Deine Kreuzfahrt, Dein Vergnügen. Doch wer macht den Dreck weg?

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Die Kehrseite der ach so glitzernden Medaille

ReiseBuch-Vorstellung:

Slimane Kader. „Ocean King: Was einer unter Deck erleben kann“

Ich stelle fest, dass ich gern Kreuzfahrtliteratur lese. Über mein erstes Buch in dieser Hinsicht habe ich schon berichtet: Nervenkitzel auf der Kreuzfahrt: 23 Menschen spurlos verschwunden.

Locker-flockig kommt Slimane Kaders Buch daher, unterhaltsam. Leicht zu lesen, immer amüsant, mit reichlich schwarzem Humor vermischt.

Kapitalismuskritik von der spaßigen Art. Die da oben, wir da unten. Oben die Fatties in Crocs, wie Slimane die amerikanischen Kreuzfahrttouristen oft nennt, unten die ausgemergelten Gestalten auf Zeitvertrag.

Und gerade deshalb lohnt es sich für jeden Kreuzfahrer, das Buch zu lesen. Entweder vor, nach oder während der Kreuzfahrt. Ob in der Ägäis, rund um Teneriffa oder in der Karibik.

Eigentlich ein Sklavenjob, aber der Typ, der unter dem Namen „Slimane Kader“ schreibt, zeigt uns den Weg auf vom untersten Sklaven bis zum Edel-Angestellten auf dem Schiff. Ein Glückspilz.
Ein schönes Märchen. Und wer glaubt, dass ein Mensch, ein algerischer Franzose, aus einer prekären Wohngegend in den nicht so attraktiven Außenbezirken von Paris so eine interessante Sprache pflegt, und ein Buch von derart flüssigem Ablauf hervorbringt, der glaubt auch noch andere Sachen. Wer schon einmal ein Buch geschrieben hat, weiß, wovon ich spreche. Dazu kommt die verworrene Geschichte, wie das Manuskript den Weg über mehrere Stationen zum Verleger gefunden hat. Strange.
Der Ghostwriter, so nenne ich ihn mal, schreibt also zum Beispiel:
Die Kreuzfahrer geben ein Bild des Grauens ab. Wirklich.
Und alle sehen gleich aus: Die Männer tragen Carlos-Hemden (wie der Sänger, nicht der Killer), Bermudas und Crocs.
Ihre Weibchen erkennen sich untereinander an den blauen Haaren, mit denen sie aber nicht an Punks, sondern eher an Barbapapa erinnern.
Und sie sind unglaublich fett! Als steckten sie jeweils zu zweit in ihren Hosen und Röcken. Eine echte Freakshow.
So beschreibt er also „die da oben“.
An seinem ersten Arbeitstag als Springer (genannt Joker), also Mädchen für alles, lässt er uns teilhaben. Er ist als „Wischer“ eingeteilt:
Steve holt mir ein Paar Gummistiefel.
»This is for you.«
Träume ich?
Warum sollte ich Stiefel tragen, in denen ich wie ein Forellenfischer aussehe? Und auch noch in Gelb!
»No, sänks«, sage ich.
Man hat ja seinen Stolz. Steve zuckt die Schultern. Mir ist es so lieber.
»Follow me!
Er tritt durch eine Schleuse. »Watch your head!«
»Wot?«
Und wumm! Ich stoße mir den Kopf am Türrahmen. Jetzt ist die Sache klar.
Besseres Englisch ist überlebenswichtig.
Um den Text oben verstehen zu können, solltest Du wissen, dass der Protagonist eine Art Vorstadt-Französisch spricht. Damit auch wir kapieren, dass er das Englische nur rudimentär beherrscht, hat die Übersetzerin auf ein phonetisch auftretendes Schrift-Englisch („Wot“, „sänks“) zurückgegriffen.
Im letzten Viertel des Buches hat unser Held schon jeden Sch… durchgemacht und ist schon ein wenig die Hierarchieleiter hinaufgestiegen. Es gibt halt diese berühmten Glücks- und Zufälle. Wenn’s der Dramaturgie des Buches dient, bitte sehr. Im wahren Leben bleibt der kleine Arbeitssklave im Bauch des Kreuzfahrtschiffes weiterhin der kleine Arbeitssklave.
Doch auch unseren Helden holt der Blues ein. Die Personen der Kreuzfahrer ändern sich nach jeder Tour, doch sie, die im Dunkeln leben, bleiben.
Wenn du nicht durch und durch Seefahrer bist, fehlt dir irgendwann der feste Boden unter den Füßen. Der Geruch der Bäume, die Farbe des Grases, neue Gesichter.
Zwar werden jede Woche neue Fatties in Crocs angeliefert, aber ab einem bestimmten Zeitpunkt sehen sie alle gleich aus. Sie sind aus den gleichen Gründen hier.
Sie erzählen alle das Gleiche und sehen einander ähnlich. Es sind eben Fatties in Crocs! Ob in China oder in Afrika, überall ist es das Gleiche.
Du weißt zwar, dass sie alle verschieden sind. Aber ab einem bestimmten Zeitpunkt haben alle die gleiche Visage. Als seien sie geklont!
Zum Abschluss noch der Verleger Guillaume Allary (er hat die Erstauflage zu verantworten), der in seinem Nachwort zusammenfasst:
Ocean King ist ein Text, der sich selbst nie ernst nimmt, den man aber ernst nehmen muss, weil er das zeigt, was sich hinter dem Kapitalismus versteckt: eine Welt, die uns verborgen ist und die dennoch viel über die uns bekannte Welt erzählt.

Eine Welt, die normalerweise keine Literatur hervorbringt.

 

Ocean King: Was einer unter Deck erleben kann

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