Oberpfalz: Vulkankegel, Kräuterfeen und Zauberdinner

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Ein Wochenende in der Oberpfalz

Ich bin zu Gast im Dorf

Waldeck ist ein Ortsteil von Kemnath und das gehört zum Landkreis Tirschenreuth. Wer wie ich mit der Bahn anreist, braucht für die letzte Strecke zu den Hollerhöfen ein Taxi.

Zum Haupthaus, dem Landhaus zum Hirschen, gehören auch einige renovierte Bürgerhäuser. An der Pferdekoppel und einer Scheune vorbei geht es zur Dorfstraße.

Jetzt residiere ich im Schreiberhaus unterm Dach. Ein großer Raum mit Küchenzeile, Essplatz, Sitzecke, Hängeschaukel und einer Leiter, die zu einem „Hochsitz“ über dem modernen Bad führt. Das wuchtige Gebälk, die groben Mauersteine, die gemütliche Einrichtung… ich fühle mich hier gut aufgehoben, habe alles, was ich brauche und koche mir erst mal einen Tee.

In diesem Haus wohnten über Generationen die Waldecker Dorfschreiber, die sich um die Geschehnisse im Ort kümmerten. Unten im Flur ist in einer Nische ein uralter, vom Ruß geschwärzter gemauerter Kamin zu sehen. Er riecht nach Rauch, als ob gestern noch geheizt worden wäre. Daneben eine mit einer Kette verriegelte grobe Holztür. Durch einen Spalt kann man ausgetretene steinerne Kellertreppen erahnen, die ins Dunkel führen. Schön, dass man bei der Renovierung solche Zeugen der Vergangenheit belassen hat. Das Schreiberhaus und alle anderen Häuser des Dorfes haben eine gemeinsame Geschichte.

Das Dorf brennt

1794 Ein Gewittersturm fegt über das Dörfchen Waldeck am Fuße der gleichnamigen Burg hinweg. Nach einem Blitzschlag bricht in einem Wohnhaus ein Feuer aus, die starken Winde tragen es in die benachbarten Gebäude. Die hilflosen Waldecker müssen zusehen, wie innerhalb weniger Stunden der ganze Ort in Schutt und Asche gelegt wird.

Niemand wollte an dieser Stelle nochmal sein Haus bauen. Die Bürger beschlossen, weiter unten an der Handelsstraße von Franken nach Böhmen ihr Dorf neu zu errichten. Steine der abgebrannten Häuser und Überreste der ehemaligen Burganlage wurden benutzt. So entstand das jetzige Waldeck nach einem genauen Bauplan des kurfürstlichen Baukommissars entlang der Straße. Jedem Bürger wurde ein Platz für sein Haus zugewiesen und die meisten hatten sogar wieder ihre gewohnten Nachbarn.

Die Hollerhöfe

Die Familie Zintl hat bereits drei dieser Dorfhäuser sehr behutsam und mit viel Liebe zum Detail umgebaut und es sollen noch mehr werden: eine Mischung aus Tradition, Gemütlichkeit und Komfort mitten im Dorf.

Elisabeth Zintl ist gelernte Bankkauffrau, Küchenmeisterin, Diätköchin und Gastwirtin in fünfter Generation. Sie möchte die Menschen für ihre Region begeistern. Die Vorfahren betrieben wohl schon im alten Burgdorf eine Schenke. Bei der Restauration der zum Teil denkmalgeschützten Bauten kommt sie in Goldgräberstimmung. Balken sind zum Teil älter als 1780 und wurden wohl von der Burganlage heruntergeholt. Wenn es möglich ist, wird das Alte erhalten und oft überraschend integriert. Frau Zintl beschreibt den eigenen Oberpfälzer Stil, der dabei entstanden ist als erdig, grob, naturverbunden, gradlinig.

Zum Urlaubskonzept gehören auch zahlreiche Veranstaltungen wie z. B. Koch-Workshops, Kurse rund um Kräuter und Natur und natürlich Entspannung pur im Wellnessbereich des Hotels.

 

Ein Herz für die Heimat: Elisabeth Zintl

 

Holla, die Waldfee

Der Holunder ist eine typische Oberpfälzer Pflanze und Namensgeber der Hollerhöfe. 8oo Büsche wachsen auf der Hollerwiese der Familie. Die Erzeugnisse: Tee, Marmelade, Sirup, Likör, Holler-Secco, Gin.  Erst werden die duftenden Blütendolden von Hand gepflückt, später die reifen violetten Beeren.

Aber im Hollerbusch steckt noch mehr. Nicht umsonst zog man früher vor dem Hollerbusch den Hut. Schutz vor Feuer und Krankheit sollte er bringen. Griechen, Römer und Germanen pflanzten gern Holunder in der Nähe des Hauses, da im Strauch die guten Geister wohnen sollten. Warum nicht auch Holla, die Waldfee? Frau Holle aus dem Märchen ist wohl auch irgendwie mit ihm verbandelt. Und da wäre noch Holda, die Muttergöttin aus der germanischen Mythologie. Der ganze geheimnisvolle Strauch, sehr mystisch angehaucht!

Zuhause in meinem kleinen Garten hat er sich einfach so ohne zu fragen breit gemacht. Bevor ich es richtig bemerkte, war er schon vier Meter hoch gewachsen. Woher er kam? Die Spatzen wissen es.

 

 

Hydrolate für die Winterzeit

Marie Swakowski kennt sich mit Kräutern aus und will mit uns heute Hydrolate herstellen. Wir betreten die ehemalige Holzscheune und finden uns in einer modernen Küche wieder. Auch sie gehört zu den Hollerhöfen.

Marie hat ihre Destille bereits aufgebaut. Sie besteht aus vier Teilen: dem Kessel für das Wasser, dem Aromakorb, dem Dom (Dampfkammer mit Kühlkuppel) und dem Oberteil mit dem Einfüllstutzen.

Das Prinzip: Das im Kessel befindliche Wasser wird erhitzt und beginnt zu sieden. Der Wasserdampf steigt nach oben, durchdringt das fein geschnittene Pflanzenmaterial und reißt dabei die flüchtigen Stoffe mit nach oben in die Kuppel. Dort trifft der Wasserdampf auf die kühle Metallfläche, kondensiert und läuft seitlich hinunter in die Rinne. Aus dem Dampfrohr tropft bald das Hydrolat mit Anteilen an ätherischem Öl.

Am Schluss bekommen wir die duftenden Wässerchen in dunklen Fläschchen: Zitronengras Hydrolat (erfrischend und kühlend auf der Gesichtshaut) und Lavandin Hydrolat (Muntermacher für Duschbad, für die Duftlampe).

Marie ist zertifizierte Kräuterführerin, Mitglied beim Hildegard-Kreis Selb und hat eine Ausbildung beim Ethnobotanischen Institut gemacht. Für mich eine gelernte Kräuterfee.

Bild copyright Schaffelhuber Communications

Vulkanerlebnis in der Oberpfalz

Für Alexander von Humboldt war der Hohe Parkstein der „schönste Basaltkegel Europas“. Wie er entstanden ist, kann man im dortigen Museum hautnah erleben. Zehn Minuten vor jeder vollen Stunde beginnt ein einzigartiges Schauspiel. Es rumort im Vulkanschlot, es donnert und rumpelt, raucht und kracht. Dann wird es gleißend hell im Vulkanschlot, der sich über drei Stockwerke erstreckt. Ich stehe mit meinen Kopfhörern mitten drinn und glaube fast, es riecht nach Schwefel. Den Vulkanausbruch habe ich überlebt, die Kamera ganz vergessen. Das Foto wäre bestimmt phantastisch geworden.

Wie die zahlreichen Vulkankegel vor 20 Millionen von Jahren in der Gegend entstanden (ganz anders als man denkt), wie der mächtige Basaltkegel die Ortsgeschichte prägte, die Geschichte der Burg und ihrer Bewohner, Kriegswirren und Marktrechte, das alles wird im Vulkanmuseum hervorragend dargestellt und erzählt. Draußen im Ort gibt es die majestätische Basaltwand zu bestaunen, einen Geopfad und den Felsenkeller.

Durstig nach soviel Geschichte landen wir beim Zoiglwirt und genießen das im örtlichen Kommunbrauhaus gebraute untergärige Zoigl-Bier. Hier sitzen Alt und Jung bei Bier und Brotzeit beisammen, an der Wand ein Foto der Altneihauser Feierwehrkapell´n. Jedes Wochenende wird das Bier woanders ausgeschenkt.

Auf dem Heimweg kommen wir am höchsten Bohrturm der Welt vorbei, wo Geowissenschaftler die weltweit tiefste Forschungsbohrung durchführten. Das Geozentrum dort ist für Besucher täglich geöffnet. Mutige können bis zur Arbeitsplattform in 83 m Höhe steigen.

Zauberhaftes Dinner

Auch auf den Hollerhöfen erwartet uns ein spannender Abend. In der alten Scheune „zum Hollerbusch“ wurde festlich gedeckt für ein Fünf-Gänge Menü. Zwischen den Gängen kommt Marco Knott, der Magier aus der Oberpfalz, an die Tische und verzaubert sein Publikum. Demnächst wird er in Bärnau im ehemaligen Kino seines Großvaters ein eigenes Zaubertheater eröffnen.

Bild copyright Schaffelhuber Communications

Aus der Nähe müsste man doch entdecken können, was da vor sich geht. Er lässt Ringe über Gummis tanzen, knotet und entknotet Seile, würfelt gedachte Zahlen und platziert Karten und Münzen an Stellen, die er scheinbar nie berührt hat. So konzentriert wir auch hinsehen, wir sehen auch aus kürzester Entfernung nichts als Zauberei.

Bild copyright Schaffelhuber Communications

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Jetzt kommt auch schon die Gänsebrust und die schmeckt fantastisch. Spätestens beim Dessert bin ich mir sicher: Auch in der Küche muss mindestens ein Zauberer stecken.

Essbarer Wildpflanzenpark

 

Am Sonntag wollen wir mit Frau Zintl auf die Burg wandern. Am Morgen ist es noch kühl und neblig. Der leicht ansteigende Wanderweg hinauf führt durch den Ewilpa, den ersten Essbaren Wildpflanzenpark. Wilde Gemüse, Kräuter, Beeren, Früchte und Nüsse wachsen hier ohne menschliches Zutun und dürfen auch maßvoll gesammelt werden. Geschenke der Natur!

Kein Verpackungsmüll, garantiert ohne Chemie und immer frisch! Dazu gibt es ein Begleitbüchlein mit Sammeltips und Rezepten wie z.B. den Wilden Linsensalat oder das Ebereschen-Zucchini-Chutney.

Der fünf km lange Erlebniswanderweg mit informativen Schautafeln führt auf den Waldecker Schlossberg und in die benachbarte Feldflur.

Frau Zintl findet zu jeder Jahreszeit Essbares in der Natur.

Die Burg Waldeck

Oben angelangt, reißt der Nebel langsam auf und gibt fantastische Blicke auf die Umgebung frei. Die Burgruine selbst hat eine dramatische Geschichte hinter sich. Der Hügel ist einer der vielen Basaltkegel, Vulkanschlote, durch Erosion freigelegt. Schon um das Jahr 1000 wurden die Wehranlagen bayerischer Siedler zu einer festen Burg ausgebaut. Herrenwechsel, Kriege, Belagerung, Brand, Neuaufbau…die herumliegenden Steine der ehemals stolzen Festung hätten viel zu erzählen.

Ein Tipp für einen schönen Nachmittag: Mit einer Brotzeit und dem Buch über die Geschichte der Burg auf den alten Mauern sitzen und in die Vergangenheit reisen.

Einige Mauern sind neueren Datums. Der Waldecker Heimat- und Kulturverein setzte sich für eine Sanierung der Burgruine ein. So betritt man die Burg jetzt durch das erneuerte Südtor, Mauerreste wurden behandelt und in der ehemaligen Kapelle St. Ägid ein stählerner Glockenturm aufgestellt. Inzwischen steht der Schlossberg unter Naturschutz und wurde in die Bayerische Denkmalliste aufgenommen.

 

Voller Überraschungen diese Oberpfalz!

Es war nur ein kurzes Wochenende und die Oberpfalz hat mich total überrascht. So viel Geschichte(n), erstaunliche Landschaften, ursprüngliche Natur und Menschen mit Heimatliebe, Unternehmergeist und genialen Ideen. Warum denn in die Ferne schweifen…

Literatur

Burg und Markt Waldeck im Laufe von Jahrhunderten, Herausgeber: Prof. Dr. Otto Altendorfer, Leonhard Zintl

Jeden Tag was Wildes: Sammeltipps und Rezepte,  Begleitbuch zum Essbaren Wildpflanzenpark in Kemnath-Waldeck

 

Links

Hollerhöfe

Vulkanerlebnis Parkstein

Stiftung Essbare­Wildpflanzen­Parks

 

Offenlegung: Danke für die Einladung von Schaffelhuber Communications und den Hollerhöfen, die die kompletten Reisekosten übernommen haben.

 

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Ein Kommentar

  • Alwin Pelzer

    Liebe Traudl,
    dieser Reisebericht ist wirklich gut gelungen, und weckt die Sehnsucht nach der Oberpfalz. Natürlich müsste ich auch im Schreiberhaus übernachten, in der Hoffnung, dass diese Räumlichkeiten mit der Kunst der geschliffenen und wohlüberlegten Worte auch auf mich abfärben. Dazu noch Hydrolat…

    Herzliche Grüße
    Alwin