einer älteren Kollektion eines Designers".
So sagt es Wikipedia in seiner Erklärung  ( https://goo.gl/7Nmyhz ). Ich habe den Begriff Vintage als Kategorienamen gewählt, um alle Reiseberichte zusammenzufassen, die schon etwas älter sind. "Oldies but Goodies" ist ein anderer Ausdruck, den man hier verwenden könnte. Auf jeden Fall stehen hier nicht die allerschönsten Bilder aus modernen Digitalkameras im Hintergrund, sondern eher besondere Erlebnisse. Und die Fotos sind eingescannt vom Dia oder sogar Papierbild. In diesem Zusammenhang könnte man sogar den Begriff "Shabby Chic" verwenden, den Wikipedia auch in seinem Artikel aufführt. Authentische Bilder aus der Vergangenheit haben ihren eigenen Reiz. Ist es doch so, dass die Generation Smartphone ihre qualitativ hochwertigen Handy-Fotos mit einem Filter auf Instagram hochlädt, der diesen Fotos ein oft vergammeltes Image mitgibt. Bei den Fotos der Vintage-Reihe braucht es das nicht. Die Fotos SIND schon alt und "wurmstichig" - wenn auch aus Gründen der Ästhetik die vielen kleinen Punkte und Fussel, die beim Einscannen noch zu sehen sind, mühsam in der Bildbearbeitung entfernt werden.

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